Energie Steiermark: „Startup-Know-how muss ins operative Geschäft kommen“
“Wir machen keine Show für ein paar lustige Zeitungsartikel, sondern wollen Mehrwert für das Unternehmen schaffen.” Martin Graf ist einer jener Manager, die sehr konkrete Vorstellungen haben und das auch so formulieren. Graf ist Vorstandsdirektor der Energie Steiermark, einem Unternehmen mit 1.700 Mitarbeiter, 600.000 Kunden und 1,2 Mrd. Euro Jahresumsatz – und einem Innovationsprogramm, das auf drei Ebenen das viertgrößte Energieunternehmen Österreichs auch mit Hilfe von Startups fit für die Herausforderungen der Digitalisierung machen soll.
“Es wird nicht nur der technologische Wandel immer stärker, sondern es kommen auch neue Wettbewerber dazu. In Deutschland kann man im Supermarkt, bei der Bahn oder bei der Telekom Strom kaufen”, sagt Graf. “Wie reagiert man nun als Energieunternehmen darauf?” Seine Antwort: Intern wie extern wird jetzt zügig mit neuen Technologien gearbeitet.
„Wir müssen auf etwas Neues setzen”
Dazu zählt die Verpflichtung jeder Führungskraft, digitale Anwendungsfälle zu finden und auch gleich umzusetzen. Gestartet im März, wurden bis dato mehr als 100 solcher Digital Usecases (DUC) gefunden – von Robotics in der Buchhaltung, Drohnenbefliegung mit Wärmebildkameras zur Überprüfung der Infrastruktur bis hin zu Sensoren in Abwasserkanälen, um frühzeitig Hochwasser reagieren zu können. “Ich brauche keine Konzepte, ich brauche Umsetzung”, sagt Graf. Mit den DUC hätte man intern einen “Wettbewerb” ausgelöst, in dem sich Abteilungen um die bessere Umsetzung matchen.
Doch bei internen Projekten ist es nicht geblieben. “Wir haben gesehen: Mit einer Innovationsabteilung kann man nur bis zu einer gewissen Grenze Erfolg haben. Deswegen haben wir gesagt: Wir müssen auf etwas Neues setzen”, sagt Graf. Mit dem Next-Incubator hat die Energie Steiermark eine Tochterfirma gegründet, die die enge Zusammenarbeit mit Startups zum Ziel hat – etwa im Bereich IoT. Mit dem australischen Startup Autra, das mit Sensoren Transformatoren in Echtzeit überwachen, gibt es bereits eine enge Kooperation und entsprechende Erfahrungswerte. Nun hat die Energie Steiermark den nächsten Schritt gesetzt, um international nach geeigneten Startups zu suchen.
“Wir schauen, dass wir Startups zu uns hineinbringen”
Eine exklusive Partnerschaft mit Plug and Play im Silicon Valley (Trending Topics berichtete) garantiert der Energie Steiermark exklusiven Zugang zu Startups in dem US-Accelerator, die im Energie-Bereich tätig sind. “Wir schauen, dass wir Startups zu uns hineinbringen”, sagt Graf, umgekehrt könne man österreichischen Startups die Türe ins Silicon Valley öffnen. Konzepte auf vielen Seiten Papier interessieren Graf dabei nicht. “Das Startup-Know-how muss ins operative Geschäft kommen.” Und natürlich zur Steigerung von Umsatz und Kunden beitragen, sonst bringe der schönste Accelerator nichts.
Mit Graf haben Startup-Gründer jemanden gegenüber, der sich als ehemaliger Vorstand der E-Control nicht nur in regulatorischen Fragen bestens auskennt, sondern auch enorm Technologie-affin ist. Als noch kaum jemand das Wörtchen Blockchain kannte, war er bereits vor vielen Jahren im Berliner Viertel Kreuzberg bei den Ethereum-Gründern rund um Vitalik Buterin zu Gast. “Damals sind die ersten Chains über die Bildschirme geflackert”, erinnert sich Graf. Und bereits damals hat Graf erkannt, dass da eine neue Technologie heran wächst, die auch seine Branche nachhaltig verändern könnte. Auch andere Energieunternehmen die Salzburg AG, der Verbund oder Wien Energie wollen mit Blockchain arbeiten (Trending Topics berichtete).
Blockchain kann Geschäftsmodelle „fundamental erschüttern“
“Das ist ein Thema, mit dem wir uns frühzeitig auseinandersetzen müssen, weil das unser Geschäftsmodell fundamental erschüttern kann”, sagt Graf. Und verweist etwa auf PowerLedger. Das australische Projekt arbeitet an einer Blockchain-basierten Energiehandelsplattform, die das dezentrale Verkaufen und Kaufen von erneuerbarer Energie ermöglicht. Vereinfacht gesagt könnte ein Haushalt mit Hilfe von PowerLedger einmal den mit einer Solaranlage selbst produzierten Strom gegen Krypto-Geld an die Nachbarn verkaufen.
Solcher Peer-to-Peer-Handel könnte Energieversorger einmal vor die Frage nach der eigenen Daseinsberechtigung stellen. Doch bei der Energie Steiermark stellt man sich bereits jetzt auch eine solche Zukunft ein und vertreibt selbst Photovoltaikanlagen und Stromspeicher. “Wir gehen da lieber mit dem Trend anstatt dass das Geschäft ein anderer macht”, sagt Graf. Außerdem wäre die flächendeckende Energieversorgung ohne Großunternehmen ohnehin nicht möglich. “Am Schluss gehts darum, dass jeder im Netz zu jeder Sekunde Strom hat. Die Blockchain und private Photovoltaikanlagen alleine werden das nicht gewährleisten”, sagt Graf. “Wir wollen das Backbone sein. Es muss Unternehmen wie uns geben, die die Restlasten abdecken. Oder wollen Sie Ihren Kühlschrank abdrehen, weil die Nachbarn gerade keinen Strom haben?”