Der Schlüssel zur E-Mobilität liegt im schnellen Laden
Michael Colijn ist CEO von Heliox, einem globalen Player im Bereich Schnellladesysteme für öffentliche Verkehrsmittel, E-Trucks, Marine, Bergbau und Hafentechnik. In diesem Gastbeitrag beschäftigt er sich mit den Problemen und Chancen in der Branche, spannenden zukünftigen Ansätzen und dem Schlüssel zum Erfolg in der E-Mobilität.
Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch. Branchenriesen des deutschen Automobilsektors, darunter Mercedes, BMW und VW, kehren Verbrennungsmotoren den Rücken zu und setzen stattdessen auf E-Mobilität. Diese Mobilitätswende ist einer der wichtigsten Faktoren in der Bekämpfung der Klimakrise, da so massiv CO₂-Emissionen eingespart werden können. Im Jahr 2021 hat sich die Zahl elektrischer Pkw in Deutschland mehr als verdoppelt und aktuell sind rund 840.000 vollelektrische Autos in Deutschland gemeldet – Tendenz weiter steigend.
Der Schmiermittelhersteller Castrol hat in einer Studie untersucht, welche Faktoren die Mehrheit der Verbraucher:innen vom Kauf eines E-Autos überzeugen. Ein E-Auto darf demnach nicht mehr als 33.657 Euro kosten, muss mindestens eine Reichweite von 473 km haben und in 29 Min. vollgeladen werden können. Aktuell existieren auf dem Markt zwar bereits Modelle, die den Anforderungen in Bezug auf Preis und Reichweite entsprechen, und auch die Ladedauer ist theoretisch realisierbar, die praktische Umsetzung dessen liegt aber noch in weiter Ferne. Das hat verschiedene Gründe.
Es gibt zu wenig Schnellladeinfrastruktur
Ein E-Auto lädt am besten dann, wenn es ohnehin parkt, über Nacht zu Hause oder am Arbeitsplatz. Hierfür reicht eine langsame und kostengünstige Ladeinfrastruktur aus. Laut der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur werden 2030 drei Viertel der Ladevorgänge im privaten Umfeld stattfinden. Seit 2020 besteht in Deutschland das Recht auf eine Lademöglichkeit zu Hause. Jedoch ist nicht immer ein Stellplatz oder eine Tiefgarage vorhanden und bei der stetig wachsenden Zahl an Elektroautos ist auch die verfügbare Leistung im Hausanschluss in Mehrfamilienhäusern schnell an seinen Grenzen. Hier kann ein Lastmanagement Abhilfe schaffen.
Auch die Verfügbarkeit öffentlicher Ladeinfrastruktur ist für die Kaufentscheidung maßgeblich. Gewünscht sind mehr Lademöglichkeiten, die sich in den Alltag integrieren lassen, zum Beispiel auf Parkplätzen bei Supermärkten, Einkaufszentren, Restaurants oder Fitnessstudios. Darüber hinaus sind Lademöglichkeiten entlang der Hauptverkehrsrouten und Autobahnen entscheidend, hier sind hohe Ladegeschwindigkeiten und ein ansprechendes Umfeld für den Ladestopp gefordert.
Noch erfordert öffentliches Laden eine gewissenhafte Routenplanung von Fahrer:innen und auch die Preise pro Ladevorgang spielen eine wichtige Rolle – mit den aktuellen Preissteigerungen um so mehr. Ende 2022 gibt es in Deutschland laut dem europäischen Branchenverband ACEA 25,8 öffentliche Ladestationen pro 100 Streckenkilometer auf überörtlichen Straßen, in den Niederlanden sind es hingegen 64,3 Ladestationen. Zudem ist in Deutschland nur jeder fünfte Ladepunkt ein Schnellladepunkt. Somit wird Laden, insbesondere für Mieter:innen in Mehrfamilienhäusern, noch zu sehr erschwert. Der wichtigste Schritt in Richtung E-Mobilität ist also der Ausbau schneller Lademöglichkeiten.
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Das Dilemma der Schnellladeinfrastruktur
Schnellladeinfrastruktur ist mit sehr hohen Investitionen verbunden, was zu einem handfesten Dilemma führt: Mehr Schnellladeinfrastruktur lohnt sich erst, wenn mehr Elektroautos gefahren werden – was wiederum erst eintritt, wenn es eine besser ausgebaute Schnellladeinfrastruktur gibt.
Der Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur gestaltet sich zudem aufgrund mangelnden Zugangs zu geeigneten Standorten sowie verwaltungstechnischer Hürden und langer Genehmigungszeiträume schwierig. Hier kann nur politisch eine Lösung gefunden werden, indem der Bau von Schnellladeinfrastruktur weiter vereinfacht und vorhandene Fördermittel erweitert werden.
Die Bundesregierung sendet mit dem Masterplan Ladeinfrastruktur II ein wichtiges Signal: Wir brauchen und wollen mehr Ladeinfrastruktur. Dafür sind die Optimierungen bei Genehmigungsverfahren, der Netzausbau und Betonung der Hauptverkehrsachsen ein wichtiger Baustein, um den elektrischen Verkehr in Deutschland und der EU voranzutreiben. Es bleibt zu hoffen, dass die geforderten privaten und öffentlichen Investitionen getätigt und die angekündigten Maßnahmen schnell umgesetzt werden. Nur dann kann die gesamte Mobilitätswende beschleunigt werden.
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Die Integration ins Stadtbild
In dicht bebauten Innenstädten ist die Integration von neuer Ladeinfrastruktur eine zusätzliche Herausforderung. Hier gilt es, kreative Lösungen zu finden. Ein Ansatz ist die Verbauung von Schnellladegeräten in Straßenlaternen. Ein entsprechendes Pilotprojekt wurde an der Hochschule Koblenz realisiert.
Besonders platzsparend ist das kabellose Laden von E-Autos über Induktionsspulen im Boden. In Innenstädten ist dies an Orten denkbar, an denen Fahrzeuge ohnehin anhalten müssen, beispielsweise Ampeln (Snack Charging). Auf einer Teststrecke in Paris wird induktives Laden während der Fahrt mit bis zu 100 km/h erprobt. Aufgrund hoher technischer Hürden bleibt aber abzuwarten, ob sich aus diesen Ideen eine bewährte Lösung für die Zukunft entwickeln lässt.
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Intelligentes Energiemanagement
Im Rahmen der Energiewende gewinnt das bidirektionale Laden (Vehicle-to-Grid (V2G)) an Bedeutung. E-Fahrzeuge können dazu beitragen, dass Netzschwankungen verringert werden, die Batterie des Fahrzeugs wird dabei als stationärer Batteriespeicher genutzt. Besitzer*innen können dabei von Strompreisschwankungen profitieren: Sie können ihr Auto aufladen, wenn der Strompreis am niedrigsten ist, und die Energie abgeben und wieder verkaufen, wenn die Preise höher sind.
Fazit
Der Mobilitätssektor steht vor großen Veränderungen. E-Mobilität stellt die ausgereifteste und am besten skalierbare Möglichkeit dar, CO₂-Emissionen im Verkehrssektor konsequent zu reduzieren. Der Einsatz von erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung in E-Autos macht diese auch zur nachhaltigsten Lösung im Automobilsektor. Jedoch ist es entscheidend, dass E-Auto-Fahrer:innen genauso sorgenfrei laden können wie jemand, der mit seinem Auto zur Tankstelle fährt. Das bedeutet, es braucht mehr Lademöglichkeiten zu Hause und schnelles Laden unterwegs.