Vandalen, Unit Economics & Konkurrenz: Womit E-Scooter-Startups kämpfen müssen
Sie haben Städte in den USA und Europa geflutet, für viel Begeisterung und einige Kritik gesorgt – und sie haben Startups da wie dort insgesamt mehr als 1,7 Milliarden Dollar Investments gebracht. Während täglich weltweit hunderttausende Menschen einen E-Scooter per App leihen, um kurze Strecken zurückzulegen, ist es bei anderen zu einer Art Sport geworden, die Roller zu zerstören und davon auch noch Videos ins Netz zu stellen. Mittlerweile sammelt ein Instagram-Account die Clips und Fotos, die die zerstörerischen Aktionen gegen Bird, Lime und Co dokumentieren.
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Die Zerstöraktionen werden die Betreiber der Scooter-Flotten natürlich nicht gerne sehen. Denn die Elektroroller sind klarerweise die potenziellen Geldmaschinen, die den Startups und ihren Investoren das Kapital zurückspielen müssen, das investiert wurde. Bis 2025 soll der Markt für E-Scooter-Sharing weltweit auf mehr als 40 Milliarden Dollar anwachsen. Dementsprechend tobt derzeit ein Kampf um die Kundschaft.
Konsolidierung in einem Milliarden-Markt
Denn klar ist auch: Am Ende werden nicht alle Startups überbleiben. Alleine in Wien gibt es sechs Anbieter, und viele Konsumenten wünschen sich bereits, dass sie eine App für die Leihe haben und nicht sechs verschiedene. In den USA und in Mittelamerika gibt es bereits Anzeichen einer Marktkonsolidierung: Bird hat den Mitbewerber Scoot Networks im Juni gekauft, und Grin aus Mexiko und Yellow aus Brasilien haben sich zu Grow Mobility zusammen geschlossen.
Zudem kombinieren Mobilitätsunternehmen und Autohersteller ihre Angebote mit E-Scooter-Diensten. In den USA hat Ford den Anbieter Spin gekauft, Uber hat Jump übernommen, und in Europa hat das Mobility-Joint-Venture von BMW und Daimler hive auf die Straße gebracht. Bird sucht Marktgerüchten zufolge weitere 300 Millionen Dollar, um mit dem Erzrivalen Lime Schritt halten zu können.
HQ | Funding | Investors | |
Lime | San Francisco | 765 Mio. $ | Google, Bain Capital, Andreessen Horowitz, Fidelity Ventures u.a. |
Bird | Santa Monica | 415 Mio. $ | Sequoia, Accel, Valor Equity u.a. |
Grow Mobility | Mexico City | 150 Mio. $ | k.A. |
Skip | San Francisco | 131 Mio. $ | Accel, A. Capital Ventures, Initialized Capital u.a. |
Voi | Stockholm | 83 Mio. $ | Balderton Capital, Raine Ventures |
Wind Mobility | Berlin | 72 Mio. $ | Source Code Capital, HV Holtzbrinck |
dott | Amsterdam | 57 Mio. $ | Naspers, EQT Ventures, Axel Springer Digital Ventures u.a. |
Circ (Ex-Flash) | Berlin | 55 Mio. $ | Target Global, Idinvest, signals Venture Capital |
Tier Mobility | Berlin | 32 Mio. $ | Northzone, Speedinvest, Point Nine, Market One, Kibo Ventures u.a. |
Die Unit Economics
Essenziell für das Fortbestehen von E-Scooter-Anbietern sind die so genannten „Unit Economics“. Dabei geht es darum, wie viel Geld ein Elektroroller pro Fahrt abwirft und wie lange er fahrtüchtig ist. Der Vorreiter Bird ist genau deswegen in die Schlagzeilen geraten. Denn einem Bericht von The Information zufolge musste das Startup aus Santa Monica im ersten Quartal 2019 satte 100 Millionen Dollar abschreiben – und zwar wegen veralteten Rollern, die man von der Straße nehmen musste.
Kein Wunder, dass auch andere Startups wie Tier Mobility neue, robustere Modelle auf den Markt bringen wollen. Denn laut einer Analyse der Boston Consulting Group müssen die Roller fast vier Monate auf der Straße durchhalten, um Profite für die Betreiber abwerfen zu können. BCG rechnet dabei mit fünf Fahrten pro Scooter pro Tag, pro Fahrt bleiben 65 Cent über. Bei einem Einkaufspreis von im Schnitt 375 Dollar muss ein Scooter 115 Tage in Betrieb sein, um seine Anschaffungskosten wieder herein gespielt zu haben.
Bird-CEO Travis VanderZanden meldete sich nach dem Bericht von The Information zu Wort und gab Einblicke in das Geschäft. Man hätte mittlerweile rund 75 Prozent der Flotte auf die neueren, stabileren und leistungsfähigeren „Zero“-Modelle umgerüstet – und diese würden pro Fahrt mittlerweile 1,27 Dollar abwerfen, und zwar nach Abzug der Kosten fürs Aufladen, Reparaturen und Personal. Bird würde pro Fahrt sogar mehr verdienen als die Fahrtvermittler Uber und Lyft.
Neue Regeln am Horizont
Insgesamt, so eine Analyse der Boston Consulting Group vom Mai 2019, ist das Geschäft der Scooter-Startups aber noch sehr schwierig. Neben den Unit Economics müssen die Betreiber sich mit einer intensivierten Konkurrenz sowie mit kommenden Regulierungen auseinander setzen.
Weil es in den letzten Monaten vermehrt zu (teilweise tödlichen) Unfällen mit E-Scootern gekommen ist, wird das Technische Komitee der internationalen elektrotechnischen Standardisierungsorganisation IEC einheitliche Normen für E-Scooter, Monowheels und Segways entwickeln. So sollen etwa die Höchstgeschwindigkeiten (z.B. auch angepasst an das Körpergewicht des Fahrers) und Mindeststandards (z.B. Licht, Klingel, Bremsen) definiert werden.
Und: Vor allem in europäischen Städten gibt es immer mehr Politiker, die die E-Scooter strenger regulieren wollen – etwa in Paris, Stockholm oder Prag. Auch in Wien wird die Situation derzeit evaluiert. Die Folge könnten strengere Regeln (etwa ein Parkverbot auf Gehsteigen) sein.