„Digitaler Gesundheitspfad“: So soll die österreichische Gesundheits-Plattform aussehen
Eine digitale österreichische Gesundheits-Plattform, auf der alle Bürgerinnen und Bürger und sämtliche Anbieter von Produkten und Leistungen im Gesundheitswesen aufeinandertreffen: So lässt sich der geplante „digitale Gesundheitspfad“ in einem Satz beschreiben.
Für die Umsetzung verantwortlich ist unter anderem Michael Hackl, der Digitalisierungskoordinator bei IT-Services der Sozialversicherung. Wir wollten wissen, was es mit dem Gesundheitspfad auf sich hat, wie die Umsetzung läuft und wie der Arztbesuch der Zukunft aussehen könnte.
Gesundheitspfad als zentrale Verwaltungsstelle
„Der digitale Gesundheitspfad schafft die digitale Infrastruktur für eine Vernetzung von Gesundheitsleistungen und Stakeholdern“, heißt es im Konzept für die integrierte Gesundheitsplattform. Damit sollen „der digitale/physische Bezug, Interaktion und Vergütung zwischen Erbringer, Verwalter und Bezieher orchestriert und optimiert“ werden. Was komplex klingt, ist im Endeffekt eine große, gemeinsame Plattform für die Gesundheitsbelange aller österreichischen Bürgerinnen und Bürger. Die bringt aber durchaus Herausforderungen mit sich – und viele Details zu Umsetzung, Zeitplan und Sicherheitsaspekten sind noch unklar. Wir haben nachgefragt.
Trending Topics: Zuerst die Basics: Was kann man sich unter dem „digitalen Gesundheitspfad“ vorstellen, wer steckt dahinter und was sind die Ziele und Erwartungen?
Michael Hackl: Der digitale Gesundheitspfad ist der nächste Meilenstein in der Entwicklung des österreichischen Gesundheitswesens. Nach der Ablöse der Krankenscheine durch die e-card im Jahr 2005 und der schrittweisen Einführung der „Elektronischen Gesundheitsakte ELGA“ ab dem Jahr 2015 wird der „Digitale Gesundheitspfad“ alle Player des Gesundheitswesens vernetzen. Er wird eine österreichische Gesundheits-Plattform, auf der alle Bürgerinnen und Bürger sowie alle Anbieter von Produkten und Leistungen im Gesundheitswesen aufeinandertreffen. Dies ermöglicht den Bürgerinnen und Bürgern, ihren persönlichen Gesundheitspfad – also ihren Weg durch das Gesundheitswesen, jeweils auf ihre aktuellen Bedürfnisse abgestimmt – aktiv, selbstbestimmt und auf umfassenden, vertrauenswürdigen Informationen beruhend zu gestalten. Für die Anbieter liegen die Vorteile vor allem im raschen und zielgruppenspezifischen Zugang zum Markt. Kundengruppen können über diesen Kanal gezielt erschlossen und gebunden werden.
Wie ist dabei der Stand der Dinge?
Derzeit werden die Überlegungen zum digitalen Gesundheitspfad von der Internetoffensive Österreich vorangetrieben, im Lead ist dabei die IT-Services der Sozialversicherung GmbH (ITSV), der IT-Dienstleister der österreichischen Sozialversicherung. An der Gestaltung des DGP sind viele private und öffentliche Stakeholder des Gesundheitswesens beteiligt, auch die ELGA GmbH. ITSV und ELGA sind verlässliche Garanten für die Weiterentwicklung des österreichischen Gesundheitswesens. Der DGP verfolgt keine kommerziellen Interessen und ist kein Produkt eines einzelnen Anbieters, sondern eine Initiative im Interesse Österreichs.
Wie könnte eine integrierte Gesundheitsplattform in Österreich im Detail aussehen?
Das österreichische Gesundheitswesen hat viele Vorteile und stellt bereits viele ausgezeichnete Lösungen zur Verfügung. Leider sind diese in den allermeisten Fällen Insellösungen. Regionale Angebote, die überdies schwer auffindbar sind und deren Seriosität nicht immer auf den ersten Blick feststellbar ist. Der digitale Gesundheitspfad vernetzt alle Gesundheitslösungen und stellt sie den Bürgerinnen und Bürgern gesammelt zur Verfügung. Gemäß den Gesetzen der Plattform-Ökonomie steigt der Nutzen durch die Vielzahl der Services, die über den DGP vernetzt sind, exponentiell. Und, ganz wichtig: Am DGP werden nur geprüfte und für vertrauenswürdig und sicher befundene Anbieter vertreten sein. Die BürgerInnen können sich also darauf verlassen, dass alles, was sie auf der Plattform finden, vertrauenswürdig und sicher ist.
Gesundheitsinformationen gehören zu den sensibelsten und somit schützenswürdigsten Daten, die wir haben. Es ist daher ein zentrales Anliegen, eine staatlich getragene und österreichische Lösung zu schaffen: Die öffentliche Hand wird entscheiden, welche Daten ausgetauscht werden, welche Daten gespeichert werden, wo diese Daten gespeichert werden. Und jeder Bürger wird entscheiden, wem er darauf Zugriff gewährt – und wem nicht. Die Datenhoheit wird bei den Bürgern liegen! Die COVID-19-Pandemie zeigt die hohe Bedeutung von Digital Health in Österreich auf und schafft die Offenheit und Relevanz für eine rasche Umsetzung des digitalen Gesundheitspfades.
Warum ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für die integrierte Gesundheitsplattform?
Das hat vor allem zwei Gründe. Erstens ist die Digitalisierung bereits so weit fortgeschritten, dass sowohl die technischen Voraussetzungen gegeben sind, als auch eine Vielzahl an Anwendungen am Markt verfügbar sind. Und jeden Tag kommen neue Anwendungen hinzu. Zweitens ist zu befürchten, dass – wenn nicht bald eine österreichische Lösung geschaffen wird – ein internationaler Konzern eine ähnliche Gesundheitsplattform schafft. Und wenn eine Plattform einmal etabliert ist, wird es für jede neue Plattform – die naturgemäß hinsichtlich der Anzahl der auf der Plattform vertretenen Anbieter und Nachfrager unterlegen ist – sehr, sehr schwierig, sich durchzusetzen.
Der digitale Gesundheitspfad stellt die österreichische Hoheit über die Gesundheitsdaten im Spannungsfeld zwischen den am Weltmarkt tätigen „Datenmultis“ und den individuellen Interessen der Bürger sicher. Damit Österreich bestimmt, unter welchen Bedingungen und mit welchen Zielsetzungen die Plattform operiert. Es gilt daher, möglichst rasch diese österreichische Lösung zu schaffen.
Welche Partner könnten hier „andocken“? Wie umfänglich ist die Plattform? Und wie „offen“ wird die Plattform?
Der digitale Gesundheitspfad ist ein offenes, standardbasiertes System. Er ermöglicht die hochsichere, digitale Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Angehörigen und Gesundheitsdienstanbietern. Auf der Anbieterseite steht die Plattform allen Anbietern von Gesundheitslösungen, die an den österreichischen Markt gerichtet sind, zur Verfügung. Sie müssen jedoch nachweisen, dass sie beziehungsweise ihr Plattformangebot sicher und vertrauenswürdig sind. Unter Einhaltung höchster Sicherheits- und Qualitätsaspekte wird öffentlichen und privaten Anbietern der Zugang zu allen Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht.
Auf der Nachfragerseite sind alle Bürgerinnen und Bürger Österreichs willkommen, bei allen Themen rund um ihre Gesundheit die Plattform zu besuchen und zu nutzen. Einfach, sicher und bequem. Und natürlich auch per Smartphone. Der DGP ist eine österreichische Gesundheitsplattform, die sich sowohl an den spezifischen Bedingungen des österreichischen Gesundheitswesens als auch an den spezifischen Bedürfnissen der Österreicherinnen und Österreicher ausrichtet.
Wie wird die Datensicherheit sichergestellt? Medizinische Daten sollten möglichst nicht gestohlen werden können.
Wie bereits erwähnt gehören Gesundheitsinformationen zu den sensibelsten und somit schützenswürdigsten Informationen, die wir haben. Der DGP verfolgt daher den Ansatz „Privacy by Design“ – Datenschutz als Design-Grundsatz. Die Datenhoheit liegt bei den Nutzern. Die Plattform ist die zentrale Schnittstelle dezentral gespeicherter Daten, auf die nur die Nutzer über eine eineindeutige Authentifizierung Zugriff haben. Datenaustausche zwischen dem Nutzer und den Gesundheitsdienstanbietern sind anlassbezogen und werden im Datencockpit der Nutzer protokolliert. Und am wichtigsten: Es werden nur jene Daten geteilt, die für den bestimmten Zweck zwingend erforderlich sind beziehungsweise proaktiv vom Nutzer freigegeben werden. Hier möchte ich nochmals darauf verweisen, dass wir eine staatlich getragene und österreichische Lösung schaffen. Damit die öffentliche Hand entscheidet, welche Daten ausgetauscht werden, welche Daten gespeichert werden und wo diese Daten gespeichert werden. Und jeder Bürger wird entscheiden, wem er Zugriff auf seine Daten gewährt und wem nicht.
Wo liegen die Unterschiede und Vorteile zu aktuellen Systemen wie ELGA?
Die Elektronische Gesundheitsakte ELGA ist ein Meilenstein im österreichischen Gesundheitswesen. ELGA ermöglicht Österreicherinnen und Österreichern sowie berechtigten ELGA-
Warum?
Die ELGA ist eine Infrastruktur. Der DGP ist eine Plattform. Eine Plattform, die viele öffentliche und private Services mit den Österreicherinnen und Österreichern vernetzt. Die ELGA wird nicht nur ein Bestandteil des DGP sein, sondern sogar ein wesentliches Kernelement des DGP. Der DGP ist die Plattform, welche die ELGA und viele weitere Services vernetzt. Der DGP wird die ELGA nicht ersetzen und ihren Nutzen nicht schmälern – ganz im Gegenteil. ELGA und DGP sind wichtig und werden sich gegenseitig befruchten und gemeinsam die persönlichen Gesundheitspfade der Österreicherinnen und Österreich im österreichischen Gesundheitssystem erleichtern. ELGA und DGP, das sind „zwei verschiedene Paar Schuhe“ und ein Vergleich wäre einer von „Äpfeln mit Birnen“. Aber beide sind wichtige Vitamine für das österreichische Gesundheitswesen.
„Digitalisierung zur Sicherung eines längeren Lebens in den eigenen vier Wänden“ heißt eine der Erwartungen an die Plattform – wie soll das bewerkstelligt werden?
Es geht nicht nur darum, alt zu werden. Es geht darum, selbstbestimmt und gesund alt zu werden. Ein möglichst langes Verbleiben in den eigenen vier Wänden ist einer der größten Wünsche vieler Österreicherinnen und Österreicher. Und es gibt viele Angebote, die dies ermöglichen sollen. Oftmals stehen diese Angebote jedoch nur regional zur Verfügung oder sind dem Bürger schlichtweg nicht bekannt. Die Plattform hilft mir dabei, die Angebote zu finden, die für mich geeignet sind. Und ich kann mich darauf verlassen, dass diese Angebote sicher und vertrauenswürdig sind. Länger gesund leben durch einen präventiv beratenden Begleiter, den digitalen Gesundheitspfad.
Wie kann dahingehend die Zusammenarbeit mit der EU aussehen?
Österreich nimmt mit dem digitalen Gesundheitspfad eine Vorreiterrolle ein. Es ist das erste Mal, dass ein derart umfassendes System umgesetzt wird. Durch die Verwendung international üblicher Standards wird der Gesundheitspfad mit Systemen anderer Länder, welche ebenfalls Standards verwenden, kompatibel sein. Dies ist jedoch Zukunftsmusik. Im ersten Schritt geht es darum, eine österreichische Lösung zu schaffen. Mit der Möglichkeit, diese künftig mit anderen Lösungen zu vernetzen.
Trotzdem: Wie könnte die medizinische Versorgung in Zukunft aussehen? Wo hilft die Gesundheitsplattform konkret? Wie könnte ein möglicher Behandlungsablauf aussehen?
Bürger sammeln laufend medizinisch relevante Daten, beispielsweise mit Wearables, und digitale Plattformen transformieren das Gesundheitswesen. Durch das verfügbare öffentliche Wissen und die durch die Digitalisierung veränderte Art der Kommunikation ändert sich das „klassische“ Verhältnis zwischen Leistungserbringer, etwa dem Arzt, und Leistungsempfänger, also dem Patienten. Der Patient wird selbst zum Akteur, ist über seinen Gesundheitsverlauf informiert und sensibilisiert und kann diesen präventiv steuern. Wir sehen ein stark wachsendes Volumen an Daten und eine immer genauere Personalisierung im Gesundheitswesen. Es geht um die Notwendigkeit einer Integration von Online- und Offline-Welt und darum, all diese Produkte, Services und Daten für die Bürger zugänglich zu machen und sie gemäß ihren Wünschen zu vernetzen und zu teilen. Dafür bedarf es einer sicheren und vertrauenswürdigen Plattform. Durch die Gesundheitsplattform werden die Nutzer beziehungsweise Anwender im Gesundheitswesen in ihrer Vielfalt der Mitwirkungsmöglichkeiten weiter gestärkt.
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