Der Wandel eines Otto-Wagner-Hauses: Von Hitzeinsel zu kühlem Altbau
Viele Wiener Altbaubewohner:innen – besonders die im Dachgeschoss – ächzen im Sommer wegen der hohen Temperaturen. Trotz dicker Mauern heizen sich die Wohnungen auf oft über 30 Grad auf, die hohen Fenster und schlechte Dämmung tragen ihren Teil dazu bei. Bauliche Maßnahmen sind bei solchen Objekten schwierig, besonders, wenn es sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude handelt. Wie etwa beim Bürogebäude in der Hohenstauffengasse 3.
Innentemperaturen stiegen über 30 Grad
Dort befindet sich – versteckt im 1. Wiener Gemeindebezirk – das Gebäude der ehemaligen k.k. Länderbank. Das von außen unscheinbare Haus lässt höchstens im Inneren auf seinen berühmten Architekten schließen. Otto Wagner setzte sich nämlich bei der Ausschreibung Anfang der 1880er-Jahre durch, der Jugendstil steckte damals noch in den Kinderschuhen. Dennoch galt die Bank als erstes modernes Bürogebäude Wiens, was man sich bei einem Rundgang deutlich vorstellen kann.
An Modernität hat es seitdem einiges eingebüßt. Am schlimmsten leiden die heutigen Büro-Nutzer:innen jedoch im Sommer. In der Asphaltwüste des 1. Bezirkes wird es an heißen Tagen schon mal bis zu 38 Grad heiß, im Gebäude steigen die Temperaturen nicht selten über 30 Grad, geben die Angestellten an. Die Mitarbeiter:innen versuchten sich daher bisher mit Ventilatoren und mobilen Split-Geräten Kühlung zu verschaffen. Das hatte meist wenig Effekt, führte aber zu einer immensen Stromrechnung.
Altbauten mit simplen Methoden klimafit machen
Die Bausubstanz des fast unbekannten Otto-Wagner-Gebäudes könnten dabei eigentlich nicht besser sein. Durch das ganze Haus ziehen sich nämlich Belüftungsschächte, die der Architekt seinerzeit anlegen ließ. Diese wurden im Laufe der Jahrzehnte allerdings wegen neu eingeführter Brandschutzmaßnahmen zugemauert. Diese Schächte sind dabei eigentlich keine Besonderheit. Viele Häuser aus der Gründerzeit sind mit Schächten durchzogen, sei es für Belüftung oder Kaminschächte, weiß Ingenieur Jochen Käferhaus im Gespräch mit Tech & Nature. Er wurde beauftragt, das denkmalgeschützte Haus klimafit zu machen – eines seiner Spezialgebiete.
Die Herausforderung bei solchen alten Gebäuden ist, mit möglichst wenig Umbau den größtmöglichen Nutzen zu erzeilen. Also überprüfte Käferhaus zunächst den Altbestand. Die Luftschächte stellten sich als Glücksfall heraus, sie führen vom Keller bis in den zentralen alten Kassensaal. In den kühleren Sommernächten wird dadurch nun Kaltluft von außen und aus dem Keller in das Gebäude gebracht, um das Gebäude zu kühlen. Dort sorgen mehrere kleine Ventilatoren für eine ideale Verteilung der Frischluft. Einziger Nachteil: Wer sein Büro über Nacht kühlen lassen will, muss die Tür zumindest einen Spalt offen lassen. Auch dafür hat der Ingenieur Käferhaus aber eine Lösung entwickelt. Ein eigenes Schlosssystem sorgt nun dafür, dass die Luft auch bei abgeschlossener Tür noch zirkulieren kann.
Clevere Beschattung sorgt für Kühlung
Eine weitere Herausforderung, die Glaskuppel, wurde bereits vor rund 20 Jahren angegangen und mit einer reflektierenden Plastikfolie foliert. Damals war das Ziel, die Sonneneinstrahlung zu vermindern, ohne das Tageslicht vollständig auszusperren. Nach Jahren der Sonneneinstrahlung verfärbte sich die Folie allerdings dunkel, aus einem Reflektor wurde ein Kollektor. Käferhaus wirkt dem mit einem beweglichen Sonnensegel unter dem Glasdach entgegen. Die Hitze wird so zwischen Dach und Sonnensegel eingefangen und kann über neu installierte Lüftungsklappen wieder ins Freie entweichen. Die Ideallösung, photochromes Glas, das seine Lichtdurchlässigkeit je nach Sonneneinstrahlung automatisch anpasst, hätte den finanziellen Rahmen gesprengt. Besser wäre allerdings eine Außenbeschattung: Bäume etwa, die im Sommer nicht nur Schatten spenden, sondern durch Verdunstungseffekte auch aktiv die Luft kühlen.
Die alten Kastenfenster erhielten neue horizontale Jalousien, die die direkte Sonneneinstrahlung von außen blockieren. Stattdessen sorgen sie für helle Räume, indem sie das Licht an die Zimmerdecke brechen. Und auch die bestehende Heizung wurde unter die Lupe genommen. Die war nämlich, Sommer wie Winter, auf 30 Grad Celsius eingestellt.
Fünf Grad Unterschied im Sommer
Insgesamt sorgen die Maßnahmen für eine Kühlung von fünf Grad, ganz ohne aufwändige technische Hilfsmittel, wie der Ingenieur im vergangenen August gemessen hat. Für Käferhaus stellt das Konzept die Zukunft der Kühlung von alten Bestandshäusern dar. Intelligente Beschattung, Nutzung bereits bestehender Bausubstanz und die Speicherung der Nachtkühle dürfte in den kommenden Jahren immer wichtiger werden. Und auch für die immer häufiger werdenden Tropennächte hat Käferhaus eine Lösung parat. In solchen Nächten wird Sprühnebel vor dem Lufteinzug im Freien versprüht. Durch die Verdunstung wird der Luft Energie entzogen und somit auf unter 20 Grad gekühlt.
Rund 450.000 Euro kosteten Planung, Umbau und Technik insgesamt. Ein Schnäppchen für ein Gebäude mit solchen Ausmaßen, wie der Bauingenieur versichert. So soll das Arbeiten in dem unscheinbaren Haus in der Hohenstauffengasse aber auch über die nächsten Jahrzehnte angenehm bleiben, ohne dass im Sommer der Schweiß auf die Tastatur tropft. Das Otto-Wagner-Haus wird somit zum Vorbild für die anderen Altbauten in Wien: Es zeigt, dass nachhaltige Gebäudekühlung auch ohne große Eingriffe und ohne herkömmliche Klimaanlagen funktionieren kann.