Dominic Price: „Arbeitnehmer müssen die Wahl haben, dort zu arbeiten, wo es für sie am besten ist“
Lockdown zwei hat begonnen und damit wandern die Massen – wo es möglich ist – wieder ins Home Office. Einer Studie von PwC zufolge rechnen Arbeitgeber mit einem Anstieg der Homeoffice-Tage von 2,0 auf durchschnittlich 3,3 Tage pro Woche. Dom Price, Work Futurist bei Atlassian, sagt über eine solche Entwicklung: „Bevor Arbeitgeber überstürzt Büroräume aufgeben, sollten sie sorgfältig darüber nachdenken, wie sie erwarten, dass ihre Teams in Zukunft arbeiten werden. Die Arbeitnehmer müssen die Wahl haben, dort zu arbeiten, wo es für sie am besten ist – ob von zu Hause, im Büro oder einer Kombination aus beidem.“
Atlassian ist einer der führenden Anbieter von Entwicklertools für agiles Projektmanagement mit rund 171.000 Kunden weltweit. Bei vielen Unternehmen liege die Überlegung nahe, „einfach komplett auf Büroräume zu verzichten“ – und dadurch natürlich Miete einzusparen. Der Studie von PwC (PriceWaterHouseCoopers), eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, könnte sich dieser Gedankengang letztlich tatsächlich rechnen – selbst, wenn die Unternehmen Hard- und Software für das Home Office anschaffen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür eigens schulen.
Price: „Müssen unsere Standards ablösen“
Dann wären wir bei einer kompletten Umstellung auf das Home Office, das herkömmliche Büro fällt aus der Rechnung. Genau das sieht Dom Price aber als Gefahr: „Um Future of Work zu leben, müssen wir unsere bisherigen Standards ablösen – denken wir einige Jahrzehnte zurück, war die 6-Tage-Woche noch Gang und Gebe. Unsere heutige 5-Tage-Woche hat sich erst nach einem langwierigen Prozess bei Unternehmen und Politik durchgesetzt. Was dieses Beispiel aber verdeutlicht ist: Um tatsächlich das Arbeiten der Zukunft zu leben und im Unternehmen zu implementieren, reicht die Anschaffung von geeigneter Software nicht aus. Es braucht eine Veränderung der Unternehmens-DNA. Nur, wenn wir eine Veränderung in unserer Unternehmenskultur zulassen, können sich auch neue Arbeitsmodelle entwickeln. Doch neue Arbeitsmodelle im Sinne der ‚Future of Work‘ bedeuten nicht zwangsläufig, dass Mitarbeiter ausschließlich aus dem Homeoffice arbeiten sollen und müssen“.
Individuelle Anpassungsprobleme
Vielmehr reagiere jeder Mensch „sehr individuell“ auf die doch ungewohnte, weil neue Arbeitssituation. Price: „Die einen blühen auf, fühlen sich produktiver, freuen sich über mehr Freizeit durch ausbleibende Pendelwege und arbeiten autonomer als zuvor. Andere hingegen empfinden es als Belastung, in den eigenen vier Wänden zu arbeiten und schaffen es kaum, eine Trennlinie zwischen Berufs- und Privatleben zu ziehen“.
Das bedeute auch, dass das Thema differenzierter angegangen werden muss. Price: „Statt künftig ganz auf Büroräume verzichten zu wollen, sollten sie lieber eine neue Funktion als Kollaborationsplatz zugeschrieben bekommen. Unternehmen sollten ihren Mitarbeitern die Möglichkeit geben, zu wählen, wo sie arbeiten möchten, und gleichzeitig anerkennen, dass jeder Arbeitsstil – sei es in der Ferne, im Büro oder in einer Kombination aus beidem – unterschiedliche Methoden erfordert, die das gesamte Team übernehmen muss“.
Corona-Krise als Blaupause
In einer eigenen Studie von Atlassian habe sich zudem herauskristallisiert, dass sich „vor allem deutsche Beschäftigte auch im Home-Office nach mehr Führung zu sehnen scheinen“: 32 Prozent gaben an, dass sie sich nicht bereit fühlen, dauerhaft von zu Hause aus zu arbeiten. Price: „Das liegt unter anderem daran, dass sie sich mehr Klarheit und Anleitung bei der Erledigung ihrer täglichen Aufgaben wünschen, wenn sie remote arbeiten. Wir erkennen daraus etwas, das wir bei Atlassian schon seit Langem leben: Unternehmen müssen für größtmögliche Transparenz ihrer internen Prozesse sorgen und ihren Mitarbeitern eine bessere Art der Zusammenarbeit bieten.
Und weiter: „Neue Arbeitsweisen erfordern eine neue Arbeitskultur. Die Fernarbeit während der Corona-Krise kann hier als Blaupause dienen, wie sich Teams selbst über große Distanzen organisieren können. Die Situation hat selbst in eher konservativen Unternehmen ein Umdenken bewirkt und gezeigt, dass anderes und oftmals weniger hierarchisches Arbeiten möglich ist“.
Dominic Price, geboren 1977 in Manchester, arbeitet als „Work Futurist“ bei Atlassian. Seine Aufgabe besteht darin, Kunden bei der Umsetzung von Transformation, Agilität und der Zukunft des Arbeitsplatzes zu helfen.
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