Crowdfunding: Neue EU-Verordnung könnte Beschränkungen bringen
Im März 2018 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung über Europäische Crowdfunding-Dienstleister für Unternehmen – die sogenannte „Crowdfunding Verordnung“ – vorgelegt. Bis dato wurde diese Verordnung nicht erlassen und befindet sich nach wie vor beim europäischen Rat bzw dessen vorbereitenden Dienststellen zur Erörterung – die letzte Sitzung fand am 17. April 2020 statt (Stand Mai 2020).
Hintergrund der Verordnung ist es, eine Harmonisierung der unionsweiten Rechtsvorschriften in Bezug auf Crowdfunding zu schaffen, welche vor allem in der Finanzierung von Kleinstunternehmen sowie kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) eingesetzt wird. KMUs machen 99 % aller Unternehmen in der Europäischen Union aus – sie sind die Eckpfeiler des europäischen Wirtschaftsraums. Die Verordnung beabsichtigt die Förderung eines vereinfachten Zugangs für KMUs zu Finanzmitteln.
Die Vorteile des Binnenmarkts können beim Crowdfunding derzeit noch nicht voll ausgeschöpft werden, da ein spezifisches und kohärentes Regulierungs- und Aufsichtssystem fehlt. Viele Mitgliedsstaaten haben bereits spezielle nationale Regelungen für das Geschäftsmodell des Crowdfunding erlassen. Die unterschiedlichen Rahmenvorschriften, Regeln und Auslegungen hinsichtlich der Geschäftsmodelle, die auf Crowdfunding-Dienstleister in der Union angewandt werden, behindern jedoch die potenzielle Ausweitung von Crowdfunding auf EU-Ebene.
Obwohl sich sowohl der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss, der Rat der Europäischen Union sowie das Europäische Parlament für eine Anhebung des Schwellenwerts auf (maximal) 8 Millionen Euro aussprachen, ist in der derzeitigen Fassung der Verordnung ein Schwellenwert von lediglich 1 Million Euro angeführt. Sollte dieser Betrag je Crowdfunding-Angebot überschritten werden, ist ein Kapitalmarktprospekt zu erstellen und genehmigen zu lassen. Letztlich soll es jedoch den Mitgliedstaaten im Rahmen eines Ermessensspielraums belassen bleiben, eine niedrigere Schwelle mittels nationaler Gesetze einzuführen. Dies würde jedoch zu einer Aushebelung der EU-Verordnung führen, wenn Mitgliedsstaaten nach wie vor frei entscheiden könnten den Schwellenwert bis zu einem Maximalwert beliebig hoch bzw niedrig anzusetzen. Es sollte zumindest sichergestellt werden, dass ein gewisser Mindestschwellenwert in allen EU-Mitgliedsstaaten unmittelbar verpflichtend gilt, um eine tatsächliche Harmonisierung der Crowdfunding Regelungen gewährleisten zu können.
Geplanter Schwellenwert konservativer als Rechtslage in Österreich
Für ein öffentliches Angebot von Wertpapieren und Veranlagungen bedarf es der Erstellung und Bewilligung eines Kapitalmarktprospektes. Das öffentliche Anbieten von Nachrangdarlehen wird in Österreich mittlerweile als (prospektpflichtige) Veranlagung im Sinne des Kapitalmarktgesetzes angesehen, weswegen grundsätzlich eine Prospektpflicht besteht. Eine Ausnahme der Prospektpflicht greift jedoch bei Angeboten unter 2 Millionen Euro gemäß dem österreichischen Crowdfunding-Regime in Form des Alternativfinanzierungsgesetzes. Bis zu einem Schwellenwert von 2 Millionen Euro ist lediglich ein Informationsblatt, aber eben noch kein Kapitalmarktprospekt zu erstellen. Unter 250.000 Euro entfällt darüber hinaus sogar jegliche Informationspflicht.
Hintergrund dieses Gesetzes ist, dass die Erstellung eines Kapitalmarktprospekts – allein aufgrund der zahlreichen Informationspflichten gegenüber den Investoren – meist zeit- und kostenintensiv ist, zumal die nationale Behörde (in Österreich die Finanzmarktaufsicht) den Kapitalmarktprospekt vor Veröffentlichung bewilligen muss. Vor der Bewilligung darf das „Produkt“ noch nicht öffentlich angeboten werden. Ein Informationsblatt hingehen sieht eine abgeschwächte Informationspflicht vor und ist deswegen weniger zeit- und kostenintensiv als ein Kapitalmarktprospekt, zumal das Informationsblatt nicht bewilligt werden, sondern lediglich von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern, Notaren oder Vermögensberatern auf seine Vollständigkeit, Verständlichkeit und Kohärenz überprüft werden muss.
Bis dato ist jedoch ein unionsweites öffentliches Angebot von (übertragbaren) Wertpapieren oder Veranlagungen – mangels einheitlicher unionsweiter Crowdfunding-Rechtsgrundlage – lediglich via Kapitalmarktprospekten möglich, welche mittels Notifikation in weiteren EU-Mitgliedsstaaten ohne vorherige Bewilligung der Aufsichtsbehörden aufgelegt werden können. Öffentliche Angebote mittels Informationsblätter hingegen dürfen nur rein lokal angeboten werden. Für ein Angebot in einem anderen Mitgliedsstaat muss vorab die Rechtsgrundlage in der jeweiligen Jurisdiktion geprüft und allenfalls ein entsprechendes Dokument neu erstellt werden. Wird ein unionsweites Anbieten von Wertpapieren oder Veranlagungen beabsichtigt, so könnte sich derzeit unter anderem bereits die Erstellung eines Kapitalmarktprospekts mehr auszahlen. Eine freiwillige Optierung in die Prospektpflicht ist jederzeit möglich.
Es wäre daher zu begrüßen, wenn der Schwellenwert der EU Crowdfunding-Verordnung auf zumindest 8 Millionen Euro angehoben wird, sodass ein unionsweites Angebot nicht mit – wie es der derzeitige Text der Verordnung vorsieht – 1 Millionen Euro beschränkt ist Dies vor allem im Hinblick auf den derzeit beliebten Anwendungsbereich des Crowdfundings im Bereich der Immobilien, welcher den Großteil des Crowdfunding-Marktes ausmacht.
Crowd-Beteiligungen an Immobilienprojekten erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Man nehme nur die größte deutsche Crowdfunding-Plattform für Immobilien „Exporo“, welche 2019 mit Zinsland fusioniert hat und bereits mehr als Millionen Euro vermittelt hat. Gerade für den Immobilienbereich wäre eine Anhebung des Schwellenwerts auf 8 Millionen Euro sehr interessant. Aber nicht nur die klassischen Crowdfunding-Modelle bzw Crowdfunding-Plattformen, sondern auch für Anbieter von Blockchain basierten Security Token – sogenannte Tokenisierungsplattformen – wäre die Verabschiedung der Verordnung vorteilhaft. Denn auch Security Token – als (übertragbare) Wertpapiere – würden in den Anwendungsbereich der EU Crowdfunding-Verordnung fallen und könnten daher ebenfalls von der Möglichkeit, unionsweite Angebote platzieren zu können, profitieren.
Organisatorische Anforderungen
Die Verordnung sieht zahlreiche organisatorische und betriebliche Anforderungen für Crowdfunding-Dienstleister vor, welche unter anderem auf die Vermeidung von Interessenkonflikten, der Einführung von angemessenen Beschwerdeverfahren und eine wirksame und umsichtige Geschäftsleitung des Crowdfunding-Dienstleisters abzielen. Weiters sind Pflichten bei Auslagerung von Aufgaben an Dritte, bei der Verwahrung des Kundenvermögens und bei der Erbringung von Zahlungsdiensten einzuhalten. Kapitel IV der Verordnung enthält umfassende Bestimmungen zu Investorenschutz und Transparenz. Demnach sind potenzielle Investoren auf ihre Eignung für bestimmte Investmentprojekte zu prüfen und hat der Crowdfunding-Dienstleister einen möglichen Verlust des investierten Geldes für die Investoren zu simulieren und allfällige Risiken offenzulegen. All diese Maßnahmen ähneln – als Art „Compliance light“ – den Compliance-Vorschriften für Wertpapierfirmen nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz. Dies mag vor allem deswegen gerechtfertigt sein, weil Crowdfunding-Dienstleister ferner auch berechtigt sein sollen i) Kredite zu vermitteln, ii) übertragbare Wertpapiere zu platzieren und iii) Kundenaufträge in Bezug auf diese übertragbaren Wertpapiere anzunehmen und zu übermitteln. Wesentlich, und das Kernstück der Verordnung, ist jedoch das unionsweite Anbieten der Crowdfunding-Dienstleistungen.
Artikel 10 der Verordnung sieht weiters eine lange Anforderungsliste für die Zulassung als Crowdfunding-Dienstleister vor, wobei dies für bereits bestehende Crowdfunding-Anbieter keine Hürde sein sollte, zumal viele Anforderungen bereits jetzt umgesetzt sind. Neu ist natürlich, dass Crowdfunding-Dienstleister zukünftig (von der ESMA bzw delegiert zu den nationalen Behörden) beaufsichtigt werden sollen und somit auch Geldbußen verhängt bzw sogar die Zulassung gänzlich entzogen werden kann. Eine Beaufsichtigung der Crowdfunding-Dienstleister durch die Finanzmarktaufsichtsbehörde ist nach derzeitiger Rechtslage nicht vorgesehen.
Auffallend an dem Vorschlag der Verordnung ist jedoch, dass zwar das Grundgerüst des Zulassungsverfahrens und weitere allgemeine Bestimmungen in der Verordnung selbst normiert sind, hinsichtlich weiteren Einzelheiten jedoch auf noch zu verabschiedende delegierte Rechtsakte der Europäischen Union, welche die Bestimmungen der Verordnung spezifizieren sollen, verwiesen wird.
Ausblick
Fraglich ist, inwiefern die österreichische Rechtslage – und daher insbesondere das Alternativfinanzierungsgesetz – nach Verabschiedung der EU-Crowdfunding-Verordnung als in den Mitgliedsstaaten unmittelbar anwendbares Rechtsinstrument, angepasst wird oder ob diese beiden Rechtsregime nebeneinander parallel bestehen bleiben, sodass auf nationaler Ebene nach wie vor ein öffentliches Angebot bis EUR 2 Mio dem Alternativfinanzierungsgesetz unterworfen werden kann.
Erst nach Vorliegen des finalen Verordnungstextes kann eine abschließende Beurteilung dessen und ihrer Auswirkungen auf den europäischen Crowdfunding-Markt getroffen werden.
Gerade im Lichte der aktuellen COVID-19 Situation, der mangelnden Liquidität von Unternehmen – insbesondere KMU – und der zurückhaltenden Position von Finanz- und Kreditinstituten bei Finanzierungen, sind alternative Finanzierungsformen – vor allem für eine Refinanzierung – gefragter denn je. Aufgrund attraktiver Refinanzierungsmöglichkeiten via Crowdfunding-Modellen ist ein vereinfachter Zugang zum Kapitalmarkt für europäische KMUs mittels Harmonisierung der Crowdfunding-Regelungen sehr zu begrüßen. Es bleibt jedoch fraglich, ob mit einer Verabschiedung der Verordnung noch dieses Jahr gerechnet werden kann.
Dieser Gastbeitrag wurde von Christoph Urbanek, Partner und Finanzierungsexperte bei DLA Piper, und Armin Redl, Associate im Bereich Litigation & Regulatory bei DLA Piper, verfasst.