Der (vorerst) geplatzte Traum vom Startup-Solarauto
Und nochmal 30 Extra-Tage, um es vielleicht doch noch zu schaffen: Das Solarauto Sion, das auch nach mehreren Jahren der lautstarken Finanzierungsrunden, Crowdfunding-Kampagnen und sogar einem IPO an der Tech-Börse Nasdaq immer noch nicht gebaut werden kann, liegt in den letzten Atemzügen. Noch einmal versuchen die beiden Gründer von Sono Motors, 105 Millionen Euro bei Unterstützer:innen zu sammeln, um dann angeblich Anfang 224 den ersten Wagen mit Solarzellen am Dach ausliefern zu können.
Auch einem anderen europäischen Startup mit Solarauto-Plänen geht es gar nicht gut: Lightyear aus den Niederlanden hat für sein Modell „Lightyear 0“ ziemlich viel Aufmerksamkeit bekommen, immerhin ist es das erste marktfähige Solarauto überhaupt gewesen. Es sollte mit Solarzellen auf Dach und Motorhaube Strom produzieren und kostete satte 250.000 Euro. Doch dann der harte Kurswechsel. Erst vor einer Woche wurde der Strategiewechsel weg vom „Lightyear 0“ hin zum Mittelklassewagen „Lightyear 2“ um abetwa 40.000 Euro angekündigt. Und dann plötzlich kam die Insolvenzmeldung Ende vergangener Woche.
Bescheidene Reichweitengewinne
Damit sind die Bemühungen von europäischen Startups, Solarautos amMarkt zu etablieren, fast gescheitert. Es bleibt abzuwarten, ob Sono Motors seinen Sion vielleicht doch noch produzieren und auf den Markt bringen kann. Wenn nicht, dann wird die Münchner Firma einen Strategiewechsel machen und zum B2B-Partner für andere Unternehmen, um LKWs, Busse oder Anhänger (= große Flächen) mit Solarzellen auszustatten.
Derweil muss man sich aber fragen, ob Autos mit Solarzellen auf der Oberfläche zum heutigen Stand der Technik sinnvoll sind. Bei Sono Motors heißt es, dass 456 Halbzellen in der Karosserie des Solarautos durchschnittlich 112 km (max. 245 km) pro Woche zusätzliche Reichweite laden könnten. Nur: Mit diesen 112 km ist von März bis September in mitteleuropäischen Ländern zu rechnen. Bei einem Test, dessen Ergebnisse Sono Motors Ende 2022 veröffentlichte, ist von 28 km pro Woche bzw. 4 km pro Tag die Rede, die man laden kann. Da kann es zwar auch teilweise bewölkt und neblig sein, aber das Auto muss natürlich draußen stehen und Chance auf direkte Sonneneinstrahlung haben. Beim „Lightyear 0“ war von 115 bis 211 zusätzlichen Kilometern pro Woche die Rede (abhängig von der Region), die die 5 Quadratmeter Solarzellen auf der Oberfläche von der Sonne tanken hätten können.
Sono Motors: Solarauto-Startup steht wegen Geldmangel vor dem Aus
Eine Reihe von Nachteilen
Beim Auto-Magazin Arena EV verweist man aktuell auf die Nachteile von Solarzellen am Auto. Klar ist, dass sie die Kosten pro Wagen erhöhen. Bei Hyundai oder Toyota kann man sich um etwa 1.500 bis 2.500 Euro Solarzellen für bestimmte Modelle wie den Prius nachrüsten lassen. Allerdings dienen die Solarzellen dann oft nicht zum Laden der Batterie, sondern können im besten Falle bestimmte Systeme im Wagen (z.B. Infotainment) mit Strom versorgen und entlasten dann den Akku für den Antrieb.
Heutige Solarzellen auf dem beschränkten Raum einer Autokarosserie anzubringen, hat laut Arena EV ökonomische Nachteile. „Je kleiner die Anlage ist, desto höher sind die Kosten, da man die Kosten für die Verkabelung und den Wechselrichter nicht durch Größenvorteile ausgleichen kann und der CO2-Fußabdruck pro Wh steigt“, heißt es in dem Bericht. Um möglichst viel Sonnenenergie zu erbeuten, muss der Wagen außerdem immer im freien mit möglichst direkter Sonneneinstrahlung stehen. In Städten mit tiefen Straßenschluchten sinkt die Chance direkte Belichtung deutlich. Und: Gewaschen muss der Wagen auch immer sein.
Deswegen raten die Autoexpert:innen dazu, sich lieber eine Solaranlage zu Hause zu installieren (z.B. am Garagendach). Für den gleichen Preis bekomme man dort viel mehr Energieausbeute, weil die Solar-Panele optimal auf die Sonne ausgerichtet werden können und nicht ständig in Bewegung sind.
Ist der Traum vom Solarauto nun geplatzt? Vorerst jedenfalls schon. Allerdings wird spannend, was Weiterentwicklungen bei Solarzellen (Perowskit, Tandem-Aufbau) möglich machen werden. Die Wirkungsgrade von neuartigen Solarzellen werden immer höher, was auch bedeutet, dass auf gleicher Fläche mehr Sonnenenergie erbeutet werden kann. Und: Die Solarzellen sind flexibel und können viel besser auf Autooberflächen aufgebracht werden. Dementsprechend kann man sich sicher auf eine zweite Generation von Solarautos freuen. Gut möglich, dass die großen Autokonzerne erst auf das Thema aufspringen, wenn die Technologie wirklich massentauglich (= leistbar & effektiv) ist. Im Silicon Valley soll es Marktgerüchten zufolge schon Solar-Startups geben, die mit Tesla im Gespräch sind.