Der österreichische Weg zum Erfolg: Wie Tractive 100 Millionen Euro ARR erreichte
Das oberösterreichische Scale-up Tractive hat einen bemerkenswerten Meilenstein erreicht: 100 Millionen Euro Annual Recurring Revenue (ARR). Der Erfolg des Unternehmens, das GPS-Tracker für Haustiere entwickelt, basiert laut CEO Michael Hurnaus auf einem dezidiert „österreichischen Weg“ – einem Ansatz, der sich deutlich vom typischen Silicon-Valley-Modell unterscheidet.
Nachhaltiges Wachstum statt schneller Expansion
Michael Hurnaus, der kürzlich bei uns im Interview war, setzte von Beginn an auf organisches Wachstum und Profitabilität. Anders als viele Startups, die große Venture-Capital-Summen einsammeln und diese aggressiv in Marketing investieren, verfolgte Tractive ihm zufolge eine konservativere Strategie: „Wir geben nur das Geld aus, das wir auch wieder reinverdienen können“, erklärt Hurnaus. Diese Herangehensweise mag zunächst langsamer erscheinen, erwies sich jedoch als krisenfest und nachhaltig.
In zwölf Jahren hat das Jungunternehmen nur eine einzige Finanzierungsrunde durchgeführt. Der Fokus lag stattdessen darauf, aus dem eigenen Cashflow zu wachsen. Diese Strategie zahle sich besonders in der aktuellen Marktsituation aus, in der viele venture-finanzierte Unternehmen mit Mitarbeiterabbau und Kostendruck kämpfen.
Tractive erwartet 2024 „weit über 100 Millionen Umsatz“, so CEO Michael Hurnaus
Tractive setzt auf Kundenzentrierung als Schlüssel zum Erfolg
Der Erfolg von Tractive basiert Hurnaus zufolge auf einem starken Fokus auf Kundenbindung. Das Jungunternehmen verbucht beeindruckende Retention-Raten mit einer monatlichen Churn-Rate von unter 2% – besser als etablierte Streaming-Dienste wie Netflix oder Spotify. Dies erreiche man durch kontinuierliche Produktverbesserungen und aktives Kundenengagement.
Das Geschäftsmodell kombiniert Hardware-Verkäufe mit wiederkehrenden Abo-Einnahmen. Die Kund:innen zahlen dabei meist im Voraus für ein oder zwei Jahre, was dem Scale-up zusätzliche finanzielle Stabilität verschafft. Die monatlichen Kosten von 5-10 Euro hält man dabei bewusst erschwinglich, um langfristige Kundenbeziehungen zu fördern.
Internationale Expansion mit Bedacht
Tractive’s Expansionsstrategie unterscheidet sich ebenfalls vom üblichen Startup-Playbook. Das Jungunternehmen konzentrierte sich zunächst acht Jahre lang auf den europäischen Markt, bevor der Schritt in die USA gewagt wurde. Mit dieser geduldigen Herangehensweise wollte man mit einem ausgereiften Produkt in den US-Markt eintreten und dort schnell zur Marktführerschaft aufsteigen.
Heute sind die USA der größte Einzelmarkt für Tractive, wobei Deutschland weiterhin die höchste Marktdurchdringung aufweist. Das Scale-up plant für 2025 die Expansion nach Mexiko, sieht aber auch in den bestehenden Märkten noch erhebliches Wachstumspotential.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist laut Hurnaus die progressive Unternehmenskultur. Tractive führte als eines der ersten größeren Unternehmen in Österreich die Vier-Tage-Woche bei vollem Gehalt ein. Diese Maßnahme habe sich nicht nur positiv auf die Mitarbeiterzufriedenheit ausgewirkt, sondern auch die Effizienz gesteigert und die Attraktivität als Arbeitgeber erhöht.
Tractive-IPO oder -Exit noch fern
Ein Börsengang (IPO) wird zwar angestrebt, steht aber erst in 3-4 Jahren zur Debatte. Hurnaus betont, dass dafür ein Jahresumsatz von 300-500 Millionen Euro notwendig sei, um einen erfolgreichen Börsengang durchzuführen. Aktuell bereitet das Jungunternehmen keinen IPO vor.
Trotz regelmäßiger Kaufanfragen von Investoren und potenziellen Übernehmern bleibt das Management zurückhaltend. „Wir würden nur dann etwas machen, wenn wir wirklich einen potenziellen Partner haben, wo wir uns wohlfühlen“, erklärt Hurnaus. Der Fokus liegt derzeit auf gesundem organischem Wachstum.
Mit einer jährlichen Wachstumsrate von 40% und der geplanten Expansion nach Mexiko in 2025 scheint Tractive auf einem guten Weg, die für einen Börsengang notwendige Größe zu erreichen. Das Scale-up setzt dabei weiterhin auf seinen „österreichischen Weg“ mit gesundem, cashflow-finanziertem Wachstum statt aggressiver Venture-Capital-Strategie.