Analyse

Wie das Startup-Rekordjahr große Defizite im Ökosystem aufzeigt

Das Auge des Dollars. © Thought Catalog on Unsplash
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Ein kleines Land mit knapp neun Millionen Einwohnern, das stark auf Innovation setzt, für die Finanzierung dieser aber in eine große Abhängigkeit der USA geraten ist. Nein, die Rede ist diesmal nicht von Israel, sondern von Österreich. In unserem großen Jahresrückblick haben wir uns angesehen, wie viele Geld im Jahr 2020 in heimische Startups geflossen ist und woher dieses Geld kommt (hier geht es zum großen Jahresrückblick).

Ganz genau kann man es noch nicht sagen, weil einige Finanzierungsrunden noch geschlossen und bekannt gemacht werden und viele andere Corona-bedingt lieber geheim gehalten werden (Downrounds etc.). Doch aus heutiger Sicht lässt sich ziemlich sicher festhalten: 2020 wurden mindestens 220 Millionen Euro in heimische Startups investiert, und etwa 60 Millionen Euro davon kommen von heimischen Investoren – und da sind öffentliche Player, die sich teilweise über Steuern finanzieren, schon mit eingerechnet (nicht aber Corona-Hilfen wie Zuschüsse aus dem Startup-Hilfsfonds).

So viel Geld haben Österreichs Investoren 2020 auf Startups gesetzt

Heimische Risikokapitalgeber stemmen also nur etwa knapp 30 Prozent der Investitionssummen, der große Rest kommt entweder vom Staat oder aus dem Ausland. Und wer Ausland sagt, der sagt 2020 nicht mehr Deutschland, sondern USA. Sieht man sich die Top 3 Finanzierungsrunden des Jahres an (Bitpanda, PlanRadar und Adverity), dann bemerkt man, dass die Lead-Investoren (also die, die am meisten zahlen und die Strategie wesentlich mitbestimmen) allesamt aus den USA kommen. Erst bei kleineren Runden zwischen fünf und 15 Millionen Euro gehen europäische Kapitalgeber in den Lead.

„Es wurde auch deshalb so viel investiert, weil die großen US-VCs vermehrt nach Europa kommen“, so etwa Business Angel Hansi Hansmann.

Die Top 10 für das Jahr 2020:

Startup Investment Vertical Lead-Investor
Bitpanda 44,6 Mio. Euro Crypto/Neobroker Valar Ventures (US)
PlanRadar 30 Mio. Euro PropTech Insight Partners (US)
Adverity 27,7 Mio. Euro AdTech Sapphire Ventures (US)
Refurbed 15,6 Mio. Euro Marketplace Evli Growth Partners (FIN)
goStudent 13,3 Mio. Euro EduTech Left Lane Capital (US)
OncoOne 13 Mio. Euro Life Sciences FFG, aws (AT)
Anyline 10,8 Mio. Euro OCR Project A (DE)
kompany 6 Mio. Euro RegTech Fairway Global Investment (SUI)
byrd 5 Mio. Euro Logistics Rider Global (CYP)
ready2order 5 Mio. Euro FinTech Reimann Investors (DE)

Die Top 10 für das Jahr 2019:

Firma Investment Vertical Lead-Investor
Themis Bioscience 40 Mio. Euro BioTech Hadean Ventures (NOR)
Farallon Capital (USA)
Piano Media ca. 20 Mio. Euro Media Tech Updata Partners (USA)
Adverity 11 Mio. Euro AdTech Mangrove Capital (LUX)
USound 8,9 Mio. Euro Audio eQventure (AT)
Findologic ca. 6 Mio. Euro eCommerce BE Beteiligungen Fonds (DE)
SteadySense ca. 6 Mio. Euro HealthTech eQventure (AT)
cashpresso > 5 Mio. Euro Fintech Volkswagen Bank (DE)
kompany > 5 Mio. Euro RegTech Uniqa, RBI, ESAC (AT)
bsurance 4 Mio. Euro InsurTech Uniqa Ventures, Signa Innovations (AT)
Holo-Light 4 Mio. Euro AR EnBW New Ventures GmbH, Bayern Kapital GmbH (DE)

Auch 2019 waren es bereits die US-Amerikaner, die bei den großen Runden mitgemischt haben, aber 2020 hat sich das noch deutlicher ausgeprägt. Auch auf europäischer Ebene zeichnet sich dieser Trend ab. Je größer die Runde, desto mehr Geld kommt aus den USA – das zeigt auch der aktuelle „State of European Tech“-Report des skandinavischen VCs Atomico. Bei den Runden größer als 100 Millionen Dollar sind es US-Fonds, die das meiste Kapital stemmen – die heimischen bzw. europäischen schauen dann nur mehr aus der zweiten Reihe zu.

Je größer die Runde, desto mehr USA

© Atomico/Dealroom
© Atomico/Dealroom

Es sind mittlerweile etwa 20 Prozent der Finanzierungsrunden, die aus den USA kommen, aus Asien kommt etwa sechs Prozent des Geldes. Das ist ein Anstieg gegenüber von 2019, den man so oder so lesen kann. Ja, europäische Startups, Scale-ups und Unicorns werden bei internationalen Investoren immer beliebter und sind wahrscheinlich auch noch zu moderateren Bewertungen als im Silicon Valley zu haben.

Aber auch: Trotz großer Ambitionen und jahrelang wiederholter Bekenntnisse der Politik zu mehr Innovation schafft es Europa nicht, die Finanzierungsrunden selbst zu stemmen. Und wohlgemerkt: Der EU-Binnenmarkt ist immer noch der größte gemeinsame Wirtschaftsraum der Welt. Am österreichischen Startup-Markt merkt man das nun 2020 besonders stark. US-Geldgeber kaufen sich groß in die vielversprechendsten Startups ein, heimische Investoren spielen dort kaum eine Rolle mehr.

Echte Anreize statt schneller Hilfsgelder

Während Business Angels seit vielen Jahren erfolglos Investitionsanreize fordern (mehr dazu hier), brauchte es eine weltweite Pandemie, um endlich Geld für Startups locker zu machen. Der COVID-Startup-Hilfsfonds mit 50 Millionen Euro löste mindestens 50 Millionen Euro privater Investitionen in kürzester Zeit aus und ist einer der Highlights des Jahres – da sind sich im Startup-Sektor alle so einig, dass bereits eine Neuauflage mit 150 weiteren Millionen gefordert wird.

„Wir haben dieses Jahr einen kleinen Ausblick erhalten, was möglich ist, wenn wir ein Investment-freundliches Umfeld schaffen würden. Steuerfreibetrag, Dachfonds, Mitarbeiterbeteiligung – Maßnahmen die von der Community bereits ausgearbeitet und jahrelang propagiert wurden, liegen in der Schublade der politischen Verantwortlichen und könnten den Aufwärtstrend weiter befeuern“, sagt etwa Stefan Haubner von Apex Ventures.

„Wenig Bewegung“

Der Startup-Hilfsfonds ist eine gute Maßnahme, doch wie der Name schon sagt, auch nur eine Notlösung in der Krise. „Ich sehe hier seitens der Regierung weiterhin wenig Bewegung in das Ökosystem von Startup-Investments zu investieren“, so Markus Kainz von PrimeCrowd. „Der Fonds hilft kurzfristig ein paar Startups zu finanzieren, jedoch braucht es Maßnahmen, welche die Leute intensivieren mehr in Startups zu investieren. Deutschland mit der Risikokapitalprämie, oder Großbritannien mit einem Steuerfreibetrag für Startup-Investments hätten die beiden Länder an die europäische Spitze katapultiert. Kainz: „Ohne diese Basis und Unterstützung der Regierung wird sich das Investmentverhalten nicht stark ändern und Österreich weiterhin abrutschen befürchte ich.“

Immerhin findet derzeit ein neuer Anlauf statt, um die Politik von einem Steuerfreibetrag für Investitionen in Startups zu überzeugen. Berechnungen zufolge könnte das für Gesamtinvestments von bis zu 384 Millionen Euro in heimische Unternehmen sorgen.

Steuerfreibetrag für Investitionen könnte sich nach 7 Jahren für Österreich auszahlen

…aber wo investieren?

Und dann ist da natürlich noch ein wichtiger Punkt. Österreich und seine Hauptstadt Wien haben es trotz vieler Beteuerungen nicht geschafft, als guter Standort für Gründer wahrgenommen zu werden. London, Stockholm, Berlin, Barcelona, Zürich, Paris, Amsterdam – dort spielt die Musik, pardon, die Startup-Szene. Auch wenn es in Österreich vermehrte Initiativen gibt (Spin-off Austria, Austria, TU Oberösterreich, „Entrepreneur Week“ von AustrianStartups an Schulen), um junge Menschen fürs Gründen zu begeistern und ihnen das nötige Know-how auf den Weg zu geben – die Effekte davon wird man erst in einigen Jahren am Markt zu sehen und spüren bekommen.

Das hat dieses Jahr etwa auch zur Folge, dass der bisherige Spitzenreiter bei heimischen Startup-Investments, eQventure, 2020 deutlich weniger in Österreich investiert hat als bisher. Herbert Gartner bringt das Nachwuchsproblem so auf den Punkt: „Gäbe es genug innovative Projekte mit guten Teams, würden wir wesentlich mehr investieren. Venture Capital ist heute in Österreich nicht mehr der limitierende Faktor, sondern gute Projekte.“

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