Das Bundesrechenzentrum lässt Startups mit erfundenen Bürgerdaten arbeiten
Vielleicht hat ein Startup eine geniale Idee, wie man Bürgern die Steuererklärung erleichtern könnte. Oder es will die Verwaltung des Fördersystems auf eine Blockchain heben und so transparenter machen. Bisher müssen Startups solche Ideen aber in der Theorie entwickeln, denn Zugang zu Daten von Bürgern oder der öffentlichen Verwaltung bekommen sie freilich nicht. Das Bundesrechenzentrum (BRZ) hat für dieses Problem eine Lösung geschaffen. In einer „Sandbox“ sollen Startups Lösungen für die öffentliche Verwaltung entwickeln und testen können, ohne dabei auf echte Bürgerdaten zugreifen zu müssen. Konkret wird dort mit erfundenen Daten gearbeitet, wie BRZ-Geschäftsführer Markus Kaiser auf Nachfrage von Trending Topics erklärte. Startups und andere Projektteams können dort beispielsweise mit Services wie Finanz Online experimentieren.
Österreich soll bei Digitalisierung Estland einholen
Das BRZ öffnet sich nun auch grundsätzlich einer stärkeren Zusammenarbeit mit Startups und anderen innovativen Unternehmen, um Ämter und Behörden stärker zu digitalisieren. „Wir liegen bei der Digitalisierung im Mittelfeld“, sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck bei der Eröffnung der „Innovation Factory“ des BRZ, einer Art Meetingraum für Innovationsprojekte. Sie will Österreich an die Spitze führen und sieht Länder wie Estland als Vorbild. „In drei Jahren haben wir Estland eingeholt“, versicherte Kaiser der Ministerin und lud die Gäste ein, die digitale Mustergemeinde Kettenbruck zu besuchen.
Kettenbruck liegt im Bezirk Neuland
Kettenbruck existiert nur auf einer Website und bald auch als App. Der Name soll Assoziationen zur Blockchain („Kette“) und zur Brücke zu Projektpartnern hervorrufen, erklärt der Innovation-Factory-Leiter Matthias Lichtenthaler. Außerdem habe er einmal in der Nähe der Kettenbrückengasse gewohnt. Ob die Tatsache, dass Kettenbruck im Bezirk Neuland liegt, als Anspielung auf die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zu verstehen ist, ist nicht überliefert. Merkel hatte sich 2013 mit dem Sager „Das Internet ist für uns alle Neuland“ den Spott der Netzgemeinde zugezogen.
Web-Portal für Blockchain-Piloten
In Kettenbruck werden Projekte präsentiert und getestet, die das BRZ mit Partnern weiterentwickeln will. Bewähren sich die Projekte in Kettenbruck, können sie später auch in realen Gemeinden oder sogar auf Bundesebene ausgerollt werden. Kettenbruck soll sozusagen das Schaufenster für die „Sandbox“ sein, in der Startups und andere Partner Projekte entwickeln dürfen. „Ziel ist es, ein Web-Portal für Demo-Cases und Blockchain-Piloten, aber auch weitere relevante Showcases zur digitalen Transformation zu realisieren“, erklärt Kaiser.
Blockpit und Farmdok unter ersten Partnern
Zu den ersten Startups, die in Kettenbruck Projekte testen gehört etwa Blockpit. Das Jungunternehmen hat eine Plattform entwickelt, die die Steuerlast aus Kryptowährungseinkommen erfasst und automatisch an das Finanzministerium reporten soll. Das Startup Farmdok dockt mit einer Lösung zur digitalen Aufzeichnung aller Produktionsschritte in der Landwirtschaft an der öffentlichen Verwaltung an. Das System soll Bauern dabei helfen, die gesetzlichen Aufzeichnungspflichten leichter zu erfüllen. Das BRZ selbst arbeitet gerade daran, die „eZustellung“ auf die Blockchain zu heben, um die einzelnen Prozess-Schritte einfacher nachvollziehbar zu machen.
In der „Innovation Factory“, die in die BRZ-Räumlichkeiten im dritten Bezirk integriert ist, sollen mehrmals wöchentlich Projektsitzungen mit Partnern oder Bedarfsanalysen mit Bürgern stattfinden. Den Kontakt zu Startups sucht das BRZ auf Veranstaltungen wie dem „GovTech Pioneers“, das Mitte Juni in Wien stattfand, Jungunternehmen mit spannenden Projekten können sich aber auch direkt melden, erklärt BRZ-Innovationsmanager Gerhard Embacher-Köhle.