Energiewende

Energiegemeinschaften können nur einen Teil der Energiekrise abfedern

Energiegemeinschaften produzieren und konsumieren ihre Energie selber. (C) Topher Donahue / Cavan
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Die Photovoltaik-Anlage der Dachgeschosswohnung liefert Strom für sich und die Nachbarn, Solarpaneele auf dem Parkhaus versorgen das angrenzende Grätzl oder die Feuerwehrhalle wird mit Strom von der eigenen Windanlage betrieben. Wenn zu viel produziert wird, wird der Strom einfach in die Nachbargemeinde verkauft. Energiegemeinschaften stellen ein Zukunftskonzept dar, das Österreich unabhängiger von fossilen Brennstoffen machen könnte und den Ausbau der Erneuerbaren Energien vorantreiben. Bisher gibt es erst wenige solcher Gemeinschaften, die Nachfrage ist durch den Krieg in der Ukraine und steigenden Energiepreisen aber enorm. Denn durch die Inflation steigen die Energiekosten pro Haushalt 2022 um mehrere Hundert Euro.

Breiter Umstieg auf Ökostrom würde Energiekrise nicht sofort stoppen

In Wien wurde die erste Energiegemeinschaft im Jahr 2019 gegründet. Rund 100 Bewohner:innen in der Krieau testeten ein Modell von Wien Energie, mit dem der Wohnblock des „Viertel Zwei“ durch Photovoltaik-Anlagen am Dach seinen Strom selbst erzeugte. Nicht verbrauchte Kilowattstunden konnten damals noch nicht an der Strombörse verkauft werden – die rechtliche Grundlage dazu fehlte. Diese rechtliche Grundlage lieferte das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) im Jahr 2021 nach. Das Gesetz erleichtert es den privaten Energieproduzent:innen, Überschuss-Energie in das öffentliche Netz einzuspeisen.

Verschiedene Arten von Energiegemeinschaften

Allgemein werden Energiegemeinschaften in zwei Klassen unterteilt: die Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEGs) und die Bürger-Energiegemeinschaften (BEG).

  • Bei der Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft dürfen natürliche Personen, Gemeinden und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts teilnehmen. Kleine und mittlere Unternehmen können sich ebenfalls beteiligen. Der Radius von Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaften ist jedoch lokal begrenzt, ihre Mitglieder müssen den Netzebenen 6 und 7 miteinander verbunden sein. Beispiel: Die Photovoltaikanlage auf dem Dach einer Schule versorgt sich selbst und angrenzende Wohnungen mit Strom.
  • Bei Bürger-Energiegemeinschaften dürfen natürliche und juristische Personen sowie Gebietskörperschaften teilnehmen. Im Gegensatz zur EEG darf die BEG nur elektrische Energie erzeugen, speichern, verbrauchen und verkaufen – das jedoch in ganz Österreich. Beispiel: Gemeinde A baut eine Windkraftanlage auf und verkauft überschüssige Energie an Gemeinde B.

Beide Organisationsformen benötigen mindestens zwei Mitglieder, bei EEGs ist vom Verein bis zur Kapitalgesellschaft vieles möglich. Bei beiden Formen steht jedoch die Gemeinnützigkeit im Vordergrund, Gewinnerzielung ist nicht im Vordergrund.

Eigene Koordinationsstelle einberufen

Laut einer 2022 durchgeführten Studie von der WU Wien, Uni Klagenfurt, Deloitte Österreich und Wien Energie ist die Akzeptanz von Energiegemeinschaften in Österreich hoch. Zwei Drittel der Befragten befürworten ein solches Energieprojekt. Bundesweit steigt die Nachfrage, lässt auch eine Sprecherin des Klima- und Energiefonds wissen. Dort findet sich nämlich die zentrale Anlaufstelle für Energiegemeinschaften – die Österreichische Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften. Bei der Hotline der Stelle gehen konstant Anrufe ein, so die Sprecherin.

Energiegemeinschaften: So funktionieren die Beratungsstellen von Bund und Land

Die Koordinationsstelle hilft bei gängigen Fragen, in jedem Bundesland gibt es jedoch eigene Stellen, die zusätzlich informieren. In Wien ist das die Agentur Urban Innovation Vienna. Konstantin Geiger beschäftigt sich dort mit Energiegemeinschaften und berichtet ebenso von stark gewachsenem Interesse. „Die meisten Projekte befinden sich jedoch aktuell in der Konzipierungsphase“, so Geiger. In Wien gebe es bisher erst eine Handvoll Energiegemeinschaften, wie etwa die Grätzlenergie in Wien-Liesing.

Dort wird der Verbraucherpreis von aktuell 13,2 Cent pro Kilowattstunde angegeben. Zum Vergleich: Der Ökotarif bei Wien Energie kostet 16,1 Cent/kwh. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 4.400 kwh pro Haushalt ergibt das eine Einsparung von 132 Euro im Jahr, sollte der gesamte Strom von der Energiegemeinschaft bezogen werden. Die reale Einsparung dürfte deutlich darunter liegen. Auch die Vorarlberger Gemeinde Schnifis gibt in ihrem EEG einen Strompreis „auf dem Niveau des regionalen Ökostrompreises“ an.

Preis von Energiegemeinschaften nicht das Hauptargument

„Der Preis sollte aber nicht das Hauptargument sein, einer Energiegemeinschaft beizutreten“, warnt Geiger. Es sollten die ökologischen Vorteile der lokalen grünen Stromerzeugung und die sozialgemeinschaftlichen Vorteile ausschlaggebend sein. Einer Energiegemeinschaft tritt man außerdem nicht von heute auf morgen bei. So braucht etwa jede:r Konsument:in, die den Großteil bei solchen Gemeinschaften ausmachen, einen Smart Meter. Dieser clevere Stromzähler misst viertelstündlich, wie viel Energie von einer Gemeinschaft bezogen wird. Der Einbau und die Einrichtung eines solchen Smart Meters kann dabei einige Monate dauern. Weil eine autarke Versorgung nicht garantiert werden kann, benötigt jede:r Teilnehmer:in zusätzlich noch einen herkömmlichen Energieanbieter. Dieser kann frei ausgewählt werden. Wichtig sei auch ein guter Mix an Abnehmer:innen: So kann ein Büro den Strom unter Tags nutzen, während Mietwohnungen besonders in der Früh und am Abend Energie benötigen.

elene: So können in Österreich Energiegemeinschaften gegründet werden

Auch für jene, die Strom produzieren und ihn zur Verfügung stellen möchten, ist die Gründung einer Energiegemeinschaft nicht ganz einfach. „Wichtig zur Gründung einer Energiegemeinschaft ist eine gute Planung im Vorfeld“, ist sich Geiger sicher. Wie schnell eine solche Gemeinschaft gegründet werden kann, könne von vielen Faktoren abhängen.  „Es ist sinnvoll sich für die Konzipierung und den Aufbau genug Zeit zu nehmen und in den meisten Fällen ist auch die Hinzunahme eines externen Dienstleisters zu empfehlen.“

Auf lange Sicht betrachtet seien Energiegemeinschaften aber ein hilfreiches Tool, um die Transformation hin zu nachhaltiger Energie voranzutreiben. „Damit spart man CO2, verringert die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und trägt zum Community Building im Grätzl bei“, ergänzt Geiger.

Vor- und Nachteile von EEGs und BEGs

Vorteile von Energiegemeinschaften im Überblick:

  1. Eine lokale Erzeugung von erneuerbarer Energie, wie es etwa bei den Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft der Fall ist, schmälert den CO2-Fußabdruck und reduziert die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.
  2. Wer in EEGs Energie produziert – etwa mit einer Photovoltaikanlage – kann den Strom innerhalb der Gemeinschaft verkaufen. Der Preis wird dabei in der Energiegemeinschaft selbst festgelegt. Die Reduktion von Netzentgelten, Befreiung der Elektrizitäts-Abgabe für Strom aus Photovoltaik und der Entfall des Erneuerbaren-Förderbeitrags macht den Strom für Abnehmer:innen entsprechend günstig.
  3. Energiegemeinschaften haben in Zusammenspiel mit Batteriespeicher das Potenzial, als „Notfallstrominsel“ aufgewertet zu werden. So können sie im Falle eines Blackouts zumindest für eine gewisse Zeit autark weiterlaufen oder ihren Strom wichtiger Infrastruktur zur Verfügung stellen.

Nachteile von Energiegemeinschaften im Überblick:

  1. Besonders auf Produzent:innen-Seite ist die Planung und Umsetzung oft kompliziert und langwierig.
  2. Besonders in Städten müssen EGs einige Herausforderungen meistern. Platzmangel für PV-Anlagen, verstreute Eigentumsverhältnisse der Infrastruktur oder hohe Fluktuation der Mieter:innen machen die Gründung einer Energiegemeinschaft schwieriger.
  3. Bei Bürger-Energiegemeinschaften entfallen die meisten Vergünstigungen, weil sie nicht so stark gefördert werden und Netztarife aufgrund der größeren Distanzen höher sind.

Wie Startups bei der Bildung von Energiegemeinschaften unterstützen können

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