Emmi AI holt 15 Millionen Euro: Das größte Seed-Investment, das Österreich jemals sah

Das Linzer KI-Startup NXAI rund um AI-Forscher Sepp Hochreiter hat wie berichtet mit Emmi AI ein Spin-off hervorgebracht, dass sich voll auf das Thema physikalischer Simulationen spezialisiert hat. Emmi AI hat mit CEO Dennis Just, KI-Forscher Johannes Brandstetter (Ex-Microsoft, EX-NXAI) und Miks Mikelsons (früher Chief of Staff beim lettischen Scale-up Lokalise) ein hochkarätiges Gründer-Team – und nicht nur das.
Den in der größten Seed-Finanzierungsrunde, die es in Österreich jemals gab, investieren nun 3VC, Speedinvest, Push VC aus Österreich sowie Serena aus Frankreich insgesamt 15 Millionen Euro in das neue Startup, das nach der deutschen Mathematikerin Emmy Noether benannt wurde. Die Bewertung wird nicht kommuniziert, aber man kann davon ausgehen, dass sie zwischen 75 und 100 Millionen Euro liegt.
Im großen Doppel-Interview sprechen Dennis Just, CEO von Emmi AI, und Peter Lasinger, Partner beim Lead-Investor 3VC, über die Finanzierungsrunde, Produkt, Business-Modell und Ausbaupläne des erst etwa fünf Monate alten Startups.
Trending Topics: Dennis, könntest du uns einen Überblick zu Emmi AI geben. Wie ist das Unternehmen entstanden ist?
Dennis Just: Historisch waren wir drei Gründer, vorher bei NXAI involviert. NXAI ist auch noch Minderheitsanteilseigner an Emmi AI. Gleichzeitig haben wir die Firma auf eigene Füße gestellt, entkoppelt und operieren unabhängig voneinander – es gibt unterschiedliche Büros, aber keine Verbindung außer eben, dass NXAI Minderheitsanteilseigner ist.
Bei NXAI haben wir zwei Themen bespielt: Einerseits das Thema State-Based KI-Architektur rund um xLSTM. Andererseits das Thema Physics AI, was sehr viel Zuspruch von Kunden bekommen hat. Es geht dabei darum, wie man KI-Modelle baut, die physikalische Phänomene abbilden können. Im Gegensatz zu Text-basierten Modellen muss unser Modell Geometrie verstehen, Abhängigkeiten zwischen Faktoren wie Temperatur und Luftstrom oder Spannung und Temperatur erfassen.
Johannes, einer unserer Mitgründer, hat dieses Thema bei Microsoft und in den letzten eineinhalb Jahren an der JKU vorangetrieben. Er ist die führende Kraft in diesem Bereich und wir haben seit knapp einem Jahr daran gearbeitet, die Forschung zur Marktreife zu bringen.
Was genau sind eure Produkte?
Dennis Just: Wir bauen drei Sachen. Erstens entwickeln wir für die Industrie Digitale KI Zwillinge, um Design oder Produktion zu beschleunigen – zum Beispiel für Flugzeuge und deren Aerodynamik oder Transformatoren und deren Hitzeentwicklung.
Zweitens erstellen wir vortrainierte Modelle, die auf Basis von firmeneigenen Daten angepasst werden. In unserem Bereich liegt der Datenschatz innerhalb der Firmen und nicht frei verfügbar im Internet.
Drittens arbeiten wir an Foundation-Modellen für Simulation. Wir entwickeln gerade Modelle für unter anderem Spritzguss und Aerodynamik.
Wie funktioniert eure Technologie im Kern?
Dennis Just: Emmi AI hat eine KI Architektur entwickelt, die physikalische Simulationen wie Strömungen oder Materialverformungen nicht mehr durch langsame Gleichungen berechnet, sondern blitzschnell aus erlernten Mustern vorhersagt. Dabei funktioniert er wie ein intelligenter Übersetzer, der physikalische Szenarien in ein abstraktes Raum-Zeit-Modell überträgt und daraus präzise Ergebnisse ableitet – ganz ohne klassische Gitter oder Partikelsysteme.

Peter, warum investiert 3VC in Emmi AI und wie sieht die Finanzierungsrunde aus?
Peter Lasinger: Das Thema erlaubt einen wesentlichen Durchbruch in der Industrialisierung, in der Simulation und im Entwickeln neuer Dinge. Den Impact kann man noch gar nicht voll einschätzen, aber es gibt eine Reihe von Problemen, die man heute nicht oder nur sehr teuer lösen kann.
Ähnlich wie bei Large Language Models, wo bestimmte Aufgaben wie Klassifikation oder Textzusammenfassung plötzlich mit Skalierung möglich wurden, erwarte ich auch im Industriebereich, dass man verschiedene Optionen besser explorieren und automatisieren kann. Statt fünf Modelle zu bauen und zu testen, kann man Millionen Variationen gleichzeitig simulieren und ungewöhnliche Lösungen finden – ähnlich wie AlphaGo völlig neue Lösungswege für das Brettspiel gefunden hat.
Was für uns wichtig ist, ist der Konnex zur realen Welt. Bei Large Language Models sind wir eher zurückhaltend, da sie gut im semantischen Kontext – dem Hantieren mit Sprache – sind, aber der Bezug zur wirklichen Welt fehlt. Mit Emmi AI kann man in die Gestaltung von Industriegütern und Produktionsprozessen gehen. Damit stellt Emmi eine Verbindung zwischen virtuellen Bits und physischen Atomen her.
Es gibt weltweit nur wenige Firmen, die in diesem Bereich arbeiten. Die klassischen Simulationsanbieter wie Ansys fokussieren auf numerische Simulationen, die aber Tage oder Wochen laufen. Wenn man Feedback plötzlich in Sekunden oder Echtzeit bekommt, eröffnet das ganz neue Möglichkeiten. Hier liegt eine Multi-Milliarden-Chance.
Das Team um Johannes ist weltweit einzigartig und vor allem in Europa. Mit Dennis haben wir die wissenschaftliche Exzellenz mit Execution Power zusammengebracht – ein echtes A-Team.
Wir haben ein starkes Konsortium mit Serena Capital, einem Top-französischen Fonds Speedinvest und Push Ventures gebildet. Insgesamt stellen wir 15 Millionen Euro bereit, um das Team für die nächsten zwei, zweieinhalb Jahre abzusichern.
Spannend ist, dass ihr bereits zahlende Kunden habt. Kann man dazu mehr erfahren?
Dennis Just: Die Firma gibt es jetzt seit fünf Monaten und wir sind 15 Leute. Namen können wir noch nicht nennen, aber hoffentlich in einem Monat. Wir haben mit beiden Kunden die Pilotphase durchlaufen und jetzt Jahresverträge abgeschlossen.
Es geht darum, dass wir AI Digital Twins für diese Unternehmen bauen, die dann Ende des Jahres produktiv eingesetzt werden.
Wie sieht euer Geschäftsmodell aus?
Dennis Just: Wir verdienen Geld durch zwei Komponenten: Die Professional Service Komponente und die Lizenzierung für die Technologie. Bei den Foundation-Modellen wird es auf ein klassisches B2B-Enterprise-SaaS-Modell hinauslaufen.
Kannst du einen klassischen Use Case beschreiben?
Dennis Just: Ein greifbares Beispiel ist ein Formel-1-Team. Sie haben aktuell riesige Rechenzentren, die sie nur etwa einen Monat im Jahr nutzen dürfen. Ein Simulationslauf zur Simulation eines Formel-1-Autos, dauert ein bis zwei Tage auf dem gesamten Cluster.
Wir bekommen die Zeit der Simulation von Tagen auf unter eine Sekunde reduziert und das bei ähnlicher Genauigkeit. Wir erreichen zwar nicht 100% Genauigkeit, da wir auf numerischen Daten trainieren, aber 99,x% sind ausreichend, um die nötigen Designentscheidungen zu treffen. Das bedeutet, dass ein Designteam nicht 2, sondern 20.000 Experimente durchführen kann.
Wer sind eure potentiellen Kunden?
Dennis Just: Für uns sind vor allem Unternehmen interessant die mehr als eine Milliarde Umsatz machen und Produkte im Portfolio haben, die mehr als 50 Millionen an Wert sind. Hier gibt es keine Einschränkungen, von Energie über Automobil bis hin zu Verteidigung sind alles potentielle Kunden.
Dennis, kannst du uns etwas über deinen Hintergrund erzählen?
Dennis Just: Ich habe Wirtschaftsingenieurwissenschaft studiert und vor allem Unternehmen aufgebaut und skaliert.Am bekanntesten ist vielleicht meine Zeit als Vorstandsvorsitzender bei Smallpdf – eine der größten Webseiten der Welt mit knapp 50 Millionen aktiven Nutzern pro Monat, die sich auf digitales Dokumenten-Management spezialisiert. Seit etwa vier Jahren bin ich zudem auch Venture-Partner bei 3VC.
Nach fünf Jahren als Vorstand bei Smallpdf wollte ich mich dem Thema AI DeepTech widmen. Aus Gesprächen mit Sepp Hochreiter und Johannes hat sich die Opportunität ergeben in Linz aktiv an industrieller KI mitzuwirken..
Peter, wie siehst du das KI-Thema aus der Vogelperspektive – substanzieller Wandel oder Blase?
Peter Lasinger: Da gibt es keine einfache Antwort. Interessant ist, dass heute sowohl Microsoft als auch Amazon ihren Rechenzentren-Ausbau gestoppt oder gecancelt haben, weil sie von weniger Nachfrage ausgehen. Microsoft sagt, sie sehen noch keinen wirtschaftlichen Effekt, der groß genug ist.
Ich höre auch von anderen Industrievertretern, dass LLMs nicht in dem Ausmaß Produktivität erzeugen, wie man Kosten investiert. Das heißt nicht, dass alles schlecht ist – die Fähigkeiten sind beeindruckend. Richtig eingesetzt können bestimmte Prozesse extrem beschleunigt werden.
Eine gewisse Blasenphase wird es geben, ähnlich wie bei der Dotcom-Bubble. Es wird extrem viel investiert mit sehr hohen Erwartungen. Letztendlich werden sich echte Use Cases herauskristallisieren. Ich vergleiche es damit, was der Taschenrechner fürs Rechnen ermöglicht hat – LLMs ermöglichen ähnliches für Semantik und Sprache.
Was mir Sorgen macht, ist, dass die nötige Infrastruktur extrem ungleich verteilt ist. Die aktuellen Transformer-Modelle brauchen massive Rechenleistung, und in Europa haben wir davon extrem wenig. Selbst europäische Firmen, die Foundation Models entwickeln, laufen auf US-Infrastruktur. Es entsteht eine enorme Abhängigkeit.
Wie seht ihr euch im internationalen Wettbewerb aufgestellt?
Dennis Just: Natürlich existiert Wettbewerb in unserem Bereich. NVIDIA bietet mit Omniverse ein umfassendes Framework für physikalische Simulationen, das auf der PhysX-Engine basiert und realistische Interaktionen in virtuellen Umgebungen ermöglicht . In Großbritannien entwickelt PhysicsX KI-gesteuerte Plattformen für Echtzeit-Multiphysik-Simulationen, die insbesondere in der Automobil- und Luftfahrtindustrie Anwendung finden . In den USA konzentriert sich Luminary Cloud auf skalierbare Engineering-Simulationen, insbesondere im Bereich der Strömungsmechanik, und bietet cloudbasierte Lösungen für schnelle CFD-Simulationen.
Um unsere Führungsposition zu behaupten, setzen wir auf einen starken Fokus im Bereich Forschung und Entwicklung. Derzeit besteht unser Team zu zwei Dritteln aus erfahrenen Forschern und Ingenieuren, die kontinuierlich an der Optimierung unserer KI-Architektur und der parallelen Datenverarbeitung arbeiten. Dieser strategische Ansatz ermöglicht es uns, innovative Lösungen zu entwickeln und gleichzeitig flexibel auf die sich schnell verändernden Anforderungen des Marktes zu reagieren.