Digitaler Euro: Offline-Nutzung ja, aber mit Obergrenzen für Überweisungen
Die EU-Kommission hat heute ihre Pläne für den digitalen Euro vorgestellt. Er soll neben dem Bargeld, also den Banknoten und Münzen, ebenfalls zum offiziellen Zahlungsmittel in der Eurozone werden und ist eine Antwort nicht nur auf Bitcoin und Co., sondern auch auf die Bestrebungen anderer Staaten wie China, Schweden, den USA oder Indien, eigene so genannte Central Bank Digital Currencies (CBCDs) einzuführen.
„Obgleich einer Umfrage zufolge 60 % der Befragten weiterhin die Möglichkeit haben möchten, Bargeld zu verwenden, entscheiden sich doch immer mehr Menschen dafür, digital zu bezahlen. Dabei nutzen sie Karten und Anwendungen, die von Banken sowie von anderen Finanzunternehmen und Digitalunternehmen zur Verfügung gestellt werden“, heißt es seitens EU-Kommission. „Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, hat die Kommission heute zwei sich unterstützende Maßnahmenpakete vorgeschlagen, die dafür sorgen sollen, dass die Bürgerinnen und Bürger zwischen einer Barzahlung und einer digitalen Zahlung wählen können, wenn sie mit Zentralbankgeld bezahlen wollen.“
Die Ängste, dass der digitale Euro der EZB ein Mittel sein könnte, um sämtliche Zahlungen von EU-Bürger:innen zu tracken, versucht man folgendermaßen zu zerstreuen: durch die Offline-Nutzung. „Zahlungen könnten von Gerät zu Gerät ohne Internetverbindung geleistet werden, auch in entlegenen Gebieten oder Tiefgaragen“, heißt es seitens EU-Kommission. „Während Online-Transaktionen denselben Schutz der Privatsphäre bieten würden wie bestehende digitale Zahlungsmittel, wären der Schutz der Privatsphäre und der Datenschutz für die Nutzerinnen und Nutzer bei Offline-Zahlungen in besonders hohem Maße gewährleistet: Sie müssten bei digitalen Zahlungen weniger personenbezogene Daten offenlegen, als es heute bei Kartenzahlungen der Fall ist, so als würden sie mit Bargeld bezahlen oder an einem Geldautomaten Geld abheben. Niemand könnte sehen, was die Menschen bezahlen, wenn sie den digitalen Euro offline verwenden.“
Offline: Peer-to-Peer-Zahlungen, aber nur für kleine Beträge
Peer-to-Peer-Funktionalität kennt man schon von anderen Kryptowährungen, beim digitalen Euro müsste es dann aber Einschränkungen geben. Denn wenn man sich in die Unterlagen der EU-Kommission tiefer hinein gräbt, dann erfährt man, dass es für diese Offline-Nutzung Grenzen geben wird und muss. Da heißt es:
„Um die mit digitalen Offline-Euro-Transaktionen verbundenen AML/CFT-Risiken einzudämmen, wären spezifische Obergrenzen für den Bestand und die Transaktionen bei Offline-Zahlungen im Nahbereich unerlässlich, da die Transaktionsdaten nicht von den Zahlungsdienstleistungsanbietern verarbeitet werden. Diese Obergrenzen für Bestände und Transaktionen werden in einem Durchführungsrechtsakt der Kommission auf der Grundlage einer Risikobewertung festgelegt.“
Welche Obergrenzen für Transaktionen und Bestand in der Offline-Nutzung es geben soll, ist derzeit nicht bekannt, und sicher Gegenstand künftiger intensiver Verhandlungen. Im Umkehrschluss bedeutet es aber auch: Wer größere Beträge an andere senden will, muss online gehen – und das könnte dann an zentraler Stelle registriert werden. Wie die Offline-Nutzung technisch umgesetzt werden kann, ist offen. Jedenfalls wird vorgeschlagen:
„Offline-Zahlungen in Euro würden „peer-to-peer“ validiert: Zahler und Zahlungsempfänger würden direkt überprüfen, ob der Werttransfer zwischen ihnen tatsächlich stattgefunden hat. Solche Zahlungen würden hauptsächlich für kleine Beträge verwendet. Genau wie bei Bargeld wären die Einzelheiten Ihrer Offline-Zahlungen in digitalem Euro für niemanden sichtbar – weder für Ihre Bank noch für die Europäische Zentralbank.“
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Keine Smart Contracts wie bei Krypto-Assets
Was der digitale Euro im Unterschied zu bekannten Krypto-Assets wie Ethereum (Stichwort Smart Contracts) nicht können soll: Er soll nicht programmierbar sein. „Das bedeutet, dass es nicht möglich wäre, dass sie von den Behörden so programmiert werden, dass sie nur für bestimmte Zwecke verwendet werden: Die Behörden könnten nicht kontrollieren, wofür Sie Ihre digitalen Euro ausgeben können. Wie bei Bargeld könnten Sie Ihre digitalen Euro für jeden Zweck verwenden“, heißt es seitens Kommission.
Um den digitalen Euro möglichst zugänglich zu machen, wird kein Bankkonto Voraussetzung für die Nutzung sein. In der EU haben geschätzte 30 Millionen Menschen kein Konto, sie könnten sich eine Wallet für den digitalen Euro etwa bei bei einem Postamt oder einer anderen öffentlichen Einrichtung, z. B. einer lokalen Behörde, holen. Auch Gebühren für Transaktionen oder Verwahrung soll es keine geben.
Für (fast) alle Händler:innen verpflichtend
Als offizielles Zahlungsmittel wäre der digitale Euro auch für alle Händler:innen verpflichtend. Es soll aber Ausnahmen geben, und zwar für sehr kleine Händler:innen, die sich gegen die Annahme digitaler Zahlungen entscheiden. Sie müssten dann beweisen, dass die Kosten für die Einrichtung einer neuen Infrastruktur für die Annahme von Zahlungen in digitalem Euro unverhältnismäßig für sie wären. Wer aber bereits vergleichbare digitale Zahlungsmittel, wie etwa Debitkarten, akzeptiert, muss auch den digitalen Euro einführen.
Dem Vorschlag zum digitalen Euro der Kommission müssen nun das EU-Parlament und der Europäische Rat zustimmen, doch das letzte Wort hat die EZB. Ob und wann der digitale Euro ausgegeben wird, entscheidet letztlich die Europäische Zentralbank. Mit einer Einführung wäre generell vor 2028 nicht zu rechnen.
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