Die Mobility-Revolution in der Sackgasse
Vor nicht allzu vielen Jahren waren sich allzu viele Menschen gewiss: Die Mobilitätsrevolution wird drei Mal zuschlagen und den kompletten Markt auf den Kopf stellen:
- Das E-Auto wird den Verbrenner ablösen
- Sharing-Dienste werden den Autobesitz abschaffen
- Selbstfahrende Autos werden den Führerschein obsolet machen
Das ist bis dato nicht eingetroffen. Weder gibt es eine Mehrheit von E-Autos auf unseren Straßen, noch haben sich Robo-Taxis in den Verkehr gemischt, noch ist die Zahl der Fahrzeuge auf den Straßen dank Sharing-Diensten weniger geworden. Im Gegenteil:
- Apple hat es aufgegeben, ein selbstfahrendes Auto zu entwickeln
- Der Markt für Battery-Electric Vehicles (BEVs) ist in Deutschland, Österreich und anderen Märkten ins Stottern geraten
- Der Tesla-Aktienkurs ist seit Anfang 2024 um etwa ein Viertel eingebrochen
- Der Rivian-Aktienkurs ist seit Anfang 2024 um etwa mehr als 60 Prozent eingebrochen
- E-Auto-Neulinge wie Fisker, Volta Trucks oder Faraday Future sind kurz vor dem Zusperren
- Die GM-Tochter Cruise Automation hat den Betrieb für Robot-Taxis gestoppt, der CEO wurde ausgetauscht
Natürlich läuft es nicht für die gesamte Branche schlecht – BYD aus China boomt und ist längst wertvoller als Porsche, Ferrari, Volkswagen oder BMX; und Xaomi, bis vor kurzem eher Smartphone-Hersteller, rangiert nun unter den Top 10 (!) der wertvollsten Autobauer vor General Motors und Ford. Auch die Google-Schwester Waymo mit den Robot-Taxis fährt weiter und wird diese Jahr auf vier Städte (San Francisco, Phoenix, Austin, Los Angeles) ausgeweitet. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Revolution des selbstfahrenden Autos sehr sehr langsam vorangeht – und zwar nicht von Stadt zu Stadt, sondern aktuell eher von Stadtteil zu Stadtteil. Auch Uber, eigentlich früher ein Sorgenkind, läuft seit 2023 gut.
Parallel dazu zeigt die neue HUK-Mobilitätsstudie 2024 Ernüchterung in der deutschen Bevölkerung auf:
- Bei den über 40-Jährigen sehen nur 12 Prozent der Befragten im Elektroauto die Technik der Zukunft, unter 40-Jährigen bei 22 Prozent
- Nur 15 Prozent wollen bald selbst auf ein E-Auto umsteigen
- „Verbrennungsmotoren erleben offensichtlich ein Comeback“, heißt es in der Studie, weil sich nämlich die „Einschätzung von reinen Elektroautos und Autos mit alternativen Kraftstoffen (wie Wasserstoff und E-Fuels) als ideale Verkehrsmittel der Zukunft sich im Vergleich zum Vorjahr eindeutig verschlechtert“ haben
Insgesamt sieht man also kaum Vorwärtsbewegung bei den groß versprochenen Innovationen im Mobilitätsbereich rund um Elektrifizierung, Automatisierung und Sharing. Stichwort Sharing: Dem sind offenbar Grenzen gesetzt, bei weitem nicht jede:r lässt Eigentum Eigentum sein und teilt sich die Fahrzeuge regelmäßig mit den anderen. Eine Studie des Center of Automotive Management (CAM) hat 2023 ergeben, dass:
- der Carsharing-Markt spürbar durch Übernahmeaktivitäten (z.B. Miles akquiriert WeShare) und Rückzugsbewegungen (z.B. SAIC, BAIC und Shouqi in China) infolge mangelnder Nachfrage geprägt ist
- geteilte Mobilitätskonzepte („Shared Mobility“) lange Zeit als großer Zukunfts- und Wachstumsmarkt galten, „nach mehr als 10 Jahren haben sie jedoch noch immer nicht den gesellschaftlichen Stellenwert erreicht, der ihnen ursprünglich prophezeit wurde“
- das Geschäftsmodell mit geteilten Pkw ein weitestgehend europäisches Phänomen mit überwiegend linearem Wachstum auf noch niedrigem Niveau ist, etablierte Anbieter würden mit einem hohem Kostendruck und überschaubaren Einnahmen kämpfen
Micro Mobility disruptiert nicht das Auto, sondern sich selbst
Im Windschatten von Lime und Bird sind sie ab 2018 ausgerückt, um die Metropolen dieser Welt zu erobern. Zeitweise galten die E-Scooter-Sharer als „Gelddruckmaschinen“ und Retter der Innenstädte, weil sie Autos ersetzen könnten, doch von diesem einstigen Image ist nichts übrig geblieben. Anstatt die Mobilität für kurze Strecken zu dsruptieren, haben sich die Scooter-Sharing-Startups bis auf einige wenige Player selbst disruptiert. Fälle wie der von Tier Mobility sind repräsentativ für die gebeutelte Branche: Zuerst von Investoren auf Milliardenbewertung gejagt und in Dutzenden Städten vertreten, kam bald der Verfall.
Denn es sind nicht nur Inflation und Lockdowns, die die E-Scooter-Anbieter disruptierten, sondern auch die Regulierung. Als in Paris für ein Scooter-Verbot ab dem 1. September 2023 votiert wurde, schickte das Schockwellen durch die Branche – seither folgten etwa auch das deutsche Gelsenkirchen oder das österreichische Graz mit Verboten. In den meisten anderen Städten gibt es strenge Regeln für Betreiber und Nutzer:innen mit Limits für Tempi, Scooter-Anzahl und Fahrbereichen. Insgesamt hat das das Business wenig attraktiv gemacht, sowohl für die Betreiber als auch die User.
Zuletzt ist auch am Wiener Markt für E-Scooter, der seit 2023 durch strenge Regeln der Stadt Wien reguliert ist, Chaos ausgebrochen. Zeitweise stellten 2 der 4 verbleibenden lizensierten Anbieter das Service ein. All das zeigt, dass E-Scooter-Sharing nur mehr in Ausnahmefällen ein attraktives Geschäft ist.
Chaos am Wiener E-Scooter-Markt – Bird und Link stellen Betrieb vorerst ein
Mobility-Startups crashen der Reihe nach
Auch der Nachwuchs, ergo die Startups, haben deutliche Probleme bekommen. In den vergangenen Monaten häuften sich auch im Mobilitätssektor der Jungfirmen die Pleiten. Carsharing, Scooter-Sharing, E-Bikes usw. – es betrifft eigentlich Startup, die vor kurzem noch voll im Trend gelegen sind:
- Eloop hat sein Carsharing mit Tesla-Autos wegen Insolvenz komplett eingestellt
- Fahrrad-Startups wie WSF, Gleam oder VanMoof wurden vom Bullwhip-Effekt (stark schwankende Nachfrage, Verzögerungen in der Lieferkette) erwischt sind in die Pleite gerutscht
- goUrban mit Software für Shared Mobility musste saniert werden
Jedoch ist auch hier zu berichten, dass die Effekte der vergangenen Krisenjahre zuschlugen – nämlich die plötzlichen Disruptionen bei der Nachfrage etwa nach E-Bikes und der Erschütterung der Lieferketten durch COVID und später Problemen auf den Handelswegen. Bei Eloop war zuletzt die Sprache von einer erschwerten Finanzierungslage wegen der erhöhten Zinsen, die zur Schließung des Fuhrparks führten. Und auch ganz profane Probleme mit der jungen Zielgruppe waren es, die Eloop mit in die Insolvenz trieben – nämlich unter 23-Jährige, die nach Account-Sharing für schwere Schäden an den Autos sorgten, aber die Versicherung ausstieg. Sharing is caring, in dem Fall eine hohle Phrase.
Wer in die Zukunft der Mobilität schauen will, der muss wohl nach China blicken. Dort rittern etwa 60 neue E-Automarken um den eigenen riesigen Heimatmarkt und holen sich dort die Power, um international zu expandieren. Gleichzeitig ist es auch der Markt, wo sich Tesla nun die Freigabe für Full Self Driving (FSD) holte und wo westliche Autohersteller der Reihe nach Partnerschaften schlossen, um im Rennen zu bleiben. Wie wir uns künftig also auf Rädern fortbewegen werden, wird künftig wesentlich – im Reich der Mitte bestimmt werden.
Startup Eloop stellt Tesla-Carsharing ein, muss saniert werden