Digitale Bildung: „Unterstützung mentaler Unabhängigkeit ist in unserem Land nicht besonders stark besetzt“
Medienkompetenz, analytisches Denken, technologische Grundbildung, Coding, Selbstständigkeit, Neugier – welche Skills braucht die nächste Generation, um die Jobs von Morgen erledigen zu können? Diesem Thema widmete sich vor kurzem Peter Bosek (Vorstand der Erste Group Bank AG), Katharina Klausberger (Co-Founder von Shpock), Dorothee Ritz (General Manager Microsoft Österreich), Kurt Söser (Mathematiklehrer an der HAK Steyr) und Christiane Spiel (Bildungs- und Evaluationspsychologin vom Institut für Angewandte Psychologie der Uni Wien) im Rahmen der Eröffnung des Learning Hub im Microsoft-Headquarter in Wien. Bei der Gelegenheit schaute auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) vorbei.
Bei der mentalen Grundeinstellung Österreichs ortete Peter Bosek im Zuge der Diskussion eine gewisse Hürde: „Meiner Meinung nach ist die Unterstützung mentaler Unabhängigkeit in unserem Land nicht besonders stark besetzt. Statt in Europa eigene innovative Konzepte und Unternehmen zu fördern, freuen wir uns mehr darüber, wenn wir neue Ideen mit Regulatorik abwürgen können. Wir müssen ein anderes Mindset entwickeln, um wirklich für Veränderungen – auch im Bildungsbereich – zu sorgen.“ Klausberger von Shpock sieht das ähnlich, Unternehmertum sei nicht stark ausgeprägt: „Wir befinden uns in einer Gesellschaft, in der Leute Angst vor dem sozialen Absturz haben. Deshalb gehen viele gerne den angenehmen und schmerzfreien Weg. Für die Zukunftsfähigkeit ist das ein völlig falscher Ansatz: Risiko und Durchhaltevermögen können sich durchaus lohnen.“
Neugier soll nicht verblassen
Was für viele gerade in der Startup-Szene logisch klingt, ist in Österreich aber längst nicht Standard. „Für mich war es eine bewusste Entscheidung, die Digitalisierung in meinen Unterricht zu bringen. Leider stehe ich hier bislang relativ alleine da: Zahlreiche Bildungseinrichtungen stellen die Sinnhaftigkeit neuer Technologien noch immer in Frage. Aber auch die Eltern sind sich derzeit noch unsicher, obwohl einige Eltern die Vorteile bereits erkannt haben und wissen, dass sie so eine tolle Investition für ihre Kinder und deren spätere Berufschancen tätigen“, erklärte Lehrer Kurt Söser. Bildungsinstitutionen sind längst nicht da, wo sie sein sollten, findet auch Christiane Spiel, Evaluationspsychologin an der Uni Wien. „Kinder sollen keine Angst vor Veränderungen haben, sondern es als Chance sehen, sich weiterzuentwickeln und Neues zu lernen. Kinder sind von Geburt an neugierig, unsere Gesellschaft sorgt jedoch dafür, dass diese Neugier bei vielen allmählich verblasst“, so Spiel. „Wir müssen alles dafür tun, um das Interesse an Neuem und die Lernmotivation aufrecht zu erhalten. Zusätzlich sollen die Bildungsinstitutionen Schülerinnen und Schüler auch die Kompetenzen vermitteln diese Lernmotivation erfolgreich zu realisieren, das heißt selbstorganisiertes, selbstreguliertes Lernen anregen und gezielt fördern.“
Die Neugier für Technologie müsse man gezielt fördern, so Microsoft-Österreich-Chefin Dorothee Ritz: „Meiner Meinung nach müssen Kinder bereits in ihrer Kindheit ein Grundverständnis für Technologien und Digitalisierung entwickeln – natürlich spielerisch. Viele Kinder glauben immer noch, dass Coding, IT-Aufgaben und die Digitalisierung von Fachmännern in dunklen Kämmerchen umgesetzt werden.“
Digitales Klassenzimmer der Zukunft
Dass Microsoft dieses Jahr seinen Learning Hub gestartet hat, kommt nicht von ungefähr. Die Einrichtung im Microsoft-Hauptquartier in Wien soll als Plaupause für das Klassenzimmer der Zukunft dienen. Lehrer können zu Inspirationstours kostenlos vorbeikommen und sich auch zeigen lassen, mit welchen Geräten und welcher Software gearbeitet werden kann – etwa Tablets, Office365, Sway oder OneNote. Auch andere Tech-Unternehmen wie Samsung oder Apple haben in der Vergangenheit ähnliche Initiativen gesetzt. Samsung hat 2013 etwa die „Smart School“ ins Leben gerufen, bereits 2010 wurden erste iPad-Klassen in Österreich mit Tablets ausgestattet.