Die Tech-Welt muss aufhören, nur „First World Problems“ zu behandeln und echte Lösungen entwickeln
Wenn man durch die riesigen Hallen der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin streift, dann bewegt man sich eigentlich durch eine Parallelwelt der Absurditäten. Da gibt es Smartphones zu sehen, die mehr Pixel haben als Flat-TVs, Virtual-Reality-Brillen, mit denen sich komplett aus der echten Welt ausklinken kann, Waschmaschinen, die sich aus der Ferne einschalten lassen, Fritteusen mit Bluetooth, ja sogar intelligente Schlaf-Tracker, die die Klimaanlage regulieren können. Verkauft werden diese Dinge alle mit dem Versprechen, unser Leben einfacher, besser, schneller, bequemer und schöner zu machen.
Es sind all dies natürlich nur Lösungen für „First World Problems“. Für „Probleme“, die unglaublich weit weg sind von der Lebensrealität jener Menschen, die in den vergangenen Tagen auf ihrer Flucht aus Syrien auch in Deutschland und Österreich angekommen sind. Während wir uns mit selbst fahrenden Autos, Ein-Stunden-Lieferung bei Online-Diensten und Self-Tracking per Fitness-App beschäftigen, durchqueren Flüchtlinge zu Fuß ganze Länder, alles, was ihnen geblieben ist, passt in einen Rucksack.
Die Hightech-Riesen dieser Welt, in denen einige der schlauesten (und best bezahlten) Menschen des Planeten arbeiten, werben zwar seit vielen Jahren damit, dass sie alles besser machen können, doch ihre Lösungen kommen oft nur einem kleinen, zahlungskräftigen Teil der Weltbevölkerung zu gute. Facebook hat es perfektioniert, Nutzerdaten zu Werbezwecken auszuwerten, doch gegen Hass-Postings gegen Flüchtlinge hat man kein Mittel parat. Google gibt 150 Millionen Euro her, um seine Differenzen mit europäischen Medien zu beseitigen, für die Flüchtlingshilfe spendet es eine Million Euro. Und wenn Apple am Mittwoch sein neues iPhone präsentiert, wird man viel über neue, „amazing“ Features hören, aber wohl wenig bis gar nichts über die echten Herausforderungen unserer Zeit.
Nun ist es natürlich ungleich schwerer, Lösungen für die Flüchtlingskrise zu entwickeln als eine hübsche Smartphone-App. Und natürlich gibt es die Start-ups, die sich großen Problemfeldern wie Ernährung, Bildung und Gesundheit widmen. Doch in einer Hightech-Welt, in der angeblich alles analysiert und optimiert werden kann, sollte es eigentlich nicht passieren, dass ein ganzer Kontinent überrumpelt wird von einer Krise, die seit vielen Jahren wütet. Die betroffenen Menschen sind nicht mehr Fremde aus den Nachrichten, man kann sie am Bahnsteig am Westbahnhof treffen.
Die Zivilgesellschaft hat eindrucksvoll gezeigt, dass sie etwas bewegen kann. Jetzt ist die Hightech-Branche an der Reihe, Geld und Know-how hat sie genug.