Haltefrist, Staking & Forks: Krypto-Steuer in Deutschland unter der Lupe
Werner Hoffmann ist Experte für Regulatorik und Compliance für Blockchain-basierte Assets. In diesem Gastbeitrag beschäftigt er sich mit den Auswirkungen der kommenden Besteuerung von Kryptowährungen in Deutschland auf Basis des Entwurfs des Bundesfinanzministerium (BMF).
Bereits im Juni letzten Jahres hat das Bundesfinanzministerium (BMF) einen Entwurf zur Besteuerung von Kryptowährungen veröffentlicht. Dieser war sehr lange erwartet worden. So ist ein erstes Ergebnis bereits für Herbst 2018 angekündigt worden, dann aber nie erschienen. Zu dem Entwurf gab es zahlreiche Stellungnahmen, unter anderem von Pekuna, Steuerberatungen und Verbänden. Die Verfasser kritisierten zahlreiche Themen, am umstrittensten war jedoch die Verlängerung der Haltefrist von einem auf zehn Jahre, falls die Assets für Staking und Lending verwendet werden. Ein weiterer großer Kritikpunkt war, dass viele neuere Phänomene aus dem Bereich der Kryptowährungen im Entwurf nicht genannt wurden – NFTs, Liquidity Mining, Defi und viele weitere.
Pekuna stand dem Finanzministerium bei der Erstellung des Entwurfs mehrmals beratend zur Seite, konnte aber inhaltlich keinen Einfluss nehmen.
Bindend für die Finanzbehörden
Bevor wir die Details des Schreibens betrachten, eine rechtliche Einordnung: Das BMF ist Teil der Exekutive und hat daher keine Möglichkeit, neue Gesetze zu erlassen. Es ist jedoch als Bundesministerium für die Aufsicht der Finanzbehörden zuständig. Dokumente wie das hier besprochene werden grundsätzlich immer in Absprache oder Zusammenarbeit mit den Finanzministerien der Länder angefertigt. Als Aufsichtsbehörde muss das BMF auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung achten und Zweifelsfragen aus der Gesetzgebung für die Behörden bindend auslegen. Damit soll sichergestellt werden, dass bei gleichen Vorgängen ein Bürger in Berlin vom Finanzamt das Gleiche erwarten kann wie einer in München oder Hamburg.
Dieses BMF-Schreiben ist aber kein Gesetz, sondern nur für die Finanzbehörden selbst bindend. Es ist also keine Steuerhinterziehung, wenn sich ein Bürger nicht an die Regelungen aus diesem Papier hält. Gerichte und gesetzgebende Organe sind ebenfalls nicht daran gebunden. Es hat aber trotzdem einen gesetzlichen Charakter, da das Finanzamt sich an die darin formulierten Auffassungen halten muss und keinerlei Spielraum in der Auslegung hat. Das ist für die Bürgerinnen und Bürger gut – sie können sich auf das Schriftstück berufen und haben damit mehr rechtliche Sicherheit gegenüber dem Finanzamt.
Da es kein Gesetz ist, wurde das BMF-Schreiben nicht vom Bundestag oder Bundesrat verabschiedet. Es ist deshalb wichtig zu wissen, dass das Dokument nur ein bereits bestehendes Gesetz auf einen neuen Anwendungsfall hin – hier Krypto und Blockchain – auslegt. Es werden also rechtlich gesehen, nur Zweifelsfragen und Graubereiche geregelt, nicht aber die rechtliche Struktur selbst. Daher darf es auch Vorgänge aus der Vergangenheit regeln und gilt nicht erst ab dem Erlass.
Inhaltlich kann zum Schreiben gesagt werden, dass vieles bereits aus dem Entwurf bekannt war. Das Schriftstück besteht zu einem großen Teil aus Definitionen und rechtlichen Einordnungen, welche bereits gängige Praxis sind. Hier wird in erster Linie noch einmal bestätigt, was Finanzbehörden und Steuerliteratur bereits seit Jahren anwenden.
Keine Verlängerung der 1-Jahres Haltefrist
Auf Einladung des Bundestages war unser Geschäftsführer Werner Hoffmann bereits am 28.04.2022 eingeladen, um noch einmal final Stellung zum Schreiben zu geben. Bei dieser Veranstaltung war bereits klar, dass die größte Überraschung die Nichtanwendung der 10 Jahresfrist ist. Es wird also keine Verlängerung der 1-Jahres Haltefrist auf 10 Jahre geben, auch nicht wenn mit den Coins Staking oder Lending betrieben wurde (Randziffer 63).
Staking ähnlich wie Mining beurteilt
Es gab jedoch auch Punkte, die zu diesem Zeitpunkt noch kritisiert wurden wie z.B. die Einordnung von Staking als gewerblich (Randziffer 39 und 48). Hier hat das BMF eine Unterscheidung nach aktivem und passivem Staking eingeführt. Falls man die Staking Node selbst betreibt, handelt es sich um eine gewerbliche Tätigkeit, andernfalls um private Vermögensverwaltung. Dies ist angelehnt an die Beurteilung von Mining.
Die Kursermittlung wurde vereinfacht, sprach der Entwurf noch vom „Durchschnittswert von drei Exchanges“ wird jetzt der Kurs einer Handelsplattform oder eines Anbieters wie Coinmarketcap akzeptiert (Randziffer 43), was deutlich mehr der gängigen Praxis entspricht.
Das Betreiben einer Masternode ist gewerblich, dies war im Entwurf noch als private Vermögensverwaltung bezeichnet und damit deutlich besser gestellt (Randziffer 50), hiervon sind vermutlich auch die Betreiber einer Helium Node betroffen.
Überraschend und neu ist, dass neben Fifo für die Bewertung auch die Durchschnittsmethode zulässig ist (Randziffer 61). Dieses Wahlrecht gilt sogar pro Währung und Wallet. Nachdem die beiden Berechnungen relativ unterschiedlich sind, ist fraglich inwiefern dies im Reporting gut und nachvollziehbar dargestellt werden kann, insbesondere da Fifo weiterhin für die Ermittlung der Anschaffungszeitpunkte gilt.
Fragliche Vorgehensweise bei Forks
Beim Fork ist das BMF leider nicht unserer Empfehlung gefolgt. Hier wird immer noch verlangt, die Anschaffungskosten aufzuteilen. (Randziffer 68) Hier ist besonders kritisch der hohe Aufwand beim Reporting zu sehen. Jede Transaktion für eine Anschaffung vor dem Fork muss aufgeteilt werden in den Anteil, der später den verschiedenen Coins zuzurechnen ist. Insbesondere im Hinblick da es kaum langfristig werthaltige Forks gibt, ist diese Vorgehensweise sehr fraglich.
Zusammenfassend kann man sagen, dass dieses Schreiben des BMF, dass jetzt für alle Finanzämter in ganz Deutschland bindend ist ein sehr guter und wichtiger Schritt ist. Hier wurde sehr viel Rechtssicherheit und Planbarkeit geschaffen. Besonders positiv ist auch anzumerken, wie offen hier Verwaltung und Regierung auf die Krypto Community zugegangen sind und das erhaltene Feedback auch wirklich umgesetzt haben. Das Schreiben ist für alle noch offenen Fälle anzuwenden, also auch in der Vergangenheit.
Über den Autor:
Werner Hoffmann ist Experte für Regulatorik und Compliance für blockchainbasierte Assets. Während seiner Zeit als beim Bayerischen Landesamtes für Steuern beschäftigte er sich fast zehn Jahre lang intensiv mit dem Steuerrecht in Theorie und Praxis. Parallel dazu studierte er an der LMU München Informatik. Von Kommilitonen hörte er von Bitcoin, was sein Interesse am Thema Blockchain weckte. Er realisierte 2017 erste Gewinne, hatte jedoch große Schwierigkeiten, diese korrekt in seiner Steuererklärung darzulegen. Er merkte, wie komplex dieser Bereich ist und entschied sich deshalb Anfang 2019 gemeinsam mit seinem Mitgründer Constantin Steininger dazu, Pekuna zu gründen.
Über Pekuna:
Die Pekuna GmbH bereitet als Gutachter Kryptotransaktionen von Privatpersonen technisch auf, um diese unter anderem für steuerliche Zwecke auswerten zu können. Pekuna ist als Blockchain-Analysefirma führend auf dem deutschen Markt. Seine Gutachten werden von Banken, Finanzämtern und anderen Behörden als Nachweise über Vermögenswerte und Gewinn- und Verlustrechnungen anerkannt.