Ein Fünftel weniger Rindfleisch könnte die weltweite Entwaldung halbieren
Ein zartes Rinderfilet vom brasilianischen Angus Rind umrahmt von knackigen Grünen Bohnen und geschmackvollen Kartoffeln – bei einigen Menschen läuft bei dieser Beschreibung sicher das Wasser im Mund bereits zusammen. Aber der hohe Konsum von Rindfleisch bleibt nicht ohne Folgen. Eine davon ist die Entwaldung des Planeten. Wie eine neue Analyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) allerdings aktuell aufzeigt, kann dieser durch eine nur verhältnismäßig geringe Reduktion des Rindfleischkonsums entschieden entgegengetreten werden.
1/5 weniger Rindfleisch = weniger als die 1/2 Entwaldung
Wenn bis 2050 zwanzig Prozent des Pro-Kopf-Rindfleischkonsums durch Fleischalternativen aus mikrobiellem Protein ersetzt würde, könnte das die weltweite Entwaldung halbieren, gibt das PIK nun Anfang Mai bekannt. Wie die Forschenden angeben, haben diese erstmalig das Potenzial dieser bereits marktreifen Fleischalternative untersucht. Mit dem Punkt der Marktreife unterscheiden sich diese aus Pilzkulturen durch Fermentierung produzierten Fleischersatzprodukte beispielsweise von den viel diskutierten In-vitro-Fleischprodukten.
„Die Produktion und der Konsum von Nahrungsmitteln machen ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen aus, wobei die Produktion von Rindfleisch die größte Einzelquelle ist“, sagt Florian Humpenöder, Forscher am PIK und Hauptautor der Studie. Und weiter: „Würde man Wiederkäuerfleisch, also vor allem Rind-, aber auch Schaf- und Ziegenfleisch durch mikrobielles Protein ersetzen, könnte man die künftigen Umweltschäden durch das Ernährungssystem erheblich verringern“, sagt Humpenöder.
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Pilze statt Rindfleisch
Für ihre Studie hat das Forschungsteam aus Deutschland und der Schweiz mittels einer Computersimulation Szenarien bis zum Jahr 2050 erstellt. In diesen stellten sie das mikrobielle Protein in den Kontext des gesamten Agrar- und Ernährungssystems, um die Auswirkungen auf die Umwelt zu ermitteln. So wurden Faktoren wie das künftige Bevölkerungswachstums, die Nahrungsmittelnachfrage, die Ernährungsgewohnheiten und die Dynamiken der Landnutzung und der Landwirtschaft berücksichtigt. In ihrer Studie gehen die Forschenden davon aus, dass der Fleischkonsum, und damit auch der von Rindfleisch, weiter zunimmt.
„Wir haben herausgefunden, dass sich die jährliche Entwaldung und die CO2-Emissionen durch die Ausweitung von Acker- und Weideland im Vergleich zu einem Weiter-So-Szenario halbieren würden, wenn wir bis 2050 20 Prozent des Pro-Kopf-Konsums von Rindfleisch ersetzen würden. Weniger Rinder bedeuten weniger Bedarf an Futter- und Weideflächen und daher weniger Entwaldung. Das reduziert auch die Methanemissionen aus dem Pansen von Rindern und die Lachgasemissionen aus der Düngung von Futtermitteln oder der Güllewirtschaft“, sagt Humpenöder. Laut dem Forschenden wäre der Ersatz von Hackfleisch durch mikrobielles Protein ein „guter Anfang“, um auch die Umweltschäden der heutigen Rindfleischproduktion zu verringern.
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Entkopplung von landwirtschaftlicher Produktion möglich
Ähnlich wie Bier und Brot wird auch mikrobielles Protein in speziellen Kulturen hergestellt. Dafür brauchen die Mikroben Zucker und eine konstante Temperatur. Aber selbst durch den dafür benötigten Anbau des Zuckers schneidet das Fleisch auf Basis von Pilzkulturen deutlich besser ab als das Original. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Herstellung von mikrobiellem Protein viel weniger landwirtschaftliche Fläche erfordert als die gleiche Menge Protein aus Fleisch – sogar, wenn man den Anbau des Zuckers einrechnet, den die Mikroben benötigen“, so Isabelle Weindl, Mitautorin und ebenfalls Forscherin am PIK. Zudem weist sie darauf hin, dass es von den Produkten, etwa in Großbritannien und der Schweiz, bereits eine große Auswahl gebe. Ein weiterer Vorteil sei laut den Forschenden: Die Herstellung könne weitgehend von der landwirtschaftlichen Produktion entkoppelt werden.
Energiequelle entscheidend
Neben der Zuckerzufuhr brauchen die Mikroben für den Fermentationsprozess aber auch konstante Temperaturen. Das bringt wieder die Frage nach der Menge und der Quelle der verwendeten Energie auf. Das ist auch den Autor:innen der Studie bewusst. „Die Verlagerung vom Tier zum Fermentations-Tank [bringt] weitere Fragen mit sich – allen voran die Energieversorgung für den Produktionsprozess“, so auch Alexander Popp, ebenfalls Mitautor und Leiter der Forschungsgruppe Landnutzungs-Management am PIK. Daher müsse eine „großangelegte Umstellung“ auf Biotech-Lebensmittel mit einer klimafreundlichen Stromerzeugung einhergehen. Wenn diese Rahmenbedingung gegeben ist, kann das „Klimaschutzpotenzial voll wirken“, ist sich der Forschende sicher.
Erschienen ist die Studie im Fachblatt Nature.