Deutschland will Hanf legalisieren – das sagt die Branche
Hanf, auch Cannabis genannt, ist eine der ältesten Nutzpflanzen der Welt und wird schon lange für gesundheitlich Zwecke verwendet. Derzeit ist Cannabis in Deutschland für medizinische Zwecke erlaubt und darf von Ärzt:innen verschrieben werden, etwa zur Schmerzlinderungen bei Schwerkranken. Für den privaten Gebrauch ist die Pflanze in Deutschland jedoch illegal geblieben – zumindest bisher.
Im neuen Koalitionsvertrag schreiben die künftigen Koalitionsparteien SPD, Grüne und FDP, eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einführen zu wollen. Dadurch werde die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet. Nach vier Jahren soll das entsprechende Cannabis-Gesetz auf „gesellschaftliche Auswirkungen“ überprüft werden.
4,7 Mrd. Euro für den Fiskus möglich
Für den Staat zumindest hätte die Legalisierung finanzielle Vorteile. Laut einer Studie, die der Wettbewerbsökonom Justus Haucap von der Universität Düsseldorf durchgeführt und im vergangenen November veröffentlicht hat, könnte eine Legalisierung von Cannabis dem Fiskus durch zusätzliche Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge sowie Einsparungen bei Strafverfolgungen und Justiz insgesamt mehr als 4,7 Milliarden Euro pro Jahr einbringen. Haucap schlägt in einer Presseaussendung zur Studie vor, den Markt für Cannabis zu regulieren und den Verkauf mit einer Steuer zu belegen. Allein durch eine Cannabissteuer würden dem Fiskus nach den Berechnungen jährlich 1,8 Milliarden Euro zufließen. Zudem schätzt das Team um Haucap, dass durch die Legalisierung rund 27.000 Arbeitsplätze entstehen.
Auch die Branche blickt der Legalisierung positiv entgegen, die Ankündigung hat hier bereits Wellen geschlagen. Bisher haben sich die meisten Unternehmen am deutschen Cannabis-Markt auf Produkte aus Cannabinoid (CBD) spezialisiert, die nur geringe Mengen THC enthalten und nicht zum Berauschen verwendet werden, oder auf medizinisches Cannabis. Die Legalisierung eröffnet den Unternehmen einen großen Markt. Tech & Nature hat sich umgehört, was sich die Unternehmen erwarten.
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Branche begrüßt den Schritt
Das Berliner Unternehmen Hanfgeflüster, das CBD-Produkte anbietet, schreibt auf Anfrage von Tech & Nature, „durch die Legalisierung von Cannabis noch mehr Menschen“ erreichen und „von den Eigenschaften der Hanfpflanze – ob mit CBD oder bald auch THC – überzeugen“ zu können. Ein Umrüsten sei für das CBD-Unternehmen nicht nötig. Da sie laut eigenen Angaben bereits mit ihrem Mutterunternehmen NXT Pharma als lizenzierter Betäubungsmittelhändler medizinisches Cannabis an Apotheken verkaufen dürfen, sei das Unternehmen schon gut vorbereitet, um auch mit Hanfgeflüster weitere Schritte in diese Richtung im wachsenden Cannabismarkt zu gehen, so das Unternehmen.
Cansativa aus Hessen wurde 2017 gegründet und ist ein deutscher Großhändler für medizinisches Cannabis. Aus wirtschaftlicher Perspektive erhoffen sie sich von der Legalisierung eine breitere Aufstellung des Marktes. „Unser aktuelles Kerngeschäft ist die Versorgung und der Vertrieb von medizinischem Cannabis in Deutschland. Durch eine Legalisierung hoffen wir auf eine weitreichende Sensibilisierung für den Einsatz von Cannabis zu medizinischen Zwecken und therapeutischen Maßnahmen“, so das Unternehmen auf Anfrage. Gerade für Erkrankte sehen sie in der Legalisierung zusätzliche Erleichterung. „Dies würde vor allem denjenigen helfen, die auf Cannabis zur Behandlung von beispielsweise chronischen Schmerzen oder Multiple Sklerose angewiesen sind. Diese Menschen profitieren sowohl jetzt, als auch zukünftig am meisten von einer hohen Verfügbarkeit.“
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Das Unternehmen Demecan mit Sitz in Berlin ist ebenfalls ein Großhändler und deckt die Wertschöpfungskette für medizinisches Cannabis ab – vom Anbau über die Weiterverarbeitung und Lagerung bis zur Lieferung an Apotheken in ganz Deutschland. „Die Legalisierung ist eine gigantische Wachstumschance für Demecan und unseren Standort hier in Sachsen, aber auch für die gesamte Cannabisbranche in Deutschland. Und die zu erwartenden Steuereinnahmen helfen der neuen Bundesregierung sicherlich auch“, sagt Demecan-Gründer Cornelius Maurer in einer Presseaussendung zur Legalisierung.
Der Deutsche Hanfverband (DHV) begrüßte die Entscheidung der Ampelparteien. „Die Ampel ist ihrem eigenen Anspruch gerecht geworden, eine echte Reform-Koalition zu sein und den Stillstand nach 16 Jahren CDU-geführter Regierungen zu beenden. Cannabis ist das beste Beispiel dafür. Die neue Regierung orientiert sich endlich an Fakten und geht international mutig voran“, sagte DHV-Sprecher Georg Wurth in einer Presseaussendung. Die beschlossene Legalisierung von Cannabis sei ein Meilenstein der deutschen Drogenpolitik.
Kein Thema in Österreich
Im Gegensatz zu Deutschland ist eine Legalisierung von Hanf in Österreich bisher nicht in Sicht. Vor rund drei Jahren wurde das Thema hier das letzte Mal debattiert. Zu jener Zeit wollte das Gesundheitsministerium CBD-Produkte in Nahrungsmitteln und Kosmetika per Erlass verbieten, so eine Presseaussendung aus dem Jahr 2018. CBD wirkt jedoch nicht psychoaktiv und hat laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs offenbar keine psychotropen Wirkungen oder schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. In Österreich sind Kauf, Besitz und Konsum von CBD daher mittlerweile erlaubt.
Politisch ist das Thema Cannabis in Österreich aber kein Thema, auch im Regierungsprogramm wird das Wort nicht erwähnt. Obwohl sich die Grünen wiederholt aufgeschlossen zeigten, lehnt die ÖVP eine Freigabe bisher strikt ab – auch gegen eine Verschreibung für medizinische Zwecke spricht sie sich aus.