SPÖ-Abgeordnete Elisabeth Hakel: „Für uns sind Start-ups Unternehmen, die maximal drei Jahre alt sind“
Elisabeth Hakel ist seit kurzem zusätzlich zu ihrer Funktion als SPÖ-Kultursprecherin auch die Start-up-Beauftragte der SPÖ. Sie hat das Start-up-Paket, das im Ministerrat beschlossen wurde (TrendingTopics.at berichtete), maßgeblich mitgestaltet. Doch noch müssen die Förderungen im Rahmen von 185 Millionen Euro im Nationalrat abgesegnet werden, damit es am 1. Jänner 2017 in Kraft treten kann. Über die Sommerpause müssen sich SPÖ und ÖVP außerdem noch in einem essenziellen Punkt einig werden: Wie wird „Start-up“ definiert? Die SPÖ will eine Definition, nach der Start-ups maximal drei Jahre alt sein dürfen, die ÖVP will sieben Jahre.
Sie waren maßgeblich am Schnüren des Start-up-Pakets der Bundesregierung beteiligt. Es wurde angekündigt, aber noch nicht im Parlament abgesegnet. Wann wird das passieren?
Elisabeth Hakel: Es wurde im letzten Ministerrat vor der Sommerpause präsentiert, aber voraussichtlich wird es im Oktober ins Parlament kommen. Es muss natürlich noch durch den parlamentarischen Prozess. Es ist ja Teil eines großen Pakets für KMU und EPU, das dann jedenfalls mit 1. Jänner 2017 in Kraft treten sollte.
Rechnen sie damit, dass es neben den Stimmen der Regierungsparteien auch Stimmen der Opposition bekommt?
Ich kann nicht sagen, wie die anderen Parteien stimmen werden. Ich kenne nur die Reaktion vom NEOS-Abgeordneten Niko Alm, dem das Paket sehr gut gefällt. Von den anderen Parteien habe ich noch nichts mitbekommen. Auf Regierungsebene sind wir immer noch dabei, einige Details auszuverhandeln und den bestmöglichen Kompromiss zu finden. Es hängt noch ein wenig an der Definition von Start-ups.
Das ist kein unwesentliches Detail, weil diese Definition über Förderungen entscheidet. Welche Definition wollen Sie?
Für uns sind Start-ups sehr junge Unternehmen im Innovations- und Digitalbereich, die schnell viele Mitarbeiter anstellen, wo die Skalierbarkeit sehr groß ist und maximal drei Jahre alt sind. Noch spießt es sich an der Frage, wie alt ein Start-up sein darf. Die ÖVP will sieben Jahre, aber das ist für mich kein Start-up mehr, das ist dann ein KMU. Runtastic, hat zum Beispiel schon den Exit geschafft, oder Shpock sind keine Start-ups mehr, die die Unterstützung des Staats brauchen. Die Regierungsparteien verhandeln das Alter eines Start-ups jetzt noch. Keine Frage, das auch KMU und EPU Unterstützung brauchen, aber die will ich nicht mit den Start-ups in einen Topf werfen.
Die andere Frage ist, was innovativ ist. Ein junger Tischler könnte mit einem neuen Produkt ja auch innovativ sein.
Natürlich kann ein Tischler auch innovativ sein. Mir geht es aber dezidiert um Jungfirmen, die im Technologie- und Digitalbereich tätig sind. Und die zum Beispiel innerhalb kürzester Zeit mit einem Produkt viele Menschen erreichen können.
Unter Faymann war in der SPÖ eine gewisse Blockade bei Start-up-Themen zu spüren, unter Kern rennt die Branche plötzlich offene Türen ein. Warum der Sinneswandel?
Es hat nicht in der gesamten SPÖ immer so ausgeschaut, es war halt nie Chefsache. Unter Faymann waren die Schwerpunkte anders gesetzt, aber die SPÖ, im Speziellen ich, hat sich sehr wohl mit dem Thema beschäftigt. Ich habe gesehen, mit welchen Herausforderungen Start-ups kämpfen, und deswegen trete ich für bessere Rahmenbedingungen ein. Schon bevor Kern gekommen ist, haben wir eine Enquete im Parlament geplant. Auch unser Klubobmann Schieder steht hinter dem Thema. Aber stimmt, als Christian Kern kam, hat er es zur Chefsache gemacht.
Schreibt sich da die SPÖ ein hippes Thema auf die Fahnen, um junge Wähler anzusprechen?
Naja, das hätte Faymann ja auch machen können. Christian Kern kommt aus der ÖBB, wo er schon mit Start-ups zusammen gearbeitet hat. Da hat er schon einen ganz anderen Zugang. Wir wollten ursprünglich Werner Faymann aufs Pioneers Festival bringen. Dann ist eine Woche vor dem Pionners Festival Bundeskanzler Kern gekommen, und der hat dann sofort zugesagt. Ihm war dann wichtig, dass die ersten Schritte in dem Thema sehr bald passieren. Mit diesem Paket ist nicht Schluss, wir werden noch weitere Dinge angehen.
Welche Maßnahmen für Start-ups sollen über das vorliegende Paket hinaus getroffen werden?
Mitarbeiterbeteiligungsmodelle, Arbeitszeiten, Startup-Campus, Privatinsolvenzrecht und so weiter. Natürlich muss sich die SPÖ bei bestimmten Themen mehr bewegen, aber bei einigen Punkten werden wir nicht mitgehen können.
Was ist für die SPÖ nicht vorstellbar?
Die Arbeitszeitregelungen zum Beispiel. Ich verstehe schon, dass Start-ups und deren Mitarbeiter am Anfang voll motiviert sind und rund um die Uhr arbeiten möchten. Aber irgendwann einmal ist der Punkt erreicht, wo das nicht mehr der Fall ist, und dann muss man die Arbeitnehmer schützen.
Ein Punkt des Start-up-Pakets ist die Risikokapitalprämie, die vorher unter anderen Namen wie Risikokapitalfreibetrag firmierte und oft als “Gesetz für Reiche” bezeichnet wurde. Wie passt das zur SPÖ?
Wie gesagt gibt es Punkte, wo sich auch die SPÖ bewegen muss, das ist aber ein schwieriges Thema für uns, weil Steuergerechtigkeit wichtig ist.
Mit dem angekündigten Start-up-Visum sollen Ausländer einfacher selbstständig in Österreich arbeiten können, sprich hier eine Firma aufmachen. Warum hat man das nicht auch auf Angestelltenverhältnisse ausgeweitet, damit Start-ups einfacher Fachkräfte aus dem Ausland nach Österreich holen können? Da gäbe es Bedarf, schließlich wurden ja auch Programmierer in die Liste der Mangelberufe aufgenommen.
Das, was möglich war, haben wir getan. Ich empfehle den Start-ups auch einmal, ihren Blick innerhalb der Europäischen Union für topqualifizierte Fachkräfte auszurichten.
Bei der Risikokapitalprämie ist die SPÖ der ÖVP offenbar entgegengekommen. Will die SPÖ im Gegenzug dafür die Maschinensteuer, die Kanzler Kern vehement fordert und die die ÖVP ablehnt?
Nein, Politik ist nicht immer nur Forderung gegen Forderung. Die SPÖ hat ihre Position, die ÖVP hat ihre Position, und dann muss man schauen, wie die zusammen passen. In manchen Bereichen ist das einfacher, in manchen schwerer. Beim Start-up-Paket waren die Meinungen abgesehen von der Definition nah beieinander, und das Grundgerüst steht.
Mit welchen wirtschaftlichen Effekten rechnen Sie durch die Start-up-Förderung?
Es geht jetzt vor allem darum, den Start-ups in Österreich zu helfen und zu schauen, dass sie nicht gleich ins Ausland gehen. In der Vergangenheit war es ja so, dass einige wegen bestimmter Hürden ins Silicon Valley, nach London, nach Tel Aviv oder nach Berlin gegangen sind. Das wollen wir verhindern, sie sollen bei uns bleiben. Florian Gschwandtner von Runtastic, die ja weiterhin ihren Sitz in Österreich haben, meinte zu mir, dass die Bedingungen trotz aller Hürden trotzdem top sind, etwa bei der Ausbildung und bei der Lebensqualität.
Nicht alle sind mit der Ausbildungssituation zufrieden, in anderen Ländern steht etwa das Programmieren auf dem Lehrplan. Wie sehen Sie das?
Ein wichtiger Punkt ist, dass man die Gründermentalität fördern muss. Auch in der Schule muss man auf Entrepreneurship vorbereitet werden, die Selbstständigkeit schmackhaft gemacht werden. Für viele Österreicher geht Sicherheit vor, also eben das fixe Angestelltenverhältnis. Auch das Thema Scheitern muss bearbeitet werden. Das Privatinsolvenzrecht ist Hardcore, wenn man acht Jahre danach nichts mehr verdienen darf. Für einen Gründer, der einmal gescheitert ist, ist das beinhart. Da sind wir uns mit der ÖVP noch nicht einig.
Es ist kein Geheimnis, dass mit Start-ups viel Geld und demnach auch Fördermittel verbrannt werden. Haben Sie Sorge, dass mit den neuen Förderungen letztendlich Steuergelder verschwendet werden?
Nein, da habe ich keine Angst. Ich glaube, dass das Austria Wirtschaftsservice (aws) sehr gut entscheidet, wen sie fördern und wen nicht.
Glauben Sie, dass Start-ups ein Hype sind, über die man in einigen Jahren nicht mehr reden wird?
Ich glaube nicht, dass es ein Hype ist, wir arbeiten längerfristig dahin, dass Österreich ein Gründerland wird. Das Wörtchen Start-up ist für die Community, die damit zu tun hat, ja nicht fremd und gibt es schon seit Jahren. Ich glaube aber nicht, dass die breite Bevölkerung weiß, was ein Start-up ist. Da gilt es noch, das besser zu erklären und zu kommunizieren. Das ist wichtig, damit es keine Enttäuschung gibt, wenn ein KMU dann keine Start-up-Förderung bekommt.