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Decentralized Finance: Wer wie viel Steuern bei DeFi zahlen muss, ist Auslegungssache

© Art Rachen on Unsplash
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Token über Liquidity-Protokolle verleihen? Stablecoins über Smart Contracts handeln? Via Yield Farming Rendite in Form von Token erwirtschaften? Für Ethereum 2.0 staken? Für die einen Fachjargon und unverständlicher Kauderwelsch, für die anderen mittlerweile wirtschaftliche Realität. Decentralized Finance (DeFi) ist für immer mehr Menschen ein Begriff und eine Option, wenn es darum geht, gekaufte Coins und Tokens nicht einfach nur zu halten, sondern sie im Sinne eines passiven Einkommens für sich arbeiten zu lassen.

Dezentralisierte Plattformen und Protokolle wie Uniswap, Aave, Compound, yearn.finance oder Curve werfen aber durch zunehmende Adoption am Markt die große Frage auf: Wie wird das alles versteuert? In Deutschland hat das Bundesfinanzministerium (BMF) erst kürzlich einen neuen Gesetzesentwurf gezeigt, in dem man sich auch mit für DeFi zentralen Dingen wie Staking und Lending beschäftigt. Kritikern schwant bereits, dass durch die strengere Besteuerung von Krypto-Assets dem Standort schaden könnte.

Aber auch in Österreich zeigt die Gesetzeslage, dass man sich bei DeFi steuerlich in einer Grauzone bewegt, in der keiner so recht weiß, was eigentlich zu tun ist. So gibt es etwa im Bereich Lending über dezentralisierte Plattformen (also Krypto-Assets an andere Marktteilnehmer verleihen und dafür Token bekommen) das Problem, dass es keine eindeutig zuordenbare Gegenpartei gibt – denn anders als bei einer Bank, die einen Kredit vergibt, gibt es in DeFi gar keinen Intermediär.

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Wer ist eigentlich der Vertragspartner bzw. die Gegenpartei?

„Kommen dabei dezentralisierte Plattformen zum Einsatz, die keiner bestimmten Person als Organisator zurechenbar sind, dann ist die Plattform als solche tatsächlich nicht regulierbar. Regulierung setzt immer an einzelnen Unternehmen oder Personen an. Ein Smart Contract kann nicht reguliert werden“, sagt etwa Oliver Völkel von Stadler Völkel Rechtsanwälte in Wien, der sich auf Krypto-Themen spezialisiert hat. „Allerdings bedeutet dies nicht, dass überhaupt keine Regulierung greifen würde. Werden Stablecoins wie Tether verliehen, dann kann dies unter Umständen für den Geldgeber oder Lender ein konzessionspflichtiges Kreditgeschäft darstellen. Umgekehrt kann es für den geldsuchenden Borrower unter Umständen ein konzessionspflichtiges Einlagengeschäft sein.“

Zwar könnte man argumentieren: Mangelt es an einem Vertragspartner, etwa wenn Smart Contracts diese Rolle einnehmen, dann fallen diese Modelle in vielen Fällen aus der klassischen Regulierung heraus. Doch Völkel meint auch: Egal ob einfache Anleihe, bei der ein Unternehmen sein Zinszahlungs- und Rückzahlungsversprechen an Anleger verkauft, oder komplexe Swaps, bei denen zwei Personen einander Zinszahlungsverpflichtungen versprechen – beides könnte sich für die Nutzer dieser Plattformen als regulierte Tätigkeit bzw. als konzessionspflichtiges Geschäft herausstellen, und dann muss wie in der klassischen Finanzwelt auch versteuert werden.

Welche Steuern sind aber nun zu bezahlen? Beim österreichischen Finanzministerium (BMF) finden sich zwar grundlegende Regeln für das Halten und Minen von Krypto-Assets, aber DeFi im Konkreten wird explizit nicht behandelt. So ist es am Ende eigentlich Auslegungssache, was nun wie besteuert wird, und eine ziemliche rechtliche Grauzone.

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Lending: Kapitalertrags- oder Einkommenssteuer?

Beispiel Lending: Hier ist die zentrale Frage, ob die Krypto-Assets nun zinstragend sind oder nicht. „Eine zinstragende Veranlagung liegt laut BMF vor, wenn Krypto-Assets an andere Marktteilnehmer verliehen werden („Lending“). Dies setzt voraus, dass eine entsprechende Menge an einem Krypto-Asset an die Krypto-Assets-Adresse des Empfängers gesendet wird, womit es zu einem Zuordnungswechsel hinsichtlich dieses Krypto-Asset kommt“, erklärt die Steuerberaterin und zertifizierte Finanzstrafrechtsexpertin Natalie Enzinger aus Graz. Wenn als Gegenleistung für die Überlassung der Krypto-Asset eine zusätzliche Einheit Krypto-Asset zugesagt werde, stellten diese laut BMF „Zinsen“ dar und wären als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital mit 27,5 Prozent KESt steuerpflichtig. Auch realisierte Wertsteigerungen würden dann laut BMF dem Sondersteuersatz von 27,5 Prozent unterliegen.

Allerdings: Man kann auch argumentieren, dass Krypto-Assets gar kein Kapital sind und Zinsen daher nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu beurteilen sind, sondern als Einkünfte aus Leistungen gemäß Einkommenssteuergesetz – und das wäre dann bei natürlichen Personen mit dem progressiven ESt-Tarif zu besteuern. „Eine realisierte Wertsteigerung der Krypto-Assets, die für das Lending herangezogen wurden, wäre in diesem Fall nur innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist zum progressiven ESt-Tarif zu besteuern“, so Enzinger.

Staking und der Sonderfall Ethereum 2.0

Ebenfalls populär im DeFi-Universum: Staking. Dabei zahlt der Nutzer Token in ein Netzwerk (Polkadot, Cardano, Ethereum, usw.) ein und erhält dafür als Belohnung weitere Token. Das kann man laut Enzinger nun entweder als Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb, Einkünfte aus Kapitalvermögen („zinstragende Veranlagung“) oder als sonstige Einkünfte aus Leistungen einstufen und dann auch jeweils immer anders besteuern. „In den meisten Fällen ist das Staking (z.B. Delegate Staking von Cardano) bei natürlichen Personen als Einkünfte aus Leistungen gemäß § 29 Z 3 EStG nach dem progressiven ESt-Tarif steuerpflichtig, wobei im Zeitpunkt des Erhalts der Coins eine Umrechnung in Euro zu erfolgen hat“, so Enzinger. „Die für das Staking eingesetzten Coins können in diesem Fall – trotz Staking – im Privatvermögen nach einem Jahr steuerfrei verkauft werden.“

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Dann ist aber auch noch ein Sonderfall zu beachten, der immer wichtiger wird: Ethereum 2.0. Dort sind die ETH-Token, die für die Beacon Chain eingezahlt wurden, noch auf unbestimmte Zeit gebunden. „Hier liegt die Besonderheit vor, dass bis zur Fertigstellung von Ethereum 2.0 weder Zugriff auf die einbezahlten ETH noch die Staking-Rewards gegeben ist. Die Staking-Rewards werden zwar auf der Adresse auf Beacon Chain gutgeschrieben, jedoch können Sie weder abgezogen noch getauscht werden“, so Enzinger. „Eine Besteuerung setzt voraus, dass die volle Verfügungsmacht über die Staking-Rewards vorliegt. Aus diesem Grund hat eine Besteuerung meines Erachtens nach erst zu dem Zeitpunkt zu erfolgen, wenn die volle Verfügungsmacht gegeben ist.“

„Mehr Regulierung ist der falsche Weg“

Stellt sich ob der gegebenen Komplexität die Frage, ob Österreich (ähnlich wie Deutschland) sich ebenfalls neue, konkretere Regeln für die Besteuerung im DeFi-Bereich zulegen sollte? Nein, mein Anwalt Völkel. „Die geltende Regulierung ist meines Erachtens ausreichend. Immer dann, wenn Unternehmen etwas verkaufen oder Versprechen abgeben, greifen bereits jetzt verschiedene Regularien“, so Völkel. Und: „Regulierung setzt notwendigerweise immer an Personen an. Technologie kann nicht reguliert werden, nur ihr Einsatz. Wenn aber die Personen nicht greifbar sind, die etwa einen Smart Contract veröffentlicht haben, dann ist mehr Regulierung der falsche Weg. Die Welt durch noch mehr Regeln immer komplexer zu gestalten, ist meiner Meinung nach der falsche Weg.“

Stellt sich aus aktueller Sicht also die Folgefrage: Bewegt man sich im illegalen Bereich, wenn man als Österreicher an DeFi teilnimmt und dann nicht oder falsch versteuert? „Das hängt ganz konkret vom DeFi-Angebot ab, das man nutzt. Erfüllt man bei der Nutzung der Plattform einen Konzessionstatbestand, dann wäre die Benutzung der Plattform von einer entsprechenden Bewilligung oder Konzession abhängig“, sagt Völkel. „Leider lässt sich diese Frage nicht allgemein bejahen oder verneinen.“

Wer sich für das Thema Krypto-Steuern weiter interessiert, der kann sich auch den kostenlosen Krypto-Steuer-Guide 2021, den das Startup Blockpit gemeinsam mit KPMG und dem Linde Verlag herausgibt, zu Gemüte führen.

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