mySugr-Gründer Frank Westermann: „Wir wollen die Diabetes-Therapie in das digitale Jahrtausend führen.“
2012 in Wien gegründet ist mySugr mit aktuelle über 800.000 Usern die erfolgreichste Diabetes App der Welt. Seit August 2016 gibt es auch ein mySugr Büro in San Diego, Kalifornien. Gründer Frank Westermann über seinen Traum einer US-Gründung, die Unterschiede USA/Europa – und warum das Startup-Business zur sehr durch die rosarote Brille gesehen wird.
Trending Topics: Warum war es für Sie ein Traum, in den USA zu gründen?
Frank Westermann: Wir haben zuerst in Österreich gegründet und der US Markt hat sich in den letzten Jahren als unser größter einzelne Markt entwickelt. Deshalb macht es sehr viel Sinn für uns jetzt verstärkt in eine lokale Präsenz zu investieren. Wie fast immer im digitalen Bereich ist es auch im Digital Health Bereich so, dass die Entwicklungen in den USA den Takt vorgeben und es auch daher gut ist, nah am Puls der Dinge zu sein.
TT: Was unterscheidet die Märkte noch?
Westermann: Das Potential. In den USA gibt es einen Markt, der 320 Millionen Menschen umfasst und im Vergleich zu Europa relativ homogen ist, da es eine mehr oder weniger einheitliche Gesetzgebung, Sprache und Kultur gibt. Dadurch bieten sich ganz andere Chancen für ein Startup. In Amerika herrscht außerdem eine viel größere Offenheit gegenüber Innovationen. In Europa hingegen steht immer noch das Denken an die Risiken im Vordergrund.
TT: Startup-Mekka Silicon Valley. Wie viel davon ist Mythos, wie viel Realität?
Westermann: Natürlich wird dort auch nur mit Wasser gekocht; der Wasserkocher ist allerdings bedeutend größer als in Europa. Es ist die Elite der Tech-Welt, die sich dort trifft. Die Menschen sind extrem fokussiert, es herrscht ein hohes Arbeitspensum, man schenkt sich nichts.
Auch die Einstellung der Gründer ist anders: Die Ideen und Vision sind größter, reichen weiter, denken weiter in die Zukunft. Kein Klein, klein. Alles ist größer.
TT: Was war komplett anders als Sie es sich vorgestellt haben?
Westermann: Die Vorstellung, dass Gründen in den USA relativ einfach ist, da man viele Freiheiten hat und alles relativ unkompliziert läuft stimmt nicht. Für ein zu 100 Prozent ausländisches Unternehmen ist es schon eine große Hürde überhaupt ein Bankkonto zu eröffnen, da die gesetzlichen Bestimmungen bei den Banken sehr streng und viele Auflagen zu erfüllen sind. Hinzu kommen umfassende gesetzliche regulative Faktoren, die gerade bei mySugr bezüglich des Patienten- und Konsumentenrechts zum Tragen kommen. Auch die Steuern sind mit denen in Österreich nicht vergleichbar, einige sind viel höher.
TT: Wird das Phänomen Startups zu sehr durch die rosarote Brille gesehen?
Westermann: Ja, definitiv. Denn die wenigsten Menschen realisieren wie viel Arbeit dahinter steckt, ein Startup zu gründen und über Jahre erfolgreich aufzubauen. Da geht es um 12 bis 15-Stunden-Tage, sieben Tage die Woche, um richtig hartes Arbeiten. Man liest meistens nur von den Erfolgsgeschichten, vergisst aber, dass es abseits der erfolgreichen Startups Hunderte gibt, die scheitern. Das liegt aber selten nur an den Gründern oder der Idee.
TT: Wovon hängt der Erfolg dann ab?
Westermann: In erster Linie von harter Arbeit. Aber auch von Glück und Timing. Wenn man als Gründer nur daran interessiert ist schnell viel Geld zu verdienen wird man eher keinen Erfolg haben.
Natürlich ist es wichtig, dass man mit seiner Idee Geld verdient und das Unternehmen voranbringt – aber Geld darf nie die primäre Motivation sein, ein Startup zu gründen.
TT: Welche soll es dann sein?
Westermann: Dass man mit seiner Innovation ein Problem lösen möchte. So war es auch bei mySugr. Wir haben erkannt, dass es Diabetikern an etwas mangelt – und wollten das ändern. Ich hatte auch das Glück, drei großartige Co-Founder an meiner Seite zu haben. Alleine ein Startup zu gründen ist nämlich sehr viel schwerer.
TT: Hat es bei der Entwicklung von mySugr nie Rückschläge oder sogar den Gedanken ans Aufhören gegeben?
Westermann: Natürlich hatten wir mit vielen Rückschlägen zu kämpfen, aber die Idee, vielleicht etwas anderes zu machen hat es nie gegeben. Ebene weil wir alle den Wunsch hatten, etwas zu verändern und die Überzeugung es zu schaffen.
TT: Wie geht es weiter mit mySugr?
Westermann: Wir haben als reine Diabetes-App begonnen und entwickeln uns mehr und mehr zu einer Diabetes Management Plattform mit zahlreichen Service-Elementen der Telemedizin und der Möglichkeit Algorithem basiert Schwachstellen in der Diabetes-Therapie zu finden. In den USA bieten wird z.B. die Möglichkeit, sich über unser App mit Diabetesexperten auszutauschen und von sogenannten „Certified Diabetes Educatorn“ individuelle Therapietips zu bekommen.
Wir haben ein klares Ziel: die Diabetes-Therapie in das digitale Jahrtausend zu führen.