Ausblick

„Einige prominente Startups werden es nicht schaffen“

Geld verbrennen ist aus der Mode gekommen. © Jp Valery on Unsplash
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„Am dunkelsten ist die Nacht vor der Dämmerung“. Diesen Satz kann man aktuell als Sinnbild dessen nehmen, wo die österreichische oder auch europäische Startup-Branche steht. 2022 hat Downrounds, Massenkündigungen, Insolvenzen gebracht, Ukrainekrieg, Zinswende und Energiekrise haben die Stimmung nach dem Rekordjahr 2021 massiv gedreht. Zwar ist 2022 mit nur 85 Milliarden in europäische Tech-Firmen investierte Dollar US-Dollar (2021: über 100 Mrd. Dollar) ganz gut weggekommen, doch 2023 wird aller Voraussicht nach wirklich schwierig. Bevor es wieder heller wird, wird es noch dunkler.

Wirklich, werden manche sagen? Wieso denn? Dem „State of European Tech Report“ zufolge liegen doch satte 84 Milliarden Dollar in den Fonds von VCs und Growth-Investoren, die in den letzten Jahren sehr viel Geld eingesammelt haben. Das müsste doch alsbald investiert werden. Wie berichtet gehört etwa Speedinvest zu den europäischen Top-VCs und hat frische 500 Millionen Euro im Topf. Rein rechnerisch könnten CEO Oliver Holle und sein Team wöchentlich 3,3 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren investieren.

Scale-ups besonders schwer betroffen

Leider ist die Sache nicht so einfach. Im Gegenteil. „Wir sind erst am Anfang der Durchhängephase, es wird sicher noch ein halbes Jahr oder länger dauern. Das Geld sitzt derzeit wirklich auf der Bank. Wer nicht muss, der geht derzeit nicht auf Fundraising. Es warten viele ab, wo die Preise wirklich landen werden, wer noch wirklich gute Zahlen schreiben kann. Wenige werden viel Geld bekommen, und ganz viele werden gar kein Geld bekommen. Und das ist sehr sehr heikel gerade für Startups, die in Berlin, London oder Paris nicht bestens vernetzt sind“, sagt Holle im Interview mit Trending Topics.

Besonders betroffen sind Startups, die derzeit eine Series A oder eine Series B raisen müssen. Das sind also Firmen, die in der nächsten Finanzierungsrunde, 10, 20, vielleicht sogar 50 Millionen Euro aufnehmen müssen. War das in den letzten Jahren verhältnismäßig einfach, sind solche Runden seit der zweiten Jahreshälfte 2022 sehr rar geworden, weil der Selektionsdruck viel höher geworden ist. Investor:innen wollen keine Wachstumsphantasien, sondern absehbare Profitabilität.

Aktuell sieht man am Beispiel GoStudent, wie hart die Realität zuschlagen kann. Anfang 2022 noch mit 3 Milliarden Euro bewertet, musste das Nachhilfe-Unicorn im September 2022 etwa 10 Prozent (200 Stellen) der Belegschaft abbauen, heute berichtet die Gewerkschaft von weiteren 200 Gekündigten alleine in Österreich – europaweit sollen es bis zu 600 Stellen sein (mehr dazu hier). Anfang Dezember hingegen war offenbar noch Geld da, um die deutsche Firma Studienkreis zuzukaufen (mehr dazu hier). Hier zeigt sich, wie Wachstums- und Profitabilitätsstreben gleichermaßen von Gründer:innen einen unmöglichen Spagat verlangen.

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„Einige prominente Startups werden es nicht schaffen“

„Ich rechne damit, dass es einige prominente Startups es nicht schaffen werden, ich rechne mit mehr Konsolidierung, Mergers und Acquisitions. Das ist ein natürlicher Prozess, da wird kein Weg daran vorbeiführen“, sagt Holle. Auch Matthias Heimbeck, Gründer und CEO von Findologic, der sein Startup erst kürzlich an Nosto aus Finnland verkauft hat, sieht das so. Er habe an Nosto verkauft, um mit dem neuen Eigentümer den eigenen Markt (es geht um Personalisierung im E-Commerce) zu konsolidieren.

„Es gibt jetzt riesige Marktchancen, das zu konsolidieren“, sagt Heimbeck im Interview mit Trending Topics. „Prinzipiell ist der Markt gleich spannend wie zuvor, nur findet ein Paradigmenwechsel statt. Von reinem Geldverbrennen und Wachstum auf Profitabilität umzuschalten, bedeutet ja nicht nur, einen Businessplan abzuändern, sondern eine komplette Unternehmenskultur, eine Mentalität zu ändern. Die, die das schaffen, die werden sehr erfolgreich sein in den nächsten Jahren. An den Grundbedürfnissen der Menschen hat sich ja nichts geändert.“

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Profitabilität > Wachstum

Wenn also nur eher frühphasige Startups (z.B. vom Speedinvest-Fonds) und (bald) profitable Scale-ups noch Chancen auf Investments haben – worauf schauen Investor:innen nun in den nächsten Monaten und Jahren konkret? „Der Weg zur Rentabilität ist stärker in den Mittelpunkt gerückt, und es sieht so aus, als hätten sich die Investor:innen von der langjährigen Vorliebe des Marktes für Appetit auf Wachstum um jeden Preis hin zu profitablem Wachstum. Erträge und Cashflow scheinen jetzt für viele Investor:innen ebenso wichtig zu sein wie ARR, Umsatz und Wachstum“, heißt es im „State of European Tech Report“.

Was Europa schmerzhaft trifft, ist, dass große US-Investoren mit Beginn des Ukrainekriegs ihr „Geld vom Tisch genommen haben“, wie Holle sagt. Das sei aber nur eine vorübergehende Phase. „So schnell wie die weg waren, werden die wieder da sein. Wir müssen konsequent beweisen, dass man aus Europa große Firmen bauen kann. Dieses Jahr und nächstes Jahr ist eine Sondersituation, aber langfristig werden sie Kapital nach Europa reallokieren, weil es einfach Sinn macht. Europa ist und bleibt ein hochattraktiver Markt für Innovation.“

Speedinvest 4: 500. Millionen. Euro.

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