Interview

Elisabeth Hakel: „Wir müssen uns nach Osteuropa öffnen, sonst verlieren wir den Anschluss“

Elisabeth Hakel, Startup-Beauftragte der SPÖ. © Claudio Farkasch
Elisabeth Hakel, Startup-Beauftragte der SPÖ. © Claudio Farkasch
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Auf Berlin verteilen sich über 100 Coworking Spaces. Damit ist Berlin nach London europaweit die Nummer Zwei. Elisabeth Hakel, Startup-Sprecherin der SPÖ reiste diese Woche in die deutsche Hauptstadt, um sich die dortige Szene genauer anzuschauen und Impulse für das kommende Wahlprogramm zu sammeln, das Anfang August präsentiert werden soll. Trending Topics begleitete die Delegation und bat Hakel zum Interview über das Spannungsfeld zwischen lähmenden Neuwahlen und dringend nötigen Reformen.

Trending Topics: Hat Sie die schiere Größe der Berliner Startup-Szene erschlagen, Frau Hakel?

Elisabeth Hakel: Wir wollten die Delegation schon im November auf die Reise nach Berlin schicken. Berlin ist natürlich auf einem anderen Level unterwegs. Das liegt an der multikulturellen Offenheit der Stadt, die Talente aus aller Welt wegen des spannenden Lebensstils, der hier kultiviert wird, und der günstigen Lebenshaltungskosten anzieht. Ich wusste, dass wir sehr viel sehen Neues mitnehmen können und es war unfassbar spannend. Es ging uns darum, dass wir weiterdenken. Die Startup-Pakete können nicht das Ende gewesen sein. Wir müssen uns stark nach Osteuropa öffnen, sonst verlieren wir den Anschluss. Das ist die Conclusio aus den vielen Gesprächen, die wir hier mit Experten geführt haben.

Ein weiterer Schritt wäre ein leichter Zugang zum österreichischen Markt gewesen. Wenn ein Unternehmer die Rot-Weiß-Rot-Card nach knapp zwei Jahren verlängern möchte, dann muss er 200.000 Euro Umsatz erwirtschaftet haben, sonst wird der Antrag abgelehnt. Das entspricht nicht der Arbeitsweise von Startups. Sind das nicht zu harte Zugangsbeschränkungen für einen Markt, der händeringend nach Fachkräften und Talenten sucht?

Wir entscheiden dieses Thema nicht alleine. Die Gewerkschaften haben Angst um ihre Angestellten. Auch die Wirtschaftskammer hat Sorge, dass ihre Klientel einen Nachteil erleidet, wenn wir den Arbeitsmarkt zu stark öffnen. Deshalb haben wir diesen Kompromiss gefunden, damit sich überhaupt etwas bewegt. Die Sozialpartner haben einen völlig anderen Blick auf dieses Thema. Sie sehen nicht den Bedarf und daher auch nicht den Mangel. Wir haben aber definitiv nicht genug heimische Techniker. Dann wird auf geplante Bildungsprojekte verwiesen. Aber bis diese greifen, werden noch Jahrzehnte vergehen. Bis dahin haben wir den Anschluss verloren. Wir wollen in einem neuen Regierungsprogramm nachjustieren.

Welches Thema würden Sie bevorzugt in einem neuen Regierungsprogramm sehen?

Die Cluster sind enorm wichtig für mich. In Berlin finden ständig Festivals mit internationaler Ausstrahlung statt. Wir haben in Wien das Pioneers und das WeAreDevelopers, im Herbst kommt Darwins Circle dazu. Puls4 hat sehr viel mit dem 4Gamechangers bewegt. Die öffentliche Hand fördert diese Ansätze sehr stark. Der nächste Schritt müssen die Cluster in den Bundesländern sein, die punktuell die Stärken der einzelnen Hubs fördern. Wir müssen der Dreh- und Angelpunkt für Startups in Mittel- und Osteuropa werden.

Da beißt sich die Katze selbst in den Schwanz: Einerseits will Österreich Anziehungspunkt für europäische Startups sein, andererseits ist der Zugang zum österreichischen Markt für ausländische Talente schwer. Welche strukturellen Reformen wollen Sie setzen?  

Wir haben es geschafft, die Lohnkostensenkung auch für KMUs durchzusetzen. Die SVA ist wirklich ein kompliziertes Thema. Ich war auch zwei Jahre ein EPU und hatte die selben Probleme mit Nachzahlungen wie jedes anderen EPU im Land auch. Wir haben versucht, im Zuge der Gewerbeordnungsreform nach zu verhandeln. Aber wir haben mit der Wirtschaftskammer einen sehr starken Gegner, der sich keinen Zentimeter bewegen will.

In der Schweiz haben Banken und Versicherungen den 500 Millionen schweren Fonds „Swiss Entrepreneur Foundation“ aufgesetzt, um die Startups dort zu fördern. Ein ähnliches Vorhaben wurde in Österreich zumindest vertagt. Haben Sie keine Angst, dass wir den Anschluss verlieren?

Elisabeth Hakel: Ich kann nur für die SPÖ sprechen. Für uns ist das Thema ganz oben auf der Agenda. Wir brauchen Impulse für die Kreativwirtschaft, damit wir – wie Berlin es vormacht – ein multikulturelles Klima in Wien zu schaffen. Das umfasst die Startups, aber auch die Film- und Musikwirtschaft. Auch dort würden wir gerne einen Fonds installieren. Nur so kann man einen Nährboden für Digitalisierung schaffen. Anfang August werden wir unser Wahlprogramm präsentieren. Dort werden wir diese Pläne genauer ausführen.

Was wäre Ihre Lösung, um größere Investitionen ab 10 Millionen Euro auch in Österreich realisieren zu können? 

Wenn die Startups durch die PreSeed- und Seedrunden florieren, dann wird irgendwann auch das internationale Kapital auf die Szene aufmerksam. Wir müssen für die passenden Rahmenbedingungen sorgen. Es fehlt noch die Einsicht der österreichischen Familienunternehmen, dass eine andere Art zu investieren möglich ist. Aber am mySugr-Deal sieht man auch, dass das Geld nicht zwingend aus Österreich kommen muss. Ein globaler Konzern investiert und die Arbeitsplätze bleiben trotzdem in Wien. Ich glaube, dass wir schon stark nach außen strahlen und dass internationale Investoren die Szene verfolgen.

Welche Ansätze verfolgen Sie, um ausländische Investoren anzulocken?

Steuerliche Anreize werden ständig diskutiert. Wir können uns da einiges vorstellen, verfolgen aber keinen bestimmten Plan. Wir werden bis nach der Wahl warten müssen und dann ein Regierungsübereinkommen finden.

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