Crowdinvesting: „Wir müssen beweisen, dass die Leute damit Geld verdienen können“
Auf der einen Seite erlebte Crowdfunding 2016 ein extrem erfolgreiches Jahr. 22,7 Millionen Euro wurden insgesamt investiert, eine Verdoppelung des Marktes binnen einen Jahres. Der Anstieg der Volumina ist mit dem Inkrafttreten des Alternativfinanzierungsgesetzes im Oktober 2015 gegründet, das die Rahmenbedingungen durch das qualifizierte Nachrangdarlehen deutlich erleichterte. Auf der anderen Seite rissen in den vergangenen Monaten die Nachrichten aus Deutschland über Pleiten größerer Projekte nicht ab.
Mit Protonet, Panono, Triprebel, EN3 und Freygeist scheiterten in den ersten sechs Monaten des Jahres gleich fünf von der Crowd finanzierte Unternehmen. Der größten Plattform Companisto brach der Umsatz im 1. Quartal 2017 um 40 Prozent weg. Von einer halben Million im vorherigen Quartal ging er auf 290.000 Euro zurück. Die Verluste stiegen hingegen nach einer schwarzen Null auf 330.000 Euro an.
Wir haben uns mit Daniel Horak von Conda, Wolfgang Deutschmann von der Rocket-Gruppe und Lukas Müller von Rendity im Metaware in Wien 15 getroffen und über Anlegervertrauen und Marktkonsolidierung gesprochen und erfahren, weshalb der Brexit auch seine Vorteile hat.
Über die Pleiten in Deutschland und das Anlegervertrauen
Daniel Horak: Natürlich verfolgen wir das genau. Conda hat sechs Leute in Deutschland sitzen. Allerdings waren diese Pleiten zu erwarten. Sie sind ein Teil unseres Business-Modells. Nicht alle Ideen gehen auf, nicht alle Teams funktionieren. Wir müssen uns fragen, was wir daraus lernen können. Der deutsche Markt ist früher gestartet. Wie können wir Pleiten vermeiden? Was können wir besser machen? Wir müssen weiter aufklären: Investiert breit und nur so viel, wie ihr euch leisten könnt.
Lukas Müller: Rendity finalisiert ausschließlich Immobilien-Projekte. Unsere Expertise liegt nicht darin Startups zu bewerten oder deren Risiken einzuschätzen. Das können wir bei Immobilien viel besser. Dennoch betreffen uns die Fälle, weil das Vertrauen in Crowdinvesting damit generell sinkt. Die Leute müssen selbst prüfen und abwägen, ob ein Projekt ihren Vorstellungen entspricht. Wir als Branche werden intensiver prüfen und eine Standardisierung einführen, damit wir Projekte nur der Crowd vorstellen, wenn gewisse Parameter eingehalten sind.
Wolfgang Deutschmann: Nach der Pleite bei uns hatte ich nicht das Gefühl, dass das Vertrauen in uns sinkt. Weil die Initiatoren offen kommunizierten, wo die Probleme lagen. Wir suchten dann gemeinsam nach Lösungen. Für die Anleger bedeuten die Pleiten einen Lernprozess: Wir bieten keine Sparbücher an.
Horak: Den Leuten wird klar, dass hohe Renditen ein höheres Risiko bedeuten. Wir müssen aufklären: Weshalb gibt es hohe und niedrige Verzinsungen? Wie funktionieren Kapitalmärkte? Wie funktionieren die unterschiedlichen Instrumente? Es ist ein Bildungsauftrag. Wir versuchen das gemeinsam breiter zu kommunizieren.
Über Gründe fürs Scheitern und Anlegerschutz
Trending Topics: Bei Conda gab es drei Insovenzen, die 84 erfolgreichen Projekten gegenüberstehen. Müssen Initiatoren nach Pleiten offenlegen, was sie mit dem Geld gemacht haben? Oder können sie theoretisch das Geld in einen Tesla stecken und nach Spanien düsen?
Horak: Wir haben Regularien in den Verträgen, die gewisse Dinge unterbinden. Aber im Rahmen der unternehmerischen Freiheit ist der Gründer schon sehr flexibel. Wir haben ein quartalsweisen Reporting eingeführt. Damit wissen die Investoren und wir, wo das Unternehmen steht. Es liegt allerdings an der typischen Genese eines Startups, dass manche Pläne einfach nicht so hinhauen wie geplant. Viele Gründer wollen zu schnell zu viel. Daran kann das Vorhaben Unternehmertum auch schnell scheitern. Die Pleiten bei uns waren eher kleinere Volumina. Wir haben uns mit den Gründern und größeren Investoren zusammengesetzt und nach Lösungen gesucht. Wir investieren ja nicht alleine in die Projekte. Meist sind gut kapitalisierte private oder institutionelle Investoren mit an Bord. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass der Großteil der Geldgeber bei den betroffenen Projekten sich nicht vom Crowdinvesting abgewendet hat. Ich denke, dass da kein Fatalismus nötig ist. Klare Kommunikation – auch über Misserfolge – ist das wichtigste Vehikel.
Trending Topics: Laut einer Kickstarter-Studie scheitern neun Prozent der Projekte, weil sich die Gründer nach dem erfolgreichen Investment um das liebe Geld streiten. Checkt Ihr den privaten finanziellen Background der Gründer?
Deutschmann: Wir lassen uns nicht die Kontoauszüge geben, nein. Aber wir durchleuchten, wie erfahren die Gründer sind und wie das Team an sich funktioniert. Wer bislang erfolgreich in Logistik war, wird auch nicht anfangen Apfelsaft zu verkaufen. Uns ist wichtig, dass der Unternehmer in die Pflicht genommen wird, wenn es Probleme gibt. Meistens stecken die Gründer einiges an Geld in das Projekt, dann gibt es Business Angels und uns als Co-Investor. Also wissen wir wie die Finanzpläne aussehen, aber das beschränkt sich auf den unternehmerischen Part.
Über Nachrangdarlehen, Verlustrisiko und Alternativen
Trending Topics: Können Anleger in der typischen Crowdinvesting-Finanzierung des Nachrangdarlehens rechtlich gegen Verluste vorgehen?
Müller: Rein rechtlich ist es aufgrund des Alternativfinanzierungsgesetzes und unserer Darlehensverträge so ausgestaltet, dass ein Klagerecht seitens der Investoren nicht gegeben ist. Die qualifizierte Nachrangigkeit bedeutet, dass Investoren mit der eigenen Forderung das Unternehmen nicht in die Insolvenz treiben dürfen. Bevor bei uns eine Pleite passieren kann, geschehen im Bausektor viele Dinge, die man berücksichtigen kann: Es kommt zum Beispiel zu Verzögerungen, weil eine Baufirma geht pleite und ersetzt werden muss. Im einzelnen Fall ist eine Refinanzierung meistens deutlich leichter. Die Crowd wird in diesen Prozess gar nicht involviert. Das mündet dann in einen neuen, teuren Kredit oder die großen Investoren schießen nochmals nach.
Trending Topics: Ist das Nachrangdarlehen das beste Modell für Crowdinvesting?
Horak: Im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten ist es das beste Modell, das wir bekommen können. Wir würden alle am liebsten in Richtung eigenes Eigenkapital gehen, so wie das in Großbritannien und der Schweiz möglich ist. Bei Conda kommt eine Komplexitätsstufe hinzu: Wir sind in acht Ländern aktiv. Wir mussten uns für ein Modell entscheiden, dass bei allen nationalen Regulierungsbehörden anerkannt ist. Das war nur mit dem Nachrangdarlehen möglich. Wenn es um echtes Eigenkapital ginge und 600 Investoren eine Massensitzung beim Notar machen müssten, wäre auch niemandem geholfen. Aber so würden es die Gesetze hier wollen. In Deutschland gibt es Treuhand-Konstrukte mit zwischengeschalteten Gesellschaften. Das ist ein rechtlicher Graubereich. Ökonomisch bilden wir mit dem Nachrangdarlehen Eigenkapital ab. Das bedeutet viele Einschränkungen, hat aber auch ein paar Vorteile. Insgesamt ein guter Mittelweg.
Deutschmann: Das Totalverlustrisiko im Nachrangdarlehen ist gesetzlich festgehalten. Es darf keine unbedingten Sicherheiten geben, damit sich das Geld als Eigenkapitalersatz überhaupt qualifiziert. Nur so lässt es sich bei der Bank hebeln. Wenn ein Investor am Unternehmen direkt beteiligt ist, bedeutet das ja ebenfalls keine Sicherheit. Mit dem Nachrangdarlehen wird eine Beteiligung nachgebaut. Ich halte das für eine gute Lösung. Man kann vertraglich sehr viel eingrenzen. So dass kein Gründer sich eben keinen Tesla kauft und nach Spanien abhaut.
Müller: Das Alternativfinanzierungsgesetz hat einen guten Ausgleich geschaffen zwischen Geldbeschaffung für die Unternehmen, aber auch Anlegerschutz auf der anderen Seite. Die Banken haben eine gute Lobby und aufgrund dessen ist Crowdfunding bislang nur mit dem qualifizierten Nachrangdarlehen als Eigenkapitalersatz möglich.
Über die Zukunft, die Zusammenarbeit mit Banken und ein Gütesiegel
Trending Topics: Die Branche professionalisiert sich und wird erwachsen. Wie schätzt ihr die zukünftige Entwicklung ein?
Horak: Wir müssen beweisen, dass die Leute damit Geld verdienen können. Bei Conda schütten sechs Projekte Zinsen aus. Wir müssen zeigen, dass alle profitieren. Zudem wird es eine Konsolidierung im Markt geben. In Österreich gibt es mittlerweile gut 20 Plattformen, in Deutschland sind es hundert. Wir sehen, dass sich der Markt weiter spezialisieren wird und Plattformen auf einzelne Branchen setzen werden. Auch regionale Projekte werden an Bedeutung gewinnen. Wir selbst wünschen uns natürlich, dass die Volumina größer werden. Wir sehen bei Projekten wie den Adeo Alpin Hotels mit 1,2 Millionen Euro Volumen und auch bei Ökostrom, dass der Mittelstand aufwacht und Crowdinvesting als veritable Finanzierungsform akzeptiert wird. Die Banken verstehen mittlerweile, dass wir kein Mitbewerb sind, sondern eher ein Hebel für ihre eigenen Finanzierungen und wir gesamtökonomisch unterstützen können, damit etwas weitergeht. Wir sind auch gespannt, wie sich die Risikokapitalprämie auf unsere Investoren-Landschaft auswirkt. Wenn wir nach Europa schauen, hilft uns der Brexit eigentlich ganz gut. In Großbritannien entstehen sehr große Player und die kommen jetzt nicht so schnell auf unseren Markt.
Müller: Die Ratings werden sich verbessern und früher oder später werden sich auch die rechtlichen Rahmenbedingungen weiter für uns verbessern, so dass wir tatsächlich in Beteiligungen gehen können. Es gibt diese Finanzierungsmöglichkeiten in der Schweiz und in Sicht auf die Konkurrenzfähigkeit wäre das sehr wichtig.
Deutschmann: Wir müssen als Branche qualitativ zu wachsen. Wir werden gewisse Aspekte standardisieren, damit sich jeder Anleger darauf verlassen, dass gewisse Parameter zur Sicherheit ihres Investments erfüllt werden. Bei der WKO sind 14 Plattformen gelistet, dort entwickeln wir ein Plattform-Siegel, dass wir alle verwenden. Wir stellen auch fest, dass sich viele Investoren mehr und mehr mit der Finanzierungsform identifizieren. Wir haben viel Stamminvestoren, die immer wieder kommen. Auch Unternehmen sehen die Vorteile Crowdinvesting nicht nur zur Finanzierung zu nutzen, sondern auch zur Kundenbindung. Wir haben für die LGV das erste „Gärtnergschäftl“ in der Kettenbrückengasse finanziert. In sechs Tagen war das Geld da. Wir haben zwei Wochen lang eine Warteliste geführt, weil die Leute einfach dabei sein wollten. Die Eröffnung war ein riesiges Fest. Die Crowd wird aktiver. Crowdinvesting kommt immer mehr im Mainstream an. Banken sehen zu 95 Prozent, dass wir keine Konkurrenz, sondern ein zusätzliches Asset sind. Auch weil es ihnen wegen Basel III und Basel IV immer schwerer fällt, ihre Finanzierungen zu vergeben. Wir können sicher nicht alle Probleme lösen, aber wir können zur Lösung beitragen.