Vor Ort

dmexco 2015: Eine Hochmesse, wo digitale Werbung nicht nur zelebriert, sondern auch kritisiert wird

Sir Martin Sorrell, CEO der weltgrößten Werbe-Holding WPP. © Jakob Steinschaden
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75.000 Quadratmeter, 32.000 Fachbesucher, 880 Aussteller, 600 Journalisten, 500 Speaker, 200 Stunden Programm: Wer sich dieses Jahr auf die Digital-Marketing-Messe dmexco nach Köln begeben hat, hat hoffentlich bequeme Schuhe mitgebracht. Denn auf der europäischen Hochmesse der digitalen Werbung legt man, wenn man es drauf anlegt, zwischen Terminen und Vorträgen viele Kilometer zurück (die, die ganz vorne mit dabei sind, tracken ihre Schritte und verbrannten Kalorien per Smartwatch mit).

In den riesigen Hallen zwischen den „Ständen“ von Google, Facebook, Adobe, Amazon, Spotify und Co., die eher Häusern oder kleinen Erlebniswelten gleichen, da wird auch dieses Jahr ordentlich Business gemacht – immerhin geht es um einen Markt, der auch im deutschsprachigen Raum bereits in die Milliarden gewachsen ist. Laut Branchenverband BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft) wird der Markt für Online-Werbung in Deutschland mit fast 1,7 Milliarden Euro Umsatz Jahr 2015 voraussichtlich wieder signifikant zulegen.

Britischer Sir kritisiert Facebook-Videos

Der Stargast der diesjährigen dmexco ist der britische Sir Martin Sorrell, der seiner WPP Group die größte Werbe-Holding der Welt (vor der US-amerikanischen Omnicom und der französischen Publicis) als CEO vorsteht. WPP, ein Unternehmen mit einem Umsatz von 14,7 Mrd. Euro (2014), einer Marktkapitalisierung von 28,5 Mrd. Euro und knapp 180.000 Mitarbeitern weltweit, macht mittlerweile 36 Prozent seines Umsatzes im Digital-Bereich, aber Sorrell würde diesen Anteil gerne auf 40 bis 45 Prozent pushen – und zwar vor allem deswegen, weil man da Umsatz machen könne, den man vor 15 Jahren noch nicht gemacht hätte. Allein im Datengeschäft verdient WPP mittlerweile 5 Mrd. US-Dollar pro Jahr, Tendenz natürlich steigend.

Die Internet-Werberiesen Google und Facebook hat Sorrell, der 1999 zum Ritter geschlagen wurde, natürlich auf auf dem Plan. Dass Mark Zuckerberg, Larry Page und Sergey Brin noch so große Kontrolle über ihre Unternehmen haben, ringt dem als sehr selbstbewusst geltenden Sorrell Respekt ab – nur so könnten sich diese Unternehmen langfristigen Strategien widmen, anstatt sich von den Shareholdern von Quartal zu Quartal hetzen zu lassen. Weniger angetan ist er von einigen Werbeprodukten. „Facebook muss noch viel Arbeit in sein Videogeschäft stecken, vor allem, was die Viewability angeht“, so Sorrell. „Die Standards für die Messung von TV-Spots sind viel strenger als jene für Online-Video.“ Er spielt auf den Umstand an, dass bei Facebook ein View bereits dann gezählt (und dem Werber verrechnet) wird, wenn ein Spot lediglich drei Sekunden gesehen wurde.

Oettinger und seine Sager

Ebenfalls auf die dmexco geschafft hat es der oft kritisierte EU-Digitalkommissar Günther Oettinger aus Deutschland, der die Gelegenheit wieder dazu nutzte, seine Bestrebungen zur Schaffung eines einheitlichen digitalen Binnenmarktes in der EU zu propagieren – „von Portugal bis Lettland“ sollen gleiche Regeln gelten, damit man mit den Amerikanern, Südkoreanern und bald auch Chinesen endlich Schritt halten könne.

Den Generationenwechsel, der durch die Digitalisierung stattfindet und für eine Datenexplosion sorgt, die man mit entsprechender Infrastruktur erst mal bewältigen müsse, beschreibt Oettinger in eigenwilligen Worten dann so: „Wenn der Opa mit 92 Jahren nach einem schönen Leben in die Grube fällt, dann kaufen sich die Enkel am nächsten Tag nach dem Trauern drei iPhones mit Telekom-Vertrag. Da steigt der Datenverbrauch von 0 auf drei Mal hundert Prozent.“

„Legacy“ und Provokation

Dass auf der dmexco alle Zeichen auf Digital-Sturm stehen, ist keine große Überraschung. Nicht zu vergessen ist dabei aber auch das Wörtchen „Legacy“, mit dem man höflich die veralteten IT-Systeme (vor allem europäischer Firmen) umschreibt. Wie eine Studie von Analysten von Pierre Audoin Consultants (PAC) im Auftrag von Adobe zeigt, sind die Daten von Kunden europäischer Firmen im Schnitt in 4,5 verschiedenen Datenbanken gespeichert – ganz im Gegensatz zu Facebook oder Google, wo alle Daten eines Nutzer schön sorgfältig in einem Profil zusammengeführt werden (z.B. auch zwischen Instagram und Facebook). Das hindert viele in Folge, personalisiertes Marketing und Kundenservice zu betreiben, weil die Daten nicht zusammengeführt wurden und die eine Abteilung nicht weiß, was die andere an Informationen hat.

Das nicht alles rund mit der Online-Werbung läuft, zeigt wieder einmal die Kölner Firma Eyeo, die mit ihrem Werbeblocker Adblock Plus seit einigen Jahren große Unruhe in die Werbe- und Medienbranche im deutschsprachigen Raum gebracht hat (bis hinein in den Gerichtssaal). Frech wie immer, verteilt man auf der dmexco ein Pixibuch, in dem in sarkastischer Art und Weise „gute“ von „schlechter“ Internet-Werbung unterschieden wird (so nach dem Motto „Pop-up böse, Native Ad gut“). Adblocker kosten einer Studie von PageFair und Adbob zufolge Publishern weltweit 22 Mrd. US-Dollar an Werbeumsätzen pro Jahr.

Anmerkung: Die Kosten der Pressereise von TrendingTopics.at zur dmexco in Köln wurden von Adobe übernommen. Ein Verpflichtung zur Berichterstattung über Adobe besteht natürlich keine.

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