Grazer SMR-Entwickler Emerald Horizon: „Das ist kein Kindergarten“
Der Boom der generativen AI treibt derzeit eine viel verachtete Branche nach oben: Die Atomkraft. Diese will mit so genannten Small Modular Reactors (SMR) eine neue Technologie am Start haben, mit der man schneller, günstiger und sicherer Nuklearenergie erzeugen können soll. Google und Amazon setzen beim Betrieb ihrer Cloud-Rechenzentren in den USA künftig auf diese Energiequelle, zusätzlich zu Wind und Sonne.
Auch in Österreich gibt es ein Scale-up, das an SMRs arbeitet: Emerald Horizon entwickelt Thorium-basierte Flüssigsalzkraftwerke, die man etwa in Schiffs-Containern unterbringen könnte. Der Technik-Chef der Emerald Horizon AG aus Graz, Mario Müller, spricht im Interview über den Nukleartrend in der KI, die Funktionsweise der SMRs und über eine frische Finanzierungsrunde, die Emerald Horizon dutzende Millionen Euro für die Entwicklung ihres ADES (Accelerator Driven Energy Source) bringt.
Google, Amazon und Microsoft werden ihre Rechenzentren künftig auch mit Kernkraft betreiben. Wie beobachten Sie diesen Trend?
Mario Müller: Das ist ein Trend, der eigentlich schon mit anderen Technologien, wie Blockchain, der Energiebedarf begonnen hat, und jetzt durch KI natürlich noch schlagender wurde. Wie das menschliche Gehirn braucht kognitive Leistung viel Energie. In der Nähe von New York wird Three Mile Island wieder in Betrieb genommen wird, nämlich von Microsoft. Der Plan ist, 2028 dieses 1978 abgestellte Atomkraftwerk wieder ans Netz zu bringen, weil einfach der Energiebedarf enorm ist. Kernenergie ist nun mal CO2-frei.
All diese Unternehmen haben sich auf deren Fahnen geschrieben, CO2-frei ihre Systeme zu speisen. Das machen sie zum Teil mit Wind und mit Solar. Aber das geht halt nicht rund um die Uhr. Deshalb gibt es eigentlich als einzige CO2-freie Energietechnik, die 24/7 Energie liefert, nur die nukleare Energie. Da muss man natürlich dann unterscheiden, welche in absehbarer Zeit verfügbar sind. Es gibt eben laufende Kraftwerke oder man nimmt alte Anlagen wieder in Betrieb. Wir als Emerald Horizon sehen das natürlich zwiespältig, weil wir natürlich wissen, dass alte Atomkraftwerke auch alte Sicherheitsprobleme mit sich bringen. Viel schlauer ist es natürlich, auf neue Technologien zu setzen, die kleiner und schneller verfügbar sind. Und da gibt es mittlerweile einiges an Technologie
Sie forschen ja schon seit vielen Jahren an den berühmten Thorium-Flüssig-Salz-Reaktoren. Was ist da jetzt gerade Stand der Dinge?
Unser Unternehmen ist 2019 von Florian Wagner und Philipp Bölzl gegründet worden. Ich bin dann 2022 dazu gestoßen, habe die Gesamtverantwortung für Wissenschaft und Technik. Wir sind jetzt mittlerweile über 30 Leute, die an dem Thema forschen, zusätzlich gibt es noch externe Partner und Lieferanten. Wir sind mittlerweile in dem Stadium, dass wir Prototypen-Komponenten bauen. Wir verfügen über ein sehr gutes Simulationsmodell, mit dem wir den Reaktor im Computer durchspielen können, mit allen Aspekten von Sicherheit. Wir bearbeiten gemeinsam mit der DMT GmbH & Co. KG auch den Zulassungsprozess. Man muss natürlich auch hier, wie für jede Technologie, die allgemeinen Auflagen der Regulierung erfüllen. In dem Fall ist es die Euratom, die internationale Atomenergiebehörde.
Der Vorteil ist, SMRs sind kleiner und kompakter, wie eben unser ADES. Es erlaubt uns, mit dem Beschleuniger gesteuert aus dem Thorium die Energie zu extrahieren. Der Vorteil bei uns ist: Sobald wir den Beschleuniger ausschalten, gibt es keine Energie aus dem Thorium mehr. Da haben wir die Nase ziemlich weit vorne gegenüber allen anderen Technologien, die klassische Kettenreaktionen haben. Wenn man die abschaltet, dann brauchen die eine Zeit lang, bis die quasi zum Stillstand kommen.
Der Durchschnitts-Österreicher oder der Durchschnitts-Deutsche, denkt, wenn er Atomkraft hört, immer noch Tschernobyl und Fukushima. Zu recht?
Zu recht, natürlich.
Aber diese Small Modular Reactors funktionieren ja anders, sind auch viel kleiner. Können Sie für einen Laien wie mich beschreiben, wie so ein Ding funktioniert?
Die Internationale Atomenergiebehörde hat da einen Rahmen definiert. Man spricht von Small Modular Reactors bis ungefähr 300 Megawatt elektrisch. Dadurch sind die Systeme kleiner, können schneller gebaut werden. Sie sind natürlich auch, deutlich billiger. Auch die Genehmigungsverfahren sind ein bisschen reduziert, weil es ja eigentlich in Richtung Maschine geht. Bei uns ist es eine Maschine, die man in einem 40-Fuß-Container platziert. Wir haben keinen Anlagenbau mehr, sondern wir haben Maschinenbau. Das ist klein im Vergleich zu dem, was man es kennt. So geht es auch schneller. Die Kosten liegen hier nicht im Milliardenbereich, wie man es von den klassischen Atomkraftwerken kennt, mit elendslangen Genehmigungs- und Bauzeiten.
Das Spezielle bei uns: Wir lassen den Aspekt der Kettenreaktion weg. Wir haben in unserem Reaktorsystem auch kein Uran, jegliche Probleme von Nuclear Waste mit Transuranen fallen von Haus aus weg. Wir arbeiten mit einer externen Neutronenquelle, mit der wir die Energie aus dem Thorium freisetzen. Die gleiche Technologie kann man auch nutzen, um eine Krebstherapie anzubieten. Das nennt sich BNCT (Boron Neutron Capture Therapy), wo man ganz sehr genau den Krebs lokalisieren kann. Man aktiviert eine Strahlung erst im Tumor und man braucht nur ein bis zwei Sitzungen. Wir wollen nur jene Neutronen erzeugen, die wir brauchen. Das ist der große Unterschied zu den alten etablierten Atomkraftwerken.
Die gleiche Strahlung, die man einem Menschen aussetzen würde, um einen Krebstumor zu bekämpfen, arbeitet also auch in einem dieser Container-großen Reaktoren.
Genau so kann man es erklären. Es gibt solche Anlagen in Europa noch nicht für die Patientenbehandlung. In Japan laufen schon fünf Anlagen. Das hilft auch im Verständnis, dass Neutronen per se nicht böse sind, sondern es geht immer darum, wie man mit einem Werkzeug umgeht.
Wie viele SMRs braucht man, um ein großes Rechenzentrum von Amazon oder Google anzutreiben?
Unser ADES hat eine nominale Leistung von 25 Megawatt thermisch. Das sind ungefähr 12 bis 15 Megawatt elektrisch. Wenn wir ein Rechenzentrum haben, wo man 100 Megawatt braucht, dann muss man eben mehrere von denen parallel schalten. Wir haben mit unserer Technologie parallel ja auch eine eine zweite Technologie, die gekoppelt wird, einen Speicher, der erlaubt, dass Volatilitäten abgefangen werden können, weil die Rechenzentren in Abhängigkeit der Anfragen vom Netz natürlich ein bisschen Schwankungen haben werden. Damit kann man das natürlich super buffern und auch die Abwärme eines Rechenzentrums könnten wir in diesem Speicher, der ja auch ein Wärmespeicher ist, zwischenspeichern, sodass man die Wärme vielleicht dann auch anderweitig noch verwerten kann und nicht einfach in die Atmosphäre bläst.
Ist das jetzt der große Treiber für diesen Markt, dieser neuen Atomkraft, weil gerade diese Tech-Unternehmen hohen Energiebedarf haben, um wiederum AI betreiben zu können?
Grundsätzlich war immer der Energiebedarf dann am größten, wenn es große Entwicklungen gab. Ich glaube auch, dass man AI nicht mehr wegkriegt. Dafür sind die Möglichkeiten einfach zu groß. Das wird mehr als ein Treiber sein, weil nämlich auch dort sehr viel Geld vorhanden ist. Es gibt ja viele Startups, so wie wir, die natürlich motiviert sind. Es hilft natürlich, wenn man hier entsprechende Geldmengen hereinbekommt, weil man dann viele Entwicklungen parallel machen kann. Wenn die Geldmengen am Anfang bei einem Startup knapp sind, dann kann man nur sequentiell entwickeln, also eins nach dem anderen. Wenn man ein bisschen mehr Geld zur Verfügung hat, dann kann man viele Dinge parallel entwickeln, und dann wird schon was dabei sein, was dann auch funktioniert.
Wir hatten in den letzten hundert Jahren einen durchschnittlichen Energiezuwachs von zwei bis sechs Prozent pro Jahr. Es wäre eine vollkommen utopisch zu glauben, dass wir den Weg zurück in einen Steinzeitgesellschaft machen werden. Das passiert sicher nicht. Man muss einfach schauen, wie man intelligent Energie produziert, und die nukleare Energiequelle ist eine CO2-freie Energiequelle. Sie hilft auch gegen den Klimawandel. Die Frage ist, wie schnell können wir die Dinge realisieren, dass wir sie als Werkzeug zur Verfügung haben. Da hilft KI als Motivator sicher extrem.
Wir in Europa sind hier allerdings immer hinterher. Das ist leider Gottes die Eigenschaft von Europa, obwohl wir technologisch nicht schlechter sind. Wir haben die größten Teilchenbeschleuniger der Welt, wir haben ein nukleares Müllverwertungsprojekt in Belgien. Aber wir sind einfach nicht selbstbewusst genug. Ich war letzte Woche bei einem Vortrag in Zwentendorf, durfte meine Technologie dort vor vielen jungen Leuten aus Europa vorstellen. Die denken anders. Die sind nicht so pessimistisch wie die leider mittlerweile ideologisch geblendeten Menschen, die sich aufgrund von vergangenen Emotionen leiten lassen.
Die Emotionen sind stark ausgeprägt. In Österreich sind ungefähr 70 Prozent der Menschen gegen Atomkraft. Wie geht es Ihnen dabei, für das Thema in Österreich gegen eine überwiegende Mehrheit zu kämpfen?
Sie wissen, der Prophet im eigenen Land wird meistens nicht gehört. Wenn ich es schaffe, die Leute wirklich auf einer objektiven Faktenebene abzuholen, dann beginnen sie zu verstehen. Mit der Krebstherapie, die ja auf derselben Neutronenquelle basiert, beginnen die Menschen zu verstehen: Moment, vielleicht hat er ja doch recht, vielleicht kann man mit den Neutronen hier sowohl Therapie machen als auch Energie produzieren.
Es gibt gewichtige Argumente gegen Atomkraft: Sie ist sehr teuer, es dauert sehr, sehr lange, sie zu bauen, es gibt Sicherheitsrisiken, es ist gefährlich, die historischen Beispiele kennen wir. Letztendlich gibt es das große Problem der Endlagerung, Gibt es Lösungen für all diese Probleme?
Das sind alles historisch gewachsene Argumente, die beruhen auf den alten großen Atommeilern. Es stimmt alles, was Sie gesagt haben. Aber es trifft für kleine Anlagen schon nicht zu. Wir verwenden Materialien wie Thorium, das momentan schon auf der Erdoberfläche liegt und nicht genutzt wird. Das heißt, wir arbeiten eigentlich mit Müll, der aufgegriffen wird und erstmals eine technische Anwendung bekommt, die uns mit Energie versorgt. In einem Small Modular Reaktor haben Sie ganz wenig Material drinnen. In unserem ADES sind es 400 Kilogramm, die wir mit einer sehr hohen Effizienz umsetzen können. Wir reden hier von 80 Prozent der energetischen Verwertung von Thorium im Vergleich zu zwei bis drei Prozent der energetischen Verwertung von Uran in einem klassischen Kraftwerk.
Deshalb haben wir ja so viel Atommüll, weil die technisch eigentlich sehr ineffizient arbeiten. Wir vergraben hier Metalle im Wert von Platin. Das ist einfach nur dumm, weil die Technologie aus einer ganz anderen Historie herausgewachsen ist. Atomkraftwerke sind eigentlich die zivilen Brüder der Atombomben, die technologisch ähnlich betrieben werden, indem man die Kettenreaktion, die sonst zur Atombombe führt, letztendlich einbremst und ein bisschen Energie rausholt. Sie sind deshalb immer größer geworden, weil der Wirkungsgrad so niedrig ist. Zum Schluss bleibt etwas übrig, das man vergraben muss. Genau das wollen wir nicht. Hier kommt wiederum der steuerbare Neutronenstrahl zum Einsatz, weil man diesen Neutronenstrahl auch nutzen kann, um den Nuclear Waste in seiner Eigenschaft zu reduzieren, indem man ihn weiter mit Neutronen bestrahlt und die Isotope, die radioaktiven Zerfallsprodukte entstehen, in ihrer Halbzeit noch weiter reduziert. Das Ziel ist hier, wirklich ein Niveau zu erreichen, wie man es vom medizinischen radioaktiven Müll aus den Spitälern kennt. Solcher Müll braucht nur kontrolliert in einer Halle gelagert werden, bis er dort abgeklungen ist, und braucht gar keine Endlager.
Es gibt noch keine Small Modular Reactors, die wirklich im Echtbetrieb sind. Wann ist es denn soweit, beziehungsweise wann ist es bei Emerald Horizon soweit?
Wir haben hier ähnliche Zeitskalen wie unsere Mitbewerber im Markt. Kairos Power mit Google spricht hier von 2030. Das ist in etwa auch der Zeithorizont, wo bei uns die Überleitung vom Prototyp-Demonstrator zur Serie passiert. Wir haben einen internen Zeitplan, dass 2027 unser Labor-Prototyp erstmals auf den ganzen genannten Technologien Energie produzieren wird und dann zwei, drei Jahre später der Demonstrator. Der Unterschied zwischen Labor und Demonstrator: Im Labor haben wir noch nicht diese geometrische Beschränkung des Containers. Das passiert dann erst bei der Überleitung zum Demonstrator. Aber in den Jahren zwischen 2029 und 2032 ist bei uns der Plan aufgesetzt, dass wir mit den Containern Energie in die Welt bringen.
Bei Kairos Power fließen durch die Partnerschaft mit Google Hunderte, wenn nicht sogar Milliarden Dollar. Wie schaut es bei Emerald Horizon aus?
Kairos Power hat auch sehr viel öffentliche Gelder schon bekommen, wo sie Entwicklungen parallel auf ihren Standorten betreiben. Mit Google haben sie jetzt unter Anführungszeichen Infinity Money. Bei uns ist es so: Wir haben ein Gesamtbudget in etwa 300 Millionen Euro bis zur Serie. Wir haben, allerdings darf ich keine Zahlen nennen, gerade eine sehr große Investmentrunde abgeschlossen. Das hilft natürlich, hier voranzukommen. Wir haben noch Platz Geld aufzunehmen, das kann man sagen, aber wir sind gut ausgestattet, dass wir unsere Entwicklungen vorantreiben können, wenn natürlich noch mehr kommt.
Was wir suchen, ist nicht nur Geld selbst, sondern Smart Money, sprich Anwender, die uns auch technische Daten nennen, in welche Richtung sie die Energieversorgung brauchen. Das hilft uns auch in der Entwicklung. ADES kann Energielieferant zum Beispiel auf einem Schiff sein, damit Schiffe nicht mehr mit dem Schweröl über die Ozeane fahren, sondern komplett sauber mit CO2-freier Energie fahren können.
Bei dieser Finanzierungsrunde, da reden wir dann schon über zweistellige Millionenbeträge?
Ja, selbstverständlich. Das ist kein Kindergarten, sondern das ist eine seriöse größere Investmentsumme, weil die Maschinen einfach teuer sind. Die Komponenten, die man da verbaut, da ist man mit jeder Maschine gleich einmal in Millionenbereich.
Wann steht der erste Emerald Horizon Container in Österreich?
Das ist eine sehr, sehr gute Frage. Grundsätzlich müsste man das die Österreicher fragen, beziehungsweise die österreichischen Behörden. Wir lassen uns natürlich nicht ins Bockshorn jagen, wir führen Gespräche auf Landesebene in der Steiermark, beziehungsweise auf der Bundesebene mit den zuständigen Behörden. Falls es in Österreich nicht möglich ist: Nach Slowenien sind es gerade einmal 60 Kilometer von hier. Wir haben auch sehr gute Kontakte nach Tschechien. In Tschechien wird von Rolls-Royce jetzt ein Small Modular Reaktor gebaut. Wir sind umgeben von Open Mindsets mit technologieoffener Perspektive. Genau das braucht es. Niemand sagt, dass das die beste Technologie ist, aber es ist eine Lösung, die man nicht vom Tisch wischen darf. Wenn man wirklich konstruktiv gegen den Klimawandel angehen will, erwarte ich mir, das man zumindest mit mir spricht. Zum Schluss kann man immer noch Nein sagen.
Ich glaube, dass die neuen Technologien die Auflagen besser und schneller erfüllen werden können als alte, große Kraftwerke. Unsere Emerald Horizon-Lösung hat hier das gesamte LPotenzial der SMR-Welt und mehr, weil wir mit unserer Technologie auch letztendlich in die Medizintechnik gehen können.