Solarkrise

Der Bullwhip-Effekt peitscht die PV-Industrie

Solarpanel: Regnerische Zeiten durch Bullwhip-Effekt © Dall-E / Trending Topics
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Der Bullwhip-Effekt: Eine oft unterschätzte Gefahr für Branchen, die sich für einige Zeit in einem starken Aufwind befunden haben. Es handelt sich dabei um ein Phänomen in der Lieferkette, bei dem Anbieter in Boom-Zeiten große Produkt-Bestellungen machen und dann auf diesen sitzen bleiben, wenn die Nachfrage wieder sinkt. Das kann potenziell sehr schädliche Auswirkungen auf das Geschäft haben. Verschiebungen in der Verbrauchernachfrage wiegen dadurch umso schwerer.

Dieser Effekt hat schon manchem Unternehmen das Genick gebrochen. Letztes Jahr betraf der Bullwhip-Effekt vor allem die E-Bike-Branche, dieses Jahr scheint es den Bereich der Photovoltaik-Anlagen (PV) erwischt zu haben. Nachdem in diesem Sektor speziell im Jahr 2021 im Zuge der Energiekrise Goldgräberstimmung geherrscht hat, häufen sich derzeit die Insolvenzen. Schon 2022 hat sich abgezeichnet, dass der Boom wieder zurückgeht. Nun hat das ernste Konsequenzen. Erst in diesem Monat ist mit Suntastic Solar eine heimische PV-Firma in die Pleite gerutscht. Kurz darauf gab es beim bekannten Mitbewerber Fronius einen heftigen Kahlschlag.

Fronius: Oberösterreichischer PV-Hersteller entlässt 350 Mitarbeiter:innen

Suntastic Solar insolvent, Kahlschlag bei Fronius

Suntastic Solar, ein niederösterreichisches PV-Unternehmen, bot bislang Projekte inklusive Beratungen und Inbetriebnahme für den Unternehmens- und Privatbereich an, außerdem rund 1.400 PV-Produkte. Man sollte meinen, der PV-Boom würde für die Firma eigentlich Konjunkturzeiten bedeuten, stattdessen steckt Suntastic gerade in einem Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung. Als Gründe für die Insolvenz nennt das Unternehmen die Covid-Pandemie, Lieferengpässe und der „Markteinbruch im Bereich der Photovoltaik“.

Fronius aus Oberösterreich konzentriert sich zwar nicht ausschließlich auf PV-Technologie, doch dieser Bereich steht ganz im Mittelpunkt der aktuellen Entwicklungen. Der Techkonzern hat sich insgesamt von 350 Mitarbeiter:innen getrennt. Als Grund hat das Unternehmen die „aktuelle Solarkrise“, einhergehend mit einem „anhaltend schwachen Absatz“ genannt. Die Gründe für die Schwierigkeiten sollen vor allem auf Lieferkettenprobleme und den PV-Boom, der nicht zuletzt durch die Energiekrise ausgelöst wurde, zurückzuführen sein.

Suntastic Solar: Warum eine PV-Firma mitten im Solar-Boom pleite geht

Solarbranche nach E-Bike-Sektor Opfer des Bullwhip-Effekts

Erst habe Fronius nicht alle Bestellungen abdecken können, weshalb man 2022 und 2023 „rund 420 Millionen Euro“ in den Ausbau der Fertigungslinien in Sattledt und Krumau gesteckt habe. Zudem habe das Unternehmen in diesem Zeitraum rund 2.000 neue Mitarbeiter:innen angestellt. Mittlerweile seien aber sämtliche Lager der Abnehmer voll, die Bestände würden „deutlich langsamer abgebaut“ als ursprünglich angenommen. Derzeit sei der PV-Ausbau in Österreich um „30 bis 40 Prozent niedriger“ als noch im Vorjahr. Dazu würde noch die Konkurrenz aus China kommen, die mit „Dumpingpreisen teilweise unter Herstellungskosten“ den Markt überschwemme.

Volle Lager wegen zu hoher Bestellungen in einer Boom-Zeit: Klingt verdächtig nach dem, was vielen E-Bike-Firmen im letzten Jahr passiert ist. Das prominenteste Beispiel dafür war wohl das niederländische Scale-up VanMoof, das in die Insolvenz gerutscht ist. Die E-Bike-Branche war mit dem massiven Boom während der Corona-Pandemie praktisch prädestiniert für den Bullwhip-Effekt. Konnten Firmen in den Jahren 2020 und 2021 im Ausnahmezustand kaum mit der gewaltigen Nachfrage mithalten, ist diese mit dem Einkehren eines relativen Normalzustandes zurückgegangen. Schwankungen bei der Nachfrage, kombiniert mit den stark verzögerten, aber im Endeffekt teilweise überflüssigen Bestellungen, setzten vielen Firmen massiv zu.

Der Bullwhip-Effekt: Die Geißel der E-Bike-Szene

Nachfrage soll wieder wachsen – für die überlebenden Firmen

Ein ähnliches Phänomen lässt sich nun bei der PV-Branche beobachten. Speziell die Energiekrise in Verbindung mit dem Ukraine-Krieg ließ die Nachfrage nach PV-Anlagen kurzzeitig in die Höhe schießen. Auch Fronius baute aus, stockte Mitarbeiter:innen auf – und bleibt jetzt auf seinen Produkten sitzen. „Wir haben schon damit gerechnet, dass es einen Rückgang geben wird. Wir haben auch Maßnahmen gesetzt, wie zum Beispiel Teilzeitvereinbarungen“, zitiert der ORF Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß, die Fronius-Vorstandsvorsitzende.

Man geht bei Fronius davon aus, dass die Nachfrage in Zukunft wieder steigen wird. Doch genau das ist das Perfide am Bullwhip-Effekt: Er ist in der Regel nur vorübergehend, doch es gibt Firmen, die ihn nicht überstehen, auch wenn sie vorher im Aufwind waren. Besonders Unternehmen wie Suntastic Solar, die nur auf den betroffenen Bereich spezialisiert sind, schweben in so einer Situation in Gefahr, zahlungsunfähig zu werden. Es wird sich in den nächsten Monaten zeigen, welche PV-Unternehmen dem Bullwhip-Effekt gewachsen sind.

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