Dealroom: Startup-Datenbank mit falschen und veralteten Einträgen in Österreich
Eine Welt, in der Wirecard noch mehr als 1.500 Beschäftigte hat, in der der Self-Storage-Anbieter Storebox einen Coworking Space betreibt und in der gleich zwei verschiedene Unternehmen namens Waterdrop parallel im Jänner 2020 zufälligerweise eine Series B von 60 Millionen Euro erhalten haben: Das sind einige der Besonderheiten, die die Startup-Datenbank Dealroom bis vor kurzem auch in Dashboards für Österreich anzeigte.
Dealroom ist einer der wichtigsten Daten-Provider über die europäische Startup- und Investor:innen-Landschaft. Kaum ein Report, in dem nicht auf Daten der 2013 gegründeten Amsterdamer Firma zurückgegriffen wird. Kundschaft gibt es auch in Österreich für die Daten: Wirtschaftskammer (“Startup Landscape Austria”), Stadt Wien sowie der Thinktank GlobSec rund um Ex-Finanzminister Wilhelm Molterer (“Danube Innovation Tracker”) haben sich eigene Dashboards geleistet, um die Startup-Landschaft Österreichs, Wiens bzw. der Donauregion in Daten darstellen zu können. Wie viel diese Dashboards kosten, will Dealroom nicht verraten.
Diese Daten könnten sogar als Grundlage für Policy-Making dienen – etwa dann, wenn Politiker:innen entscheiden, welche Bereiche der Innovaitonslandschaft wie gefördert werden sollen. Entscheidend ist da schon, wie gut diese Daten sind. Deswegen hat Trending Topics die Dealroom-Datenbank durchforstet – und dabei doch einige gröbere Fehler gefunden.
Fehlerhafte Berechnung durch Doppelzählung und Marktgerüchte
Denn was man bei Dealroom bis vor kurzem lernen konnte, ist, dass 2022 angeblich satte 1,2 Milliarden Euro in Startups, Scale-ups und Unicorns investiert wurden. Das wäre eine absolute Erfolgsmeldung, denn das Krisenjahr 2022 würde dann fast an das Level des Rekordjahrs 2021 herankommen, in dem insgesamt etwa 1,3 Milliarden Euro investiert wurden (Trending Topics berichtete). Doch wo genau sollen diese 1,2 Milliarden Euro dieses Jahr geflossen sein?
Generell ist zu sagen, dass 2022 die Vorkrisenjahre sowie 2020 um Längen schlagen wird. Trending Topics wie auch Wirtschaftsprüfer tracken das Investment-Geschehen im Lande genau. Da nicht immer alle Deal-Höhen genau bekannt sind (oft wird “mehr als eine Million Investment” kommuniziert), lässt sich die kumulierte Finanzierungssumme ohnehin nur schätzen. Gemessen am Investment-Tracker von Trending Topics aber kann man festhalten, dass 2022 bis dato knapp eine Milliarde Euro offiziell investiert wurden (mehr dazu hier).
Wie kommt Dealroom also nun zur Rechnung von 1,2 Milliarden Euro? Bei näherer Betrachtung der gezählten Finanzierungen offenbaren sich gleich zwei grobe Fehler in der Top-10-Liste. Denn das Wiener DrinkTech-Scale-up Waterdrop und dessen 60 Millionen Euro-Runde wird einfach doppelt gezählt (siehe Screenshot unten). Dann gesellen sich noch zwei angebliche Finanzierungsrunden der deutsch-österreichischen Firma Gropyus, die auf die Roboter-Fertigung von Holzhäusern spezialisiert ist, dazu – eine mit 70 und eine mit 30 Millionen Euro. Dabei handelt es sich aber bloß um Marktgerüchte, die das Unternehmen nicht bestätigen will. Es hätte 2022 Geldflüsse gegeben, aber es handle sich um falsche Zahlen, heißt es seitens Gropyus gegenüber Trending Topics. Weiter unten findet man in der Liste auch Oekostrom AG – die 12,6 Millionen Euro aus der Crowdfunding-Kampagne für das 23 Jahre alte Unternehmen als Startup-Investment zu zählen, ist auch unscharf.
Nachdem Trending Topics Dealroom auf die Fehler aufmerksam gemacht hat, wurde die Doppelzählung von Waterdrop gelöscht, und der Investment-Tracker für das Jahr 2022 auf 1,1 Milliarden Euro nach unten revidiert. Die Gropyus-Einträge sind weiter “under review” und seien als “unverifiziert” markiert – zum Investment-Volumen zählen sie aktuell aber offenbar weiterhin.
Besonders gravierend ist auch: Der 2020 untergegangene deutsche Zahlungsabwickler Wirecard war bis vor kurzem ebenfalls in der Dealroom-Datenbank zu finden, samt grünen Häkchen, das Verifizierung suggeriert. Zur Erinnerung: Wirecard meldete 2020 wegen eines 1,9 Milliarden tiefen Finanzlochs Insolvenz an, wurde anschließend stückchenweise verkauft, und der frühere Vorstandschef Braun steht in München vor Gericht. Erst nach Hinweis von Trending Topics wurde der Wirecard-Eintrag von Dealroom gelöscht.
Totgeglaubte leben weiter
Auch andere Totgeglaubte leben bei Dealroom weiter: Trotz der Insolvenz waren heimische Unternehmen wie Rebeat Innovation (Insolvenz in KW 33) samt Mitarbeiter:innenzahl noch gelistet. Ebenfalls gelistet: Bluesky Energy (Insolvenz im Oktober) Lumapod (Insolvenz im September) Grape (Insolvenz 2021), Joysys (Insolvenz 2020), Rublys (Insolvenz 2018!), Zoomsquare (Insolvenz 2018), Mikme (Insolvenz 2022), Tripwolf (Insolvenz 2020), Iron Mountain Interactive (Insolvenz 2020), HydroMiner (Insolvenz 2019) oder meinKauf (Insolvenz 2016).
Dass Unternehmen, die in die Pleite schlitterten, sehr wohl als “Closed” gekennzeichnet werden können, zeigen die Beispiele Nuri aus Deutschland oder rublys und Socialspiel aus Österreich. Nach Hinweis von Trending Topics wurden die Startups mit dem Vermerk “Closed” markiert, um sie von anderen, noch aktiven Firmen zu unterscheiden. Immerhin soll die Zahl der Mitarbeiter:innen von geschlossenen Firmen nicht auf die Gesamtzahl von Mitarbeiter:innen einer Region oder eines Landes einzahlen.
Von Dealroom ausgebessert wurden dann auch falsche Einträge von Storebox (unter der alten Marke Store.me) und ClickService in der Liste der Coworking Spaces Österreichs – eine Rubrik, in die sie sicher nicht gehören. Ebenfalls entfernt wurde von Dealroom die falsche Information, Bitpanda hätte in das Startup Fynup investiert. Richtig ist, dass beide Firmen gemeinsame Investoren haben, und zwar das Brüderpaar Josef und Georg Konrad (mehr dazu hier).
“Vollständig verifizierte Daten” in ein paar Monaten
“Die Kartierung eines Startup-Ökosystems ist immer eine iterative Reise. Wie Sie vielleicht wissen, erstellen wir auch Forschungsberichte über die Regionen, mit denen wir arbeiten. Wir wissen, dass wir durch die Freigabe der Datenbank mehr Erkenntnisse gewinnen und die Daten verbessern können, bevor wir eine umfassende Ökosystem-Studie in Form eines Berichts erstellen. In ein paar Monaten werden wir Ihnen wahrscheinlich vollständig verifizierte Zahlen vorlegen können”, heißt es seitens Dealroom zur Datenqualität.
Auch wenn man Machine Learning zur Datenverarbeitung und zusätzlich “unzählige Stunden manueller Arbeit unserer Intelligence Unit und unserer Team-Analysten” aufwende, müssen die Daten ständig ausgebessert werden. „Wir setzen KI und Algorithmen ein, um große Datenmengen aus öffentlichen Quellen wie Nachrichten, Unternehmensmeldungen, Domain- und Handelsregistern, Jobbörsen, Web- und App-Store-Analysen und Investorenportfolios zu sammeln“, heißt es seitens Dealroom.
Doch man ist auch auf externe, freiwillige Hilfe angewiesen. „Die Daten auf der Plattform werden ständig überarbeitet, und unsere Partnerschaften mit dem Ökosystem sind als kollaboratives Mittel zur Verbesserung gedacht. Indem sich die Stakeholder des Ökosystems mit der Datenbank beschäftigen, indem Startups ihre Profile angeben und aktualisieren, können wir gemeinsam einen möglichst umfassenden Überblick über das österreichische Tech-Ökosystem gewinnen“, heißt es weiter.
Nicht das erste Mal
Dass Dealroom, zumindest in Bezug auf Österreich, schon länger mit falschen Daten zu Startups unterwegs ist, ist Trending Topics bereits seit 2020 bekannt. Damals veröffentlichte das von der Financial Times finanzierte britische Startup-Medium Sifted eine Liste zu den “Top Austrian Startups to follow in 2020”. Die Daten dazu stammen aus der Datenbank von Dealroom. Viele gelistete Gründer:innen freuten sich damals über das Feature, aber nicht alle. Denn unter den Startups fanden sich damals zwei Jungfirmen, die bereits Pleite gegangen waren (Ulmon und Tripwolf), außerdem wurde der Investor PrimeCrowd (mittlerweile in Gateway Ventures) damals als Startup vorgestellt.
Der Hinweis über die fehlerhaften Daten in der Liste seitens Trending Topics an Sifted damals wurde dankend zur Kenntnis genommen. Nur: Geändert wurde seither nichts daran. Nach wie vor ist der Artikel im Netz zu finden, mit dem einzigen Unterschied: In der Liste sind nicht zwei gestorbene Startups, sondern mittlerweile fünf Jungfirmen gelistet, die längst Pleite sind. Auch das zeigt: Falsche Daten können sich leicht in andere, eigentlich durchaus verlässliche Quellen, einschleichen.