Einblick

Darauf achten Investor:innen wirklich, bevor sie Investment-Entscheidungen treffen

In der Diskussionsrunde “Investment Unplugged“ gaben Investor:innen Einblicke in ihre strategischen Entscheidungen. © Skinnovation, Johannes Zeiler
In der Diskussionsrunde “Investment Unplugged“ gaben Investor:innen Einblicke in ihre strategischen Entscheidungen. © Skinnovation, Johannes Zeiler
Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview

Im Rahmen der diesjährigen Skinnovation, dem größten Startup-Festival in Tirol, haben vier Investor:innen offen auf 2300 Meter Höhe darüber gesprochen, worauf sie beim Investieren tatsächlich achten.

Für Christopher Halbig (SevenVentures), Marlis Baurecht (Symbia VC), Leopold von Schlenk (FamilienUnternehmerTUM) und Susanne Lederer-Pabst (dragon fly finance) kommt es vor allem auf Authentizität, Leidenschaft, die Qualität des Netzwerks, Fachexpertise und Referenzen an – aber was bedeutet das genau?

Seven Ventures: “Die Passion und der Willen weiterzumachen zählen“

Christopher Halbig ist Vice President bei der Investmentgesellschaft SevenVentures in München. © SevenVentures
Christopher Halbig ist Vice President bei der Investmentgesellschaft SevenVentures in München. © SevenVentures

Christopher Halbig ist seit knapp 9 Jahren bei SevenVentures in München und dort im Management Team und Vice President tätig, wo er Subventionen koordiniert, Advisory Boards betreut und strategische Beteiligungen verantwortet. Er achtet bei der Due Diligence vor allem auch auf Teams mit echter Leidenschaft und dem Willen, auch in schwierigen Zeiten weiterzumachen.

„Wir investieren beispielsweise in Firmen, die schon deutlich weiter sind, etwa ab Series B oder C. Wenn wir eine Marke mit viel Kapital groß machen wollen, muss bereits eine solide Basis vorhanden sein, damit das Investment sinnvoll ist. Die Zahlen müssen gut aussehen, aber über die Jahre habe ich festgestellt, dass das Wichtigste die Menschen und die Incentivierungen hinter den jeweiligen Keyplayern sind. Eines muss immer da sein, die Passion und der Willen, weiterzumachen – auch in harten Zeiten“, so Halbig.

Er weiß, dass Gründer:innen oft genug Gründe hätten, aufzugeben, und mit ihrer Top-Ausbildung leicht andere Optionen finden könnten bzw. oftmals top Angebote von Headhunters bekommen. Am Ende zählt aber, trotzdem dranzubleiben und das würden nur jene tun, die wirklich hinter ihrem Startup stehen.

Im Consumer-Pitch emotional überzeugen

Bei Pitches achte Halbig insbesondere darauf, ob der Investor auf mehreren Ebenen abgeholt wird. Besonders im Consumer-Bereich käme es darauf an, Emotionen auszulösen und es zu schaffen, die potenziellen Investor:innen so weit zu bekommen, dass sie während dem Zuhören selbst (weiter)denken: “Das ist gelungen, wie krass kann das (noch) werden, wenn man skaliert?”
Für ihn geht es bei Pitches darum, Menschen einen Gedanken eingepflanzt, der sie nicht mehr loslässt. Als Erfolgsbeispiel nannte er das Startup Formo aus Berlin und Frankfurt, einen durch Mikrofermentation hergestellten tierfreien Käse – als Lösung gegen die Massentierhaltung.

Symbia Ventures: Startup-Netzwerk im Fokus

Als Senior Investmentmanagerin betreibt Marlis Baurecht Portfolio-Management bei Symbia VC – ursprünglich aus der Wissenschaft als Genetikerin und Mikrobiologin.© Symbia VC
Als Senior Investmentmanagerin betreibt Marlis Baurecht Portfolio-Management bei Symbia VC – ursprünglich aus der Wissenschaft als Genetikerin und Mikrobiologin.
© Symbia VC

Marlis Baurecht ist Senior Investment Managerin bei Symbia Ventures, dem Venture-Arm der Pfeifer Holding – einem Innsbrucker Holzverarbeitungsunternehmen mit 14 Sägewerken in Europa. Ihr Fokus liegt auf innovativen Startups, die strategischen Zugang entlang der Lieferkette schaffen, neue Märkte erschließen und zukunftsweisende Technologien entwickeln.
“Wer ist die Person behind the team, wer ist ihr Einflüsterer?” Baurecht legt großen Wert auf die Qualität des Netzwerks und der Unterstützer:innen des jeweiligen Startup-Teams. Sie empfiehlt Gründer:innen, sorgfältig auszuwählen, mit welchen Business Angels oder Investor:innen sie zusammenarbeiten, da deren Einfluss erheblich sein kann – vor allem in der Early Stage Phase.

Als Beispiel nennt sie einen gescheiterten Förderantrag aus ihrer Zeit bei der aws: Ein „sehr namhafter Business Angel“ hatte darauf bestanden, dass die Patente nicht ins Unternehmen eingebracht werden. Das sei ein großes Problem gewesen, da der Wert eines Unternehmens gerade in der Frühphase stark von immateriellen Gütern abhängt. Fördergelder und andere Non-Dilutive-Money-Quellen könnten hier entscheidend helfen, ohne dass Gründer:innen ihre Anteile durch Kapitalaufnahmen verwässern müssten.

Bei der Wahrheit bleiben und Cap-Table korrekt halten

Für Startups in der Later-Stage hat Baurecht folgenden Tipp: “Bleibt authentisch und vergesst nicht, das Gründer:innen-Team muss sich auch nach ersten Investments weiterhin hübsch machen und vor anderen attraktiv vorstellen und gut verkaufen können – das erwarte ich schon.“

Wichtig sei, stets bei der Wahrheit zu bleiben. “Wenn der Bestcase niemals realisiert werden kann, weil das, was vorgegeben wurde, einfach nicht realistisch ist, dann ist es natürlich bitter“, so die Investment-Managerin. Sie erzählt von einem Fall, bei dem namhafte Investor:innen oder VCs bereits auf der Cap-Table standen, die noch gar nicht fix an Bord waren. “Wir als Investor:innen machen unsere Hausaufgaben – demnach eine gründliche Due Diligence.”

In eine Beteiligung zu kommen sei ein Prozess. “Zuerst kommt die Attraction – hier ist der Pitch entscheidend. Dann wird geprüft, welche namhaften VCs bereits zugestimmt haben und ob eine Due-Diligence durchgeführt wurde. Trotzdem muss jede:r Investor:in für sich noch einmal alles hinterfragen.”

Ein Pitch, der Baurecht „total gepackt“ hat, war jener des Startups MATR, das Matratzen zurück in die Kreislaufwirtschaft bringt und damit besonders nachhaltig agiert.

Wen und wie FamilienUnternehmerTUM unterstützt

Leopold von Schlenk ist Co-Founder & Expert Manager bei FamilienUnternehmerTUM © UnternehmerTUM
Leopold von Schlenk ist Co-Founder & Expert Manager bei FamilienUnternehmerTUM © UnternehmerTUM

Leopold von Schlenk ist auf Family-Business-spezifische Themen und Innovationsmanagement spezialisiert. Seit mehr als vier Jahren ist er bei FamilienUnternehmerTUM in München tätig, wo er eine Initiative für familiengeführte Unternehmen leitet. Neben Inkubationsaktivitäten werden in einem eigenen Venture-Arm vier Fonds mit 400 Millionen Euro verwaltet, davon sei knapp die Hälfte reines Family-Office-Geld. Darüber hinaus ist er in der fünften Generation im Familienunternehmen Schlenk SE tätig und auch als Angel-Investor in Zusammenarbeit mit europäischen VCs aktiv. Von Schlenks Fokusbereiche: Industrial-Tech- und DeepTech.

Nachdem ein Investment entschieden wurde, ist von Schlenk nach eigenen Angaben vor allem zu Beginn stärker involviert. “Wenn die Startups noch sehr frühphasig sind, geht es darum, Pilotkunden zu organisieren oder Sales voranzutreiben – das ist der größte Pain im B2B-Bereich. Zu Beginn machen wir Workshop-Runden mit den Gründer:innen, wo eine Longlist erstellt wird, um zu überprüfen, welche Industrieunternehmen relevant sind. Anschließend versuchen wir, die Listen sukzessiv abzuarbeiten“, so von Schlenk. Es gehe darum, Informationen bereitzustellen und Kontakte so zu begleiten, dass sie strukturiert in Kooperationen übergehen. Im Idealfall können diese Partnerschaften irgendwann eigenständig getragen werden.

Erstes Angel-Investment: IndustrialTech-Startup Dryft AI

Von Schlenk berichtete, bei FamilienUnternehmerTUM viele Pitches von deutschen Startups zu sehen – vor allem aus dem Tech-Bereich. Der Unterschied zu den Pitches amerikanischer Gründerteams sei enorm. “Letztes Jahr habe ich mein erstes Angel-Investment in den USA gemacht, zusammen mit General Catalyst als Lead-Investor – auch der Facebook- und Google-Vorstand sind als Angels mit an Bord. Zwei deutsche Gründerinnen, ausgebildet in Stanford und durch Y Combinator gegangen, pitchten mit amerikanischer Sales-Orientierung – da hat einfach alles gestimmt.”

Bei dem genannten Startup handelt es sich um Dryft AI, die seit 1,5 Jahren an KI-Agenten arbeiten, die führende Hersteller komplexer Produkte in Branchen wie Maschinenbau, Schwergeräte und Luft- und Raumfahrt bei der Optimierung ihrer Prozesse unterstützen sollen. “Die zwei Gründerinnen sind einfach so super smart, der Pitch war super, ob es dann erfolgreich ist, wird sich in der Zukunft zeigen“, so von Schlenk.

Netzwerkbasierter Investment-Ansatz: Kein Anschreiben per LinkedIn

Leopold von Schlenk verfolgt einen Netzwerk-Ansatz bei seinen Investments, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Er verlasse sich dabei auf sein engmaschiges Netzwerk europäischer VCs, enge Kontakte zu Industrieexpert:innen und die Fachexpertise seines R&D-Teams, um gezielt (risikolosere) Pre-Seed-Investments im Industrial- und Deep-Tech-Bereich zu tätigen. Externe Referenzen – etwa von mittelständischen Marktführern – sowie der Lead durch erfahrene Investor:innen, würden helfen, das Risiko zu senken.

So nutze er sein Netzwerk, um tiefergehende Einblicke zu gewinnen und schaffe es, Themen zu hinterfragen, die er alleine nicht beurteilen könnte. “Für mich ist dieser Ansatz schon deutlich risikoloser, als wenn ein:e unbekannte:r Founder über LinkedIn auf mich zukommt und fragt, ob ich da investieren will. Deswegen versuche ich, eine starke Auslese zu machen“, so der Investor.

Dragon Fly Finance: “Das Startup muss was Gutes in die Welt bringen”

Susanne Lederer-Papst hat sich vor 15 Jahren mit dragonfly finance in Wien selbstständig gemacht. © drangonfly finance
Susanne Lederer-Papst hat sich vor 15 Jahren mit dragonfly finance in Wien selbstständig gemacht. © drangonfly finance

Susanne Lederer-Papst ist Business Angel und Impact Investorin mit Fokus auf Früh- und Later-Stage-Investments. Vor rund 15 Jahren gründete sie die Impact-Investing-Firma “Dragonfly Finance“. Zusätzlich ist sie weiterhin im Assetmanagement tätig und vermittelt zwischen ausländischen Assetmanager:innen und großen institutionellen Investor:innen im DACH-Bereich.


Durch ihre Chartered Financial Analyst (CFA)-Ausbildung legt die Investorin besonderen Wert auf Zahlen und nimmt diese sehr ernst. Gleichzeitig betont sie, wie wichtig ihr Authentizität ist. Gründer:innen müssen in ihren Augen ehrlich sein und ihre Geschichte stimmig präsentieren. „Irgendwann kommt der Punkt der Wahrheit, sonst fliegt einem das um die Ohren“, sagt sie. Ihre Erfahrung hat sie gelehrt, bei jedem Investment stärker auf ihr Bauchgefühl zu hören: „Wenn es nicht reicht, dann reicht es nicht – zumindest bekommt man dann ein ehrliches Feedback.“

Grundsätzlich ist es der Business Angel ein großes Anliegen, dass die Startups, in die sie investiert, etwas Gutes in die Welt bringen.

Vom perfekten Pitch und der hohen Bewertung nicht ablenken lassen

Auch für Lederer-Papst sind gute Pitches jene, die emotionalisieren und mitnehmen. Doch einmal ging eine Investment-Entscheidung daneben, und die Investorin musste einen Verlust hinnehmen. Zwar war ein renommierter deutscher Business Angel an Bord, es gab Verbindungen zu Google im Silicon Valley und auch das Umfeld stimmte.

„Es war ein wahnsinnig guter Pitch, der mich voll mitgenommen hat. Aber gerade dann man muss als Investor aufpassen, dass man nicht schlampig wird“, erklärte sie. Das Startup hatte sich gut verkauft, obwohl die Bewertung, die es angesetzt hatte, laut der Investorin sehr hoch war. Letztendlich hat es jedoch nicht funktioniert – die Cash-Burn-Rate war zu hoch, und dann kam Corona.

Moderiert wurde das Panel von Sophia Tran, Gründerin von Spotlight! Ventures, mit einem Fokus auf Investments in Diversity Founders.

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