Interview

„Die Adoptionsbereitschaft für AI ist größte, die wir jemals für eine neue Technologie gesehen haben“

Jakob Buchmayer von HV Capital. © HV Capital / Canva
Jakob Buchmayer von HV Capital. © HV Capital / Canva
Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview

Er ist einer der Stargäste der großen Investor:innen-Konferenz invest.austria, die heute in Wien stattfindet: Der 25-jährige Oberösterreicher Jakob Buchmayer hat es bereits in jungen Jahren geschafft, für einen der wichtigsten europäischen VC zu arbeiten, nämlich HV Capital. HV Capital hat große Namen wie Enpal, Delivery Hero, Zalando, HelloFresh, Flixbus, Scalable Capital, SumUp, Sennder oder Upvest im Portfolio und auch in Österreich investiert – bei Storyblok aus Linz.

Im Interview spricht Buchmayer über seinen Werdegang, die aktuelle Marktlage aus Investorensicht, und über die Trends AI und DefenseTech.

Trending Topics: Ich habe mal kurz auf LinkedIn deinen Werdegang studiert und da stehen große Namen drin, Goldman Sachs, HV Capital, dein eigenes Startup und ganz unten steht sogar McDonald’s drin. Das war der Start deiner Karriere?

Jakob Buchmayer: Ja genau. Ich habe damals während der Schulzeit noch im Sommer als Kassier bei McDonald’s bei der lokalen Filiale gearbeitet, und ich glaube so direkt im Endkunden-Kustomer-Geschäft dazustehen, da nimmt man schon sehr viel mit.

Dann ging es ja steil bergauf und ins Ausland. Erzähl mal ganz kurz, was kam alles zwischen McDonald’s bis du dann am Ende als VC bei HV Capital tätig wurdest?

Ich habe eigentlich schon sehr früh begonnen, Basketball zu spielen. Wahrscheinlich auch deshalb, weil ich einfach nicht zwei linke, sondern zwei Holzfüße hatte, und da im lokalen Fußballverein absolut nichts zu sagen hatte. In meiner Heimatstadt, in Wels, gibt eben auch ein Basketball-Bundesligateam, da habe ich dann quasi meine Jugendjahre verbracht, bis ich 18 war. Ich habe dann entschieden, nicht in den Profisport gehen zu wollen. Wahrscheinlich auch, weil es einfach nicht für die NBA oder andere sehr große Ligen gereicht hätte. Ich habe mich dann eigentlich von Anfang an immer bei den verschiedensten Organisationen engagiert, habe dann während dem Studium auch immer an verschiedensten Webshops und so weiter gearbeitet. Und bin sehr früh mit Leuten in Kontakt gekommen, die dann später Unternehmen gegründet haben und habe damit eine sehr tiefe Faszination dafür gebaut, und dafür, was es eigentlich heißt, neue Firmen zu bauen, was sich innovationsmäßig tut und so weiter.

Es war dann auch so, dass ich nach dem Studium eine Firma mitgegründet habe, ein Startup im Impact-Bereich. Da ging es darum, dass wir ein Betriebssystem für die Circular Economy in der Gastronomie gebaut haben. Ich würde mich da aber trotzdem ungern als richtigen Unternehmer pitchen wollen, einfach weil das nur bis zu einer Angel-Stage von uns betrieben wurde. Wir haben das Tech-Backend gebaut, die zugehörige App und so weiter, haben ein paar hundert Restaurants im Wiener Raum bei uns auf die Plattform gebracht, mit mehreren tausend Nutzer:innen drauf. Aber wir haben dann schon sehr früh von einem konkurrierenden Startup aus Deutschland, Vytal, ein Angebot bekommen, dass man das gemeinsam machen könnte. Und wir haben uns dann eben damals dazu entschieden, das mit Vytal zusammenzulegen. Meine unternehmerische Erfahrung war sehr früh nach ungefähr einem Jahr soweit beendet, dass man eben gesagt hat, es macht wahrscheinlich nicht so viel Sinn, wenn dann quasi zwei volle Gründerteams von zwei Startups beim Series A-Stage-Thema drin sitzen.

Ich bin dann anschließend nach London gegangen, wo ich eine sehr gute Ausbildung bei Goldman Sachs bekommen habe, für vor allem spätphasige Investments. Da hat es so bei 300 Millionen Euro Ticketgrößen begonnen, da geht es um sehr weitreichende Themen, die diese Unternehmen dann auch bespielen können. Andererseits geht es aber auch nicht mehr so hundertprozentig darum, wirklich Innovationen voranzutreiben. Ich habe dann beschlossen, nochmal einen Wechsel zu machen und bin eben dann zur HV Capital gegangen. Einerseits, weil ich eben diese tiefe Faszination für neue Technologien habe, was auch für den Wirtschaftsstandard in Europa massiv wichtig wird in den nächsten 10, 20, 30 Jahren. ich wollte auch wieder mehr mit lokalen Themen zu tun haben, sprich mehr für den Kontinent Europa machen

Ich höre den glühenden Europäer bei dir heraus.

Ja, absolut. Ich glaube, das kann ich schwer verleugnen. Deswegen bin ich extrem happy jetzt bei HV Capital arbeiten zu können, weil es eben einer der größten europäischen VC-Investoren ist. Ich sitze hier bei spätphasigeren Themen, das heißt so ab 10 bis 16 Millionen Euro Ticketgröße, was dann typischerweise eine Serie A bis hin zu einer Serie C oder D ist, wo wir ja leider auch noch eine Kapitallücke aktuell haben in Europa. Und ich glaube, das ist eine der Plattformen, die hoffentlich eben auch in den nächsten 10, 20 Jahren hier diese Lücke immer mehr mithelfen kann aufzuschließen, damit wir eben auch die Eigentümerverhältnisse von europäischer Innovation in Europa halten können.

Wie funktioniert HV Capital, und was sind die strahlenden Namen im Portfolio aktuell?

Wir waren einer der ersten VC-Investoren, die im europäischen Ökosystem unterwegs waren, hatten deshalb eigentlich auch das Glück, dass wir eben schon Ende der 1990er, Anfang der 2000er Jahre, bei der ersten Digitalisierungswelle damals vor allem im Consumer-Internet direkt dabei sein konnten. Wir konnten unter den ersten Investoren bei Delivery Hero, bei Zalando, bei HelloFresh, später auch zum Beispiel bei Flixbus und bei SumUp sein, und konnten uns eben damit schon sehr früh als wichtiger Spieler im pan-europäischen Startup-Ökosystem etablieren und damit dann auch relativ stark wachsen eben über die letzten Jahrzehnte. Wir haben jetzt mittlerweile 3 Milliarden Euro Assets under Management und können damit Startups von der Gründungsphase bis Pre-IPO sehr, sehr stark supporten und auch ein relativ breites Netzwerk bieten.

Du bis 25. Wenn man in so jungen Jahren wie du zu einem VC geht, was muss man da mitbringen? VCs stellt man sich oft vor als Leute, die schon 20 Jahre Unternehmertum am Buckel haben, mit Milliarden um sich werfen. Wie siehst du deine Rolle als VC und welche Qualitäten muss man für den Job mitbringen?

Was man vor allem braucht, ist sehr große Motivation, die Teams, die sehr große bewegende Themen voranbringen wollen, zu finden und dann eben auch zu versuchen, denen möglichst gut helfen zu können, was natürlich einerseits mit Expertise sein kann, wenn man zum Beispiel schon eine sehr große Firma gebaut und auch verkauft hat, was auch mehrere Partner bei uns gemacht haben. Ich glaube, man kann aber andererseits auch sehr viel Mehrwert bringen, indem man erste Adresse ist, die man auf WhatsApp anschreiben kann, wenn zum Beispiel einen VP Sales sucht, der  die paneuropäische Expansion vorantreiben kann. Man kann einiges in Mehrwert liefern, wenn man einfach bereit ist, die extra Meile zu gehen. Das ist auch der Anspruch, den wir bei HV und auch ich persönlich auf jeden Fall haben.

Viele Leute, die selbst nicht im VC-Business sind, die sehen Investoren oft als die, die Cäsar-mäßig den Daumen heben oder senken und dann eben Geld hergeben oder auch nicht. Das ist wahrscheinlich der falsche Eindruck, oder?

Man erweckt leider öfters den Eindruck, dass es so sein könnte, weil so ein VC-Fonds durchaus gewisse Restriktionen hat, wo man investieren kann. Es wird dann teilweise auch etwas technisch, aber dadurch, dass zum Beispiel unser letzter Fonds 800 Millionen Euro groß war und wir den eben auch bestenfalls mehrmals zurückspielen müssen an unsere Investoren, sind wir relativ beschränkt in den Themen, die wir uns näher anschauen können. Einfach weil unsere großen Erfolgsgeschichten, die wir dann hoffentlich wieder im Portfolio haben werden, in Größenordnungen wachsen müssen, die dann eben auch börsenrelevant sind. Leider sind einfach sehr viele Themen, zumindest nicht im ersten Schritt, groß genug, um da eben dann auch ein Investment von uns platzieren zu können. Das wird dann teilweise leider auch so gesehen, als würde man da quasi generell Nein sagen oder Sachen nicht verstehen. Das ist auch sicherlich sehr oft der Fall, aber wir müssen uns leider halt einfach auch immer auf Themen beschränken, wo wir direkt einen Weg sehen, wenn die Firma funktioniert, dass sie mehrere Milliarden wert sein kann.

Du kommst für die große invest.austria-Konferenz als Speaker nach Österreich. Mit welcher Botschaft kommst du zurück in die Heimat?

Man bekommt den Österreicher aus dem Land, aber man bekommt Österreich nicht aus der Person. Das würde ich bei mir auf jeden Fall auch so unterschreiben. Bin durchaus sehr stolzer Vertreter von Rot-Weiß-Rot und damit freut es mich natürlich extrem, bei der wahrscheinlich wichtigsten Konferenz für Investoren auf heimischem Boden auch dabei sein zu können. Glücklicherweise tut sich ja auch immer mehr im Startup-Ökosystem in Österreich, insbesondere in den letzten drei, vier, fünf Jahren gab es da jetzt auch mehrere große Erfolgsstories, ob das jetzt GoStudent ist oder Bitpanda oder PlanRadar. Mittlerweile kann man die ja eigentlich nicht mehr wirklich an einer Hand abzählen, und ich glaube, das ist dann auch ein Effekt, der sich immer mehr verstärken wird. Damit ist Österreich aus Investorensicht natürlich auch ein Land und vor allem ein Ökosystem, das immer relevanter wird. Wir verstehen uns, auch wenn die Büros in Berlin und in München sind, primär als DACH-Investor und haben zum Beispiel mit Storyblok einen sehr starken Software-Vertreter aus Linz bei uns im Portfolio.

Wie ist der Blick von außen auf Österreich? Seht ihr Österreich als eigenen Markt oder ist es am Ende dann doch sehr ähnlich wie Deutschland, ein Anhängsel von Deutschland, wie auch in anderen Branchen?

Ich glaube, Österreich hat eigentlich eine sehr gute Stellung. Warum? Einerseits haben wir zum Glück den politischen Kontext sehr gut geregelt bekommen über die letzten Jahre, was zum Beispiel Förderungen etc. anbelangt, jetzt mit der FlexCo-Gesellschaft, wo man natürlich auch noch mehr machen könnte, aber schon jetzt gute Schritte gemacht hat. Ich glaube, das generelle Ökosystem für insbesondere sehr frühphasische Unternehmen ist sehr, sehr positiv gewachsen über die letzten Jahre und jetzt ist es auch so, dass man, wenn man in Österreich gründet, natürlich einerseits einen relativ kleinen lokalen Markt hat, aber andererseits eben mit Deutschland auch direkt eine erste Internationalisierung machen kann im Anschluss, wo man dann eben auch schon ein Playbook erproben kann, wie man das dann eben auch voranbringen kann, so eine Expansion, wo man aber gleichzeitig auch relativ ähnliche Marktkontexte etc. vorfindet.

Wie schaut es im Portfolio hinsichtlich Österreich bei euch aus?

Wir haben Storyblok im Portfolio seit März letzten Jahres. Das ist eine extrem gute Partnerschaft. Ansonsten sind wir immer sehr aktiv auf der Suche nach Startups in Österreich. Wir kennen auch einige sehr, sehr gut, haben aber ansonsten noch keine Partnerschaft im Portfolio, was sich aber jetzt hoffentlich in den nächsten ein, zwei Jahren noch einmal deutlich drehen wird.

Welche Investmentstrategie verfolgt ihr aktuell? Es gibt ja einen ökonomischen Rückschlag, in Deutschland und Österreich ist die Rede von Rezession. Nach den Ausnahmejahren 2021, 2022 sind die Investments in Startups zurückgegangen. Welche Strategie muss man da nehmen als VC?

Sehr viele Investoren war 2020 und 2021 sehr aktiv, aber jetzt hat sich der gesamte Markt gedreht. Auch die Investoren in VC-Fonds, also die Limited Partner, haben teilweise auch wegen stark zurückgegangener Börsenkurse mittlerweile etwas zu viel Exposure auf Venture Capital als Asset-Klasse. Viele mussten sich ein bisschen zurücknehmen, um Vorlaufzeiten zu strecken und nicht in Gefahr zu laufen, dass man kein investierbares Volumen mehr hat. Wir als HV sind aber in der glücklichen Lage, dass wir vor ein paar Monaten wieder eine neue Fonds-Generation offiziell geschlossen haben. Bei uns war es so, dass wir versucht haben 2020, 2021, wo alles oft sehr schnell gegangen ist, vielleicht etwas langsamer als der Marktschnitt zu investieren. Und sind dafür jetzt eher unter den aktiveren Investoren.

Unsere Hypothese ist, dass gute Unternehmen nicht nur in sehr guten Marktphasen, aber auch nicht nur in Krisensituationen geboren werden, wie man es ja teilweise auch liest auf LinkedIn und Co. Die werden einfach immer gegründet. Man findet gute Unternehmen, die in Wirtschaftskrisen gegründet worden sind, aber man findet genauso auch andere Namen, die in den Hochphasen gegründet wurden. Man muss als Investor eigentlich unabhängig vom Marktzyklus, insbesondere in den frühen Phasen, investieren, weil Innovation gibt es immer. Dann macht es auch aus Fondsperspektive am meisten Sinn, weil wenn man dann über Investmentperioden von zwei, drei Jahren sein Geld relativ gleichmäßig investiert hat, hat man wahrscheinlich auch eben viel mehr Geld, was man in den nächsten Jahren investieren kann.

Euch ist es ja gelungen, 2023, also im Downturn, euren größten Fonds zu launchen. Die LPs, die ihr überzeugen konntet, haben dann am Ende doch einiges an Geld aufgebracht.

Da sind wir tatsächlich in einer sehr glücklichen Lage, was unsere Founding-Partner hier über die letzten 20, 25 Jahre gebaut haben. Wir sind jetzt mittlerweile in der neunten Fonds-Generation. Auch wir haben aber trotzdem gemerkt, es ist aktuell sehr schwierig, im Markt neue Investoren zu gewinnen, einfach weil sehr viele spüren, dass sie eben teilweise schon zu viel in VC-Fonds investiert haben. Wir haben aber eben das Glück, dass wir eine sehr breite LP-Basis gebaut haben und auch 2021 und in diversen anderen Jahren sehr gute Returns zurückzahlen konnten. Damit war es für uns möglich, den größten Fonds dann zuzumachen, den wir jemals aufgenommen haben, und können jetzt eben 800 Millionen Euro quer durchs europäische Innovations-Rückrundensystem allokieren über die nächsten drei Jahre.

Aktuell sieht man vermehrt Downrounds. Was bedeutet das für Fonds. Das kann ja wahrscheinlich sehr belastend sein.

Was wir aktuell am Markt sehen, ist eigentlich eine Reversierung zum historischen Mittel. Es ist leider Realität im VC- und Startup-System, dass nicht jede Firma Product-Market-Fit finden wird. Wenn man sehr große Wetten macht, kann es natürlich auch immer sein, dass diese Wetten nicht hundertprozentig aufgehen. Wahrscheinlich so ein Viertel der Startups, in die investiert wird, wird es leider nicht schaffen, profitabel zu werden. Das ist ein ganz normaler Prozess. Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass es nach wie vor Firmen gibt, die extrem gut funktionieren, die es massiv schnell schaffen, sehr große Umsatzbasen auch zu bauen. Natürlich ist es unschön, dass es manche Startups nicht schaffen.

Noch zwei Fragen zu zwei Verticals, die in den letzten Monaten ziemlich heiß gelaufen sind. Vertical Nummer eins heißt natürlich Artificial Intelligence. Wie seht ihr bei HV Capital das Thema?

Anders als zum Beispiel bei der Web3-Blase, wo wahrscheinlich ähnlich viel Geld reingeflossen ist wie jetzt in Generative AI, sieht man bei diesem Thema jetzt, dass die Adoptionsbereitschaft auf Kundenseite die größte ist, die wir jemals für eine neue Technologie gesehen haben. Es gibt keine börsennotierte Firma, die aktuell nicht zumindest irgendwo in C-Level-Nähe Arbeitskreise eingerichtet hat, wie man diese neuen Technologien nutzen kann, um eben jede Stunde von menschlicher Arbeit noch produktiver zu machen. Es wird auch aus makroökonomischer Sicht massive Effizienzen geben.

Deswegen glaube ich, dass sehr, sehr große Unternehmen daraus entstehen werden. Gleichzeitig sind aber wahrscheinlich die meisten Investments, die aktuell gemacht werden, insbesondere auf extrem hohen Bewertungen, trotzdem nicht unbedingt die werthaltigsten, weil man auch hier wahrscheinlich wieder Konzentration sehen wird in manchen, dafür dann aber umso größeren Unternehmen. Ich glaube, dass es für Europa aber definitiv eine Chance ist, Firmen zu bauen, die größenordnungsmäßig auch mit den USA mitteilen können. Wir haben ja zum Beispiel in London sitzen, DeepMind, was quasi der große AI-Research-Hub von Google ist, der akquisiert wurde vor ungefähr zehn Jahren. Ich glaube, dass es eigentlich unterm Strich vor allem eine Chance ist, für den Kontinent extrem große Firmen zu bauen.

Aber aktuell sieht man, dass gerade die Big Tech-Player, also Microsoft, Google, Amazon Startups mit Milliarden zuschütten, auch mit dem Hintergedanken, dass die in ihre Cloud geholt werden. Werden AI-Startups aus Europa am Ende nicht dann doch bei denen landen, weil das sind die Player, die diese Rechenpower haben.

Das ist eine noch nicht 100-protzentig beantwortete Frage. Natürlich haben die USA einen Vorteil gegenüber europäischen Startups. Wenn man sich anschaut, wie Innovationszyklen normalerweise ablaufen, dann ist es meistens so, dass die existierenden Player bei einer großen technologischen Revolution im ersten Schritt präferiert sind, einfach weil sie schon die Distributionskanäle haben. Was aber die große Frage ist, die wir uns auch bei HV stellen: Wie sieht eigentlich das optimale Medium für diese neue Technologie wirklich aus? Ich bin mir nicht sicher, dass es so sein muss, dass wir überall Chat-Interfaces haben. Man wird hier wahrscheinlich noch komplett andere Interaktionsmechanismen sehen. Es ist noch nicht entschieden, wer es sich hier durchsetzen wird. Es ist nicht immer ein Vorteil, wenn man eben der große Incumbent ist in einem spezifischen Markt, sondern wenn man von einem leeren Blatt Papier ausgehen und etwas komplett Neues bauen kann.

Ist dir schon ein Beispiel aufgefallen, eine neue Art von Interface, wo AI stattfinden kann?

Immer mehr Startups bauen aktuell vertikale AI-Applikationen. Autogen AI aus London wäre hier ein Beispiel: Die bauen spezifisch für Ausschreibungsprozesse, die vollautomatisieren kann, wo man Dem Nutzer wieder die große Belastung nimmt, dass man eigentlich unterm Strich wieder programmieren lernen muss, wenn man lernen muss, wie man jetzt quasi Prompts am besten schreibt beim ChatGPT. Die Leute lernen gerade wieder programmieren und ich glaube eben nicht, dass sich durchsetzen wird, sondern hier wird es wahrscheinlich End-to-End-Automatisierungen geben mit deutlich nutzerfreundlicheren oder vielleicht sogar vollautomatisierten Interfaces in vielen Varianten.

DefenseTech ist aktuell stark gefragt. Auch HV Capital hat bei Quantum Systems investiert, und zwar in eine Dual-Use-Technologie, die sowohl für militärische als auch für zivile Zwecke einsetzbar ist. Wie geht ihr mit dem Thema um? Sobald etwas Dual-Use ist, ist ja auch die Möglichkeit da, dass es am Ende dazu benutzt wird, dass auch Menschen getötet werden. Wie muss man da als Investor mit dieser Fragestellung umgehen?

Das ist definitiv kein einfaches Thema. Wir bei HV sehen es eigentlich so: Zu Single-Use-Technologien, wo es wirklich aktiv darum geht, Waffen zu bauen, egal für welchen spezifischen Einsatzzweck, ob das offensiv oder nur defensiv geplant ist, sagen wir generell nein. Das ist auch von unserer Investorenseite absolut nicht gewünscht. Was wir aber schon sehen, ist, dass auch von Investorenseite her durchaus mehr gefragt ist, liberale europäische Werte zu vertreten. Quantum Systems ist eine Firma, die explizite Dual-Use-Technologie gebaut hat, um eben Erdobservierungen deutlich effizienter und viel hochauflösender zu machen, als man es jemals mit Satellitenbildern machen könnte.

Die Firma hat global führende Drohnentechnologie gebaut und entwickelt, die es ermöglicht, die Erde zu observieren. Das kann einerseits für Agriculture Tech extrem relevant sein, aber eben auch konkret für die Ukraine, um dort militärische Truppenbewegungen überwachen zu können. Die Firma ist aber eben, rein in der Observierung, ist nicht in irgendwelchen weitergehenden Aktionen etc. involviert. Es ist ein europäischer Technologieführer, es ist Technologie, die für liberale Werte sehr wichtig ist. Hier können wir uns eben sehr gut vorstellen, mit dem Team gemeinsam einen europäischen großen Spieler zu bauen. Unterm Strich ist es deutlich weniger militärisch gedacht als es vielleicht auf den ersten Blick aussieht.

Ich habe in deinem Profil gelesen, dass du die Hoffnung noch nicht aufgegeben hast, eines Tages halbwegs anständigen Code schreiben zu können. Sollte der Tag eintreten, dass du Code gut schreiben kannst, was würdest du programmieren wollen?

Ich habe bereits als Teenager mal ein rein Kommandozeilen-basiertes Pokémon-Spiel programmiert. Ich bin einfach generell sehr fasziniert davon, Software zu schreiben und damit Kundennutzen zu stiften. Deswegen fasziniert mich auch meine aktuelle Arbeit hier bei HV so sehr. Dank ChatGPT und Co. kann ich mittlerweile einigermaßen produktiven Code auch selbst schreiben. Ich habe damit zum Beispiel auch meine eigene Arbeit hier bei HV zum Teil automatisieren können. Ich bin deutlich produktiver geworden über ein Tool, das ich mir geschrieben habe, um zum Beispiel Wachstumssignale quer durch den Markt wahrnehmen zu können um auch Firmen sehen zu können, die man ansonsten einfach übersehen würde.

Weiter in die Automatisierung zu gehen und die eigene Arbeit effizienter zu machen, ist generell ein Thema, das ich nicht nur aus Investmentperspektive super spannend finde, sondern auch aus eigener quasi Softwareentwicklungs-Perspektive. Wenn ich wirklich gut darin wäre, würde ich sehr tief in die AI-Applikationen reingehen. Ich werde aber wahrscheinlich immer eher auf der Investorenseite sitzen, weil so gut, befürchte ich, werde ich technisch nicht mehr.

Vielen Dank für das sehr spannende Interview.

Trending Topics ist Medienparter der invest.austria-Konferenz.

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