Deep Tech’s Gender Gap kostet Europas Industrie 198,8 Milliarden Euro

Manchmal spricht ein Index mehr als 1000 Worte – vor allem der neue Gender- und Diversity-Index (Gendex) vom Europäischen Innovationsrat (EIC). Er zeigt: Von Frauen geführte Deep-Tech-Unternehmen erzielen überdurchschnittlich erfolgreiche Exits. Eine ausgewogenere Verteilung in Führungspositionen hätte potenziell 198,8 Mrd. Euro freisetzen können.
Frauengeführte Deep-Tech-Unternehmen erzielen hohe Exit-Werte
Der Index des Europäischen Innovationsrats (EIC) zeigt deutliche Unterschiede zwischen von Männern und Frauen geführten Deep-Tech-Unternehmen bei Repräsentation, Bewertung und Zugang zu Kapital und geistigem Eigentum (IP). Besonders auffallend: Obwohl frauengeführte Unternehmen nur 0,6 Prozent der nicht börsennotierten Exits ausmachen, entfallen auf sie über 11 Prozent des erzielten Werts.
Das bedeutet, dass diese Unternehmen trotz ihrer geringen Anzahl überdurchschnittlich wertvolle Exits haben. Eine gleichmäßigere Verteilung der Investments über die letzten zehn Jahre hätte laut dem EIC potenziell 198,8 Mrd. EUR zusätzlich freisetzen können.
Nur 22 Prozent Frauen an der Spitze
Eine weitere wichtige Erkenntnis des Index ist, dass der europäische Deep-Tech-Bereich stark männerdominiert ist, mit nur 22 Prozent frauengeführten Unternehmen in den letzten zehn Jahren.
Auch bei der Unterzeichnung des ersten Term Sheets zeigen sich Unterschiede: Laut EIC brauchen von Frauen geführte Unternehmen im Durchschnitt sechs Monate länger als von Männern geführte Teams, um das vorläufige Dokument mit den grundlegenden Bedingungen einer geplanten Investition zu unterzeichnen.
Und dann ist da noch der auffällige Unterschied, wenn es um Zugang zu Kapital geht. Hat das Unternehmen einen Mann an der Spitze, so hat dieses laut dem Index zwischen 2014 und 2024 1,8 Mal mehr Finanzmittel erhalten. Investitionen in von Frauen geführte Unternehmen wurden oft unter ungünstigeren Bedingungen gewährt.
“Ein bisschen Paternalismus“
Im Rahmen des Gender- und Diversity-Index wurden Gründerinnen befragt, wie sie sich die großen geschlechtsspezifischen Unterschiede erklären. „Ich glaube, wenn Männer junge Frauen sehen, vor allem in Form ihrer Töchter, die so viel jünger sind als sie… Ich glaube, es gibt ein Vorurteil, dass Frauen weniger fähig sind oder dass sie im Grunde nur ihre Töchter sehen. Ein bisschen Paternalismus ihrerseits“, lautete ein Erklärversuch.
Dabei ist es ja so, dass durch den großen Gender Gap in DeepTech nicht die Frauen als Verlierer:innen hervorgehen, sondern der gesamte europäische Sektor.
“Europa verliert Milliarden an ungenutzten Talenten“
42 Prozent der MINT-Absolventen in Europa sind Frauen, doch nur 24 Prozent der Patentanmeldungen und 31 Prozent der Forscherpositionen werden von Frauen besetzt. “Der Gendex-Index ist ein Beweis für einen sich verengenden Trichter, in dem weibliche Talente auf dem Weg verloren gehen, zum Nachteil der gesamten Technologiebranche“, heißt es seitens des EIC.
198,8 Milliarden Euro, die die europäische Industrie mehr hätte erwirtschaften können, entsprechen mehr als dem gesamten Jahreshaushaltsplan der EU 2024 (189,39 Mrd. Euro). Es ist hier tatsächlich die Rede von einer enormen Summen, die allein durch die Kluft zwischen von Frauen und Männern geführten Unternehmen entstanden ist.
„Wenn Investoren und politische Entscheidungsträger jetzt nicht handeln, wird Europa weiterhin Milliarden an ungenutzten Talenten verlieren. Diese Daten beweisen, dass wir einen strukturellen Wandel brauchen. Es ist nicht nur notwendig, Frauen fair zu repräsentieren, sondern es ist erwiesen, dass ein ausgewogenes Ökosystem die besten Ergebnisse liefert,“ so Tanya Suarez, Vorsitzende von Gendex.
Vier umsetzbare Empfehlungen von Gendex
„Die Geschlechtervielfalt in der Technologiebranche ist ein Problem, dessen wir uns nie bewusster waren, aber wir sind noch lange nicht da, wo wir sein sollten. Wenn man sich die Zahlen ansieht, hatten wir unmittelbar nach der Pandemie einen vielfältigeren Ansatz als heute. Uns fehlt es bei diesem Thema durchweg an Konsistenz. Allerdings kann man die Gewohnheiten einer ganzen Generation nicht auf einen Schlag ändern, es wird noch etwa eine Generation dauern, bis die Dinge wieder in Ordnung sind, “ so Raphael Crouan, Managing Director bei der Anwaltskanzlei Orrick und Präsident von French Tech London. Er war Mitglied eines Expertengremiums, das den Index beriet.
Die Empfehlungen des EIC lauten:
- Datenlücke schließen- Investoren sollten vor der Bereitstellung von Kapital eine Berichterstattung über die Geschlechtervielfalt verlangen.
- Auf Erträge setzen – Von Frauen geführte Teams liefern bessere Ergebnisse. Stellen Sie entsprechend mehr Mittel bereit.
- Rechte an geistigem Eigentum sichern – Frauen brauchen bessere rechtliche und finanzielle Unterstützung für die Patentierung ihrer Innovationen.
- Öffentliche Finanzierung mit Rechenschaftspflicht – Staatliche Co-Investitionen sollten geschlechterausgewogene Portfolios vorschreiben.
Der Index soll auf Basis genauer, aktueller Daten und Analysen helfen, Maßnahmen zu ergreifen und Entscheidungen zu treffen, um die Vielfalt ihrer Unternehmen und Investitionen zu fördern.
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