Die Kunst der Investor:innen-Suche: Dein ultimativer Leitfaden

Zur Person: Florian Kandler hat selbst drei Unternehmen gegründet. Zwei davon erhielten in drei Funding-Runden über drei Millionen Euro von Investor:innen aus den USA, Deutschland und Österreich. Er berät Unternehmer:innen, hält Workshops an Akzeleratoren und für seine „Der Perfekte Pitch“-Community und ist der offizielle Pitch Coach der #glaubandich Challenge und von 2 Minuten 2 Millionen.
Startup-Gründer:innen aufgepasst! Die Investorensuche ist eines der spannendsten, aber auch herausforderndsten Abenteuer deiner Gründerreise. Erfolgreiches Fundraising basiert auf einem klar strukturierten Prozess, dem richtigen Zugang zu Investor:innen und der Demonstration von Traction. Dieser Leitfaden zeigt praxisnahe Strategien und Tipps für jeden dieser Bereiche.
Der Fundraising-Prozess
Wenn es einen heiligen Gral des Fundraisings gibt, dann ist es die Kunst, FOMO („Fear of Missing Out“) bei Investor:innen auszulösen. Dein Funding-Deal muss so begehrt wirken wie ein Wühltisch im Winterschlussverkauf. Warum? Ohne FOMO warten Investor:innen lieber ab. Jeder Tag, den sie nicht investieren, reduziert ihr Risiko.
Dein Ziel: Sie müssen glauben, dass sie die Gelegenheit verpassen, wenn sie nicht jetzt zuschlagen. Ohne diese Notwendigkeit, mit dir zu sprechen und eine Entscheidung zu treffen, werden viele Investor:innen abwarten und dein Startup weiter beobachten, ohne Verpflichtungen einzugehen. Willkommen im Henne-und-Ei-Problem. Kein Momentum. Kein FOMO. In dieser Klemme findet sich ein Großteil der Gründer:innen, die mich um Hilfe bei der Investorensuche bitten. Plane deinen Fundraising-Prozess daher strategisch:
Der „F-Day“, dein Fundraising-Startschuss
Den Tag, an dem du deine Funding-Runde offiziell startest, nenne ich „F-Day“. Alles, was vorher geschieht, ist Vorbereitung, alles danach die Umsetzung. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass die Vorbereitung den größten Erfolgshebel für dein Fundraising bedeutet: Du baust Bekanntheit deines Startups und Beziehungen zu Investor:innen auf, sammelst Informationen und stellst sicher, dass dein Pitch und deine Unterlagen auf den Punkt sind.
Der F-Day ist dann dein Startschuss, ab dem du deine Bekanntheit, Beziehungen und deine perfektionierten Unterlagen nutzt, um sofort Momentum in deine Fundraising-Umsetzung zu bringen. Nur so wirst du deine Chancen, FOMO bei Investor:innen auszulösen, maximieren. Damit du nicht zu kurz springst, ist es wichtig, deinen Fundraising Funnel ab dem F-Day zu planen.
Der Fundraising Funnel
Fundraising ist wie ein Sales Funnel. Du beginnst mit einer großen Anzahl potenzieller Investor:innen, nur ein Teil davon reagiert auf deine Anfrage, noch weniger treffen sich mit dir. Ein Teil davon macht Folgetermine mit dir und am Schluss bleiben hoffentlich mehr als ein:e Investor:in am Ende dieses Funnels über, die dir mit einem wohlig-warmen FOMO-Gefühl attraktive Angebote machen.
Beachte dabei: Ein großer Erfolgshebel ist, ab dem F-Day (siehe oben) auf deine gesamte Investorenliste gleichzeitig loszugehen. Zwei große Fehler sehe ich am häufigsten, wenn Gründer:innen mit notleidenden Fundraisings zu mir kommen. Erstens, dass sie nicht gleichzeitig und parallel mit allen Investor:innen die Gespräche starten. Das führt oft dazu, dass sie nie die kritische Masse an Interessent:innen finden, kein FOMO entsteht und kein (oder nur ein schlechtes) Angebot auf den Tisch kommt.
Der Prozess dauert viel zu lange und das Interesse der Investor:innen sinkt. Der zweite häufige Fehler ist, dass Gründer:innen nicht mit ausreichend vielen Investor:innen Gespräche starten. Sie unterschätzen, wie schwer es ist, einen Ersttermin und einen Folgetermin zu bekommen. Sie starten mit 20 Kontakten und merken dann, dass sie vielleicht nur ein oder zwei mehr oder weniger interessierte Investor:innen nach dem Ersttermin haben, kein Momentum, kein FOMO bei den Investor:innen und wiederum ein hohes Risiko, keinen oder nur einen schlechten Deal zu bekommen.
Zugang zu Investor:innen
Wie du Investor:innen ansprichst, entscheidet über Erfolg oder Misserfolg. Eine Cold Mail mag bequem sein, aber sie bringt dich selten weiter. Mehrere Investor:innen haben es in meinem Gründer&Zünder-Podcast auch öffentlich verraten, dass sie weniger als fünf Prozent ihrer Investments in Gründer:innen machen, von denen sie kalt kontaktiert wurden. Der Erfolg liegt in Empfehlungen und Beziehungsaufbau.
Empfehlungen öffnen Türen
Der effektivste Weg zu einer Investorin oder einem Investor führt über ein Intro. Finde Personen, die dich und dein Startup verstehen und begeistert weiterempfehlen. Ein Beispiel: Mein erstes siebenstelliges Investment kam durch eine Kette von Empfehlungen zustande – beginnend mit einem Kontakt, den ich zufällig auf einer Konferenz traf, dann zu einem Berliner Gründer, von dem zu einem Investor und von ihm zum VC-Fonds des E-Commerce-Milliardärs Oliver Samwer.
Beziehungen aktiv aufbauen
Vertrauen ist die Grundlage jeder Zusammenarbeit. Nutze die Zeit vor deinem F-Day, um echte Beziehungen zu Investor:innen aufzubauen. Sei authentisch, kommuniziere klar und zeige, dass du langfristig denkst. Investor:innen möchten sehen, dass du nicht nur ein:e visionäre:r Gründer:in bist, sondern auch jemand, dem sie vertrauen können. Die Zeit, die du in der Vorbereitungszeit vor deinem F-Day (siehe oben) darin investierst, ist dein bestes Investment in deinen Fundraising-Erfolg.
Wenn du mit 20 bis 30 Investor:innen in den sechs bis zwölf Monaten vor deinem Fundraising je zwei bis drei Gespräche und Meetings hast, wirst du am F-Day aus diesen Kontakten mehr Investmentangebote herausholen, als wenn du am F-Day eine Liste von einhundert kalten und lauwarmen Investor:innen anschreibst und dich mit diesen durch einen aufwändigen Funnel quälst.
Die richtigen Investor:innen finden
Nicht jede:r Investor:in passt zu deinem Startup. In meinen Recherchegesprächen für mein Buch Business Angels/Devils bestätigte sich, dass es zwei große Kategorien von Investor:innen gibt. Ich benannte sie Raketen- bzw. Redwood-Investor:innen. Frag dich: Bist du auf der Suche nach einem Raketen-Investor, der dein Startup zu einem Mega-Exit führen will, oder nach einem Redwood-Investor, der langfristig auf Stabilität setzt und mit dir gemeinsam ein Unternehmen aufbauen möchte?
Wenn du das nicht berücksichtigst, vergeudest du wertvolle Zeit oder holst dir den:die falsche:n Investor:in an Bord, was meist zu schlimmen Zerwürfnissen führt. Sprich dieses Thema unbedingt aktiv in den Gesprächen mit den potenziellen Investor:innen an.
Traction
Investor:innen wollen Fortschritt sehen. Jede Errungenschaft – sei es ein funktionierender Prototyp, erste Kund:innen oder steigende Umsätze – zeigt, dass du deine Vision umsetzen kannst und erhöht deine Chancen.
Das Bild des feststeckenden Autos vermeiden
Ein Startup, das seit Jahren keine nennenswerten Fortschritte erzielt hat, schreckt Investor:innen ab. Sie sehen ein Auto, das im Morast feststeckt und sich ohne fremde Hilfe nicht bewegt. Zeige stattdessen, wie du mit wenigen Mitteln bereits erste Erfolge erzielt hast, und schüre damit die Vision, was du Fantastisches mit ihrem Investment erreichen könntest.
Dank den beiden Buch-Klassikern Mom Test und Lean Startup hast du vollen Zugriff auf genau den Gameplan, mit dem du in kurzer Zeit und mit wenig Geld sehr viel Traction produzieren kannst, die für Investor:innen interessant ist. Wie ich in meinem Buch Business Angels/Devils auch zeige: „Traction ist das Aphrodisiakum für Investoren.“ Besprüh sie damit!
Erste Schritte alleine gehen
Wenn ich jedes Jahr für Puls4 die Gründer:innen vor ihrem Auftritt bei 2 Minuten 2 Millionen unterstütze, ihre Chance auf ein Investment zu optimieren, arbeite ich oft mit den Gründer:innen genau am Thema Traction. Die Alarmglocken läuten bei mir, wenn die Gründer:innen im Pitch sagen: „Wir haben diese Idee oder einen Prototyp, den wir in den letzten ein bis zwei Jahren entwickelt haben, wir haben noch (fast) keine Umsätze und suchen jetzt einen strategischen Investor, der uns bei Marketing und Vertrieb hilft.“
Achtung! Der Eindruck, den du damit vermittelst, ist verheerend. Entweder hast du ein Produkt gebaut, das niemand kaufen will. Oder du hast ein interessantes Produkt, aber niemanden im Team, der es verkaufen kann, und möchtest jetzt, dass der Investor diese Arbeit übernimmt. Beide Szenarien sind für die meisten Investor:innen äußerst uninteressant. Mit meinen Klient:innen erstellen wir dann einen Plan, um in kurzer Zeit erste Verkaufserfolge selbständig zu erreichen.
Und dann mit einer gänzlich anderen Story vor die Investor:innen im TV-Studio zu treten: „Wir haben in den letzten ein bis zwei Jahren einen Prototypen entwickelt, der vor wenigen Wochen marktreif wurde. Alleine in den letzten acht Wochen haben wir folgende erste Verkaufserfolge erzielt. Nun laden wir einen Investor ein, uns in der nächsten Wachstumsphase zu begleiten und zu unterstützen.“ Diese Story ist zehnmal spannender für Investor:innen!
Das „Why now“
Warum ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für ein Investment? Dieses „Why now“ muss klar in deinem Pitch und deinen Gesprächen mit Investor:innen hervorgehen. Wie im Beispiel am Ende des vorherigen Absatzes beschrieben. Der strategische Kniff: Plane deinen F-Day so, dass du deine Traction auf dem Höhepunkt präsentieren kannst und im Idealfall während der zwei bis drei Monate der Gespräche mit Investor:innen auch immer wieder neue Verkaufserfolge berichten kannst.
Als ich für mein drittes Startup im Silicon Valley war, zeigte mir einer meiner Mentoren die Mächtigkeit dieser Methode. Er nannte sie „Fundraising into rising numbers“. Plane daher dein Timing, die Erfolge, den F-Day und die Kommunikation deines „Why now“ vorab, um deine Chance auf ein Funding zu maximieren.
Fundraising ist kein Zufall, sondern ein Handwerk, das du lernen kannst. Es erfordert Planung, Strategie und eine Prise Beharrlichkeit. Nutze diesen Leitfaden als Roadmap und vermeide die klassischen Fehler, die viele Gründer:innen ausbremsen. Mit einem klaren Prozess, gezieltem Zugang und sichtbarer Traction wirst du Investor:innen nicht nur ansprechen, sondern begeistern. Und denk daran: Fundraising ist wie ein Wühltisch – wer zu lange zögert, geht leer aus.
Info: Hard Facts
Fundraising-Prozess
FOMO schaffen: Lass Investor:innen glauben, dass sie eine große Chance verpassen.
F-Day planen: Bereite dich akribisch vor und starte alle Gespräche gleichzeitig.
Vorbereitung ist Erfolg: Baue schon vor dem F-Day ausreichend viele Kontakte und Beziehungen zu Investor:innen auf.
Großer Funnel: Kontaktiere ausreichend viele Investor:innen und gehe parallel und zügig vor.
Zugang zu Investor:innen
Empfehlungen: Finde Kontakte, die dich begeisternd weiterempfehlen.
Beziehungsaufbau: Investiere in Vertrauen, bevor du um Geld fragst.
Investor-Typen: Unterscheide zwischen Raketen- und Redwood-Investor:innen.
Traction
Fortschritte zeigen: Präsentiere Erfolge und Meilensteine klar und selbstbewusst.
Feststeckendes Auto vermeiden: Zeige, dass dein Startup dynamisch ist.
Erste Schritte zeigen: Beweise, dass du nicht nur Ideen, sondern auch Umsetzungswillen hast.
Timing: Plane dein Fundraising so, dass es perfekt zu deiner Traction passt.
Dieser Artikel ist bereits im Trending Topics Founders Guide 2025 erschienen. Das komplette Magazin findest du hier.
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