Erderwärmung

Die Idee von Klima-Lockdowns greift um sich

Überschwemmung in Davenport, United States, 2019. © Unsplash
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Die Klimakrise abwenden zu können, das erscheint derzeit unwahrscheinlich. Berechnungen von Forscher:innen steuert die Welt bis 2100 auf 2,7 Grad Celsius Erderwärmung zu und nicht auf die angepeilten 1,5 Grad, auf die sich die Staaten eigentlich bei der Pariser Klimakonferenz 2015 einigten. Der Effekt: Immer öfter wird nicht mehr von „Climate Mitigation“, also Maßnahmen zur Abmilderung der Klimaeffekte, gesprochen, sondern von „Adapatation“ – also die Anpassung an derzeitige und künftige Klimaeffekte.

Während sich heute noch Menschen freiwillig aus Protest auf die Straße kleben und die gesellschaftliche Debatte um die Frage „Tempo 100“ ringt, werden in anderen Kreisen bereits viel härtere Maßnahmen diskutiert. Da wird nämlich über Klima-Lockdowns gesprochen. Dabei geht es um harte staatliche Verbote, um kurzfristig CO2-Emissionen reduzieren zu können. Die Rede ist etwa von der Einschränkung des privaten Autoverkehrs, dem Verbot des Verzehrs von rotem Fleisch, intensiven Energiesparmaßnahmen oder der Beendigung der Bohrungen nach fossilen Brennstoffen. Aus heutiger Sicht erscheint das noch unvorstellbar – etwa wenn man die Aufnahme von Kohleabbau in Lützerath in Deutschland oder in China in Betracht zieht.

Wir wollten das 1,5 Grad-Ziel erreichen. Derzeit sieht es eher nach 2,7 Grad aus.

COVID-Lockdowns zeigen CO2-Senkung

Die Idee der Klima-Lockdowns entstammt natürlich der COVID-Pandemie. 2020 hat man durch weltweite Lockdowns messen können, dass die CO2-Emissionen erstmals seit der Ölkrise der 1970er gefallen sind. Klar: Durch die Ausgangsbeschränkungen auf dem ganzen Planeten sind vor allem die Emissionen aus dem Verkehr stark gesunken – nur um aber 2022 wie berichtet auf ein neues Rekordhoch zu wachsen (Trending Topics berichtete). Durch weiter gestiegene Nutzung von Öl und Kohle als Energiequellen sind die CO2-Emissionen 2022 trotz Rückgang bei Gas (Ukrainekrieg) und Ausbau von Sonne und Wind noch einmal gestiegen.

Der Knick in der Kurve der CO2-Emissionen im Jahr 2020 aber zeigt, was möglich ist. Im ersten Jahr der Corona-Panedmie sind die CO2-Emissionen im Vergleich zum Vorjahr 2019 um 6,4 Prozent oder 2,3 Milliarden Tonnen gesunken. Durch das Wiederhochfahren 2021 mit Nachholeffekten stiegen die Emissionen dann aber auf ein neues Rekordhoch.

© IEA
© IEA

Die Idee von Klima-Lockdowns wird auch als Schreckgespenst genutzt. Das World Business Council for Sustainable Development (WBCSD; Weltwirtschaftsrat für Nachhaltige Entwicklung) selbst hat sie sogar als mögliche Folge thematisiert, wenn nicht genug Maßnahmen gegen die Erderwärmung ergriffen werden. „Bei einem0 Klima-Lockdown würden die Regierungen die Nutzung von Privatfahrzeugen einschränken, den Verzehr von rotem Fleisch verbieten und extreme Energiesparmaßnahmen einführen, während die Unternehmen, die fossile Brennstoffe herstellen, ihre Bohrungen einstellen müssten. Um ein solches Szenario zu vermeiden, müssen wir unsere Wirtschaftsstrukturen überarbeiten und den Kapitalismus anders gestalten“, heißt es in einem Artikel, der von Mariana Mazzucato, Professor am University College London, verfasst wurde.

Dass die Idee von Klima-Lockdowns sehr kontrovers sind, zeigt folgender Fall. Ende 2022 verbreitete sich die Falschmeldung im Netz, dass das Oxfordshire County Council im Kampf gegen die Erderwärmung die Stadt Oxford ab 2024 in sechs „15-Minuten-Bezirke“ unterteilen wolle. Die Menschen würden Dinge des täglichen Bedarfs in einer Viertelstunde zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen können, aber keine Autos mehr benutzen dürfen. Wohl am schlimmsten: Es sei ihnen nur mehr für 100 Tage erlaubt, ihre Zonen zu verlassen, um ihre Mobilität und damit verbundene Emissionen zu senken. Die Falschmeldung wurde der Labor-Partei, den liberalen Demokraten und der Grünpartei angelastet.

Tempo 100: Mehrheit dagegen – trotz Chance auf Energiesparen

Verkehrs-Filter in Oxford

Fakt ist laut dem Oxfordshire County Council aber schon, dass so genannte Verkehrs-Filter eingerichtet werden – also elektronische Systeme, die messen, welche Autos öfter als an 100 Tagen pro Jahr auf sechs bestimmten Straßen fahren. „Einwohner von Oxford (und einiger umliegender Dörfer) können eine Genehmigung beantragen, um an bis zu 100 Tagen im Jahr durch die Filter zu fahren. Die Einwohner der übrigen Gebiete von Oxfordshire können eine Genehmigung für das Durchfahren des Filters an bis zu 25 Tagen im Jahr beantragen“, heißt es aus dem Stadtrat. „Die Verkehrsfilter funktionieren genauso wie die bestehenden Verkehrskameras in der High Street und werden in vielen Städten des Vereinigten Königreichs eingesetzt, um Staus zu vermeiden und den öffentlichen Verkehr zu unterstützen.“

Die Filter sollen dafür sorgen, dass man in Zukunft zu bestimmten Tageszeiten eine andere Route nehmen muss, wenn man mit dem Auto fahren will. „Wir haben diese Änderungen vorgeschlagen, weil – wie jeder weiß, der in Oxford lebt oder die Stadt besucht – die Stadt seit Jahrzehnten unter schrecklichen Verkehrsstaus leidet. Dies schadet sowohl unserer Wirtschaft als auch unserer Umwelt und macht das Busnetz unrentabel.“

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