Kommentar

#deletefacebook: Was nicht ausdrücklich verboten ist, wird gemacht

Sehen und (nicht) gesehen werden: Mark Zuckerberg am Mobile World Congress. © Facebook
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Wir sollten nicht so tun, als wäre diese Cambridge Analytics-Verwehung ein großer Skandal. “If the product is free, you are the product” – über die Jahre haben viele kluge Menschen immer wieder darauf hingewiesen, dass Facebook und andere soziale Medien unsere Daten an kommerzielle Unternehmen weiterverkaufen. Dass jetzt ein großer Anlassfall entstanden ist, der das weit verzweigte Daten sammeln und -auswerten zu einer Gefahr für unsere gehegten demokratiepolitischen Strukturen macht, ist nur eine logische Konsequenz. 

Was nicht ausdrücklich verboten ist, wird gemacht

Bislang galt: Was nicht ausdrücklich verboten ist, wird auch gemacht. Daran sind zahnlose Gesetze schuld, die mit dem Entwicklungstempo der Technologiekonzerne nicht mithalten konnten. Auch Apple-Chef Tim Cook und selbst Mark Zuckerberg haben sich bereits für neue Regulierungen ausgesprochen, und in der EU steht die Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) an.

Seit Jahren wird gewarnt

Evgeny Morozov oder Andrew Keen warnen seit Jahren vor der schleichenden Untergrabung der demokratiepolitischen Strukturen durch die Technologisierung unseres Alltags. “Demokratie ist von Natur aus ineffizient. Technokraten gefährden sie”, so Morozov 2013. Denn die Technologieunternehmen tragen per se eine Handschrift und eine Seele, die auf Steigerung des Wachstums und des Gewinns ausgelegt sind, durch die Verarbeitung des Verhaltens ihrer Benutzer.

Facebook: Ein „Filtermonopol“

Max Schrems poltert seit Jahren mit kiloschweren Ausdrucken seiner eigenen digitalen Vita und Sammelklagen vor dem EU-Gerichtshof gegen die unsichtbare Macht von Facebook. Der VR-Pionier und Technologie-Kritiker Jaron Lanier prangert in seinen Büchern an, dass Facebook ein Konzern geworden ist, der stets davon ausgeht, dass er ausschließlich Gutes schafft. Und dabei ein “Filtermonopol” erschaffen hat, dass die alleinige Hoheit über die Bewertung und Verbreitung von Inhalten übernommen hat.

Eine Gesellschaft zwischen Panik und Langeweile

Die aktuelle Debatte geht im kulturell von Facebook installierten Befindlichkeitsdilemma zwischen plagender Langeweile und hell erregter Panik unter. Nach zwei Wochen Aufregung steigen die Aktienkurse wieder und die nächste Sau wird durchs sozialmediale Dorf getrieben. Dabei schlittern wir durch die Geschäftsmodelle der Datenanalysten in eine handfeste politische Krise. Und das nicht seit Cambridge Analytics, sondern – slowly, but steady – seit einem Jahrzehnt.

Disrupt the disrupters?

Allerdings wächst heute schon die Generation an Unternehmern nach, die die demokratiepolitische Schieflage lösen wollen und so Google und Facebook in den kommenden Jahren vielleicht Geschäftsanteile streitig machen werden. Durch neue Technologien, Denkmuster und (dezentrale) Strukturen können Alternativen wachsen, die sich genau dieser klaffenden Lücke annehmen und damit frisch sensibilisierte Massen auf ihre Seite ziehen können. “Take back your data!”, lautet die Devise.

Ello, Vero, Diaspora: Der Friedhof der Gegenentwürfe

Der Friedhof an gescheiterten Gegenentwürfen zu Facebook ist groß: Ello, Diaspora oder Vero sind nur einige Beispiele. Kurz gehyped, in der Kunst- oder Geek-Szene als der neue Scheiß gefeiert und wieder verschwunden. Daher gilt auch für alle Blockchain-und Dataproctect-Medien, dass sie erst ihre Massentauglichkeit beweisen müssen, um überhaupt etwas auf die Beine stellen zu können. 

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