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Jungforscher: „Plastik ist für die Umwelt fast wurscht, das war mein größter Schock“

Isabel Key und Eric Steinberger in Cambridge. © Eric Steinberger
Isabel Key und Eric Steinberger in Cambridge. © Eric Steinberger
Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview

Ok Boomer, Eric Steinberger ist einer der spannendsten Millennials, die mir jemals untergekommen sind. Der heute 21-Jährige ist mir schon 2018 aufgefallen, als uns der junge Forscher viele kluge Dinge über Blockchain und AI erzählt hat. Das österreichische Ausnahmetalent ist mittlerweile in Cambridge gelandet und widmet sich dort einem anderen, ungleich wichtigeren Thema – dem Klimawandel. Denn: Mit Climate Science hat er jetzt sein eigenes Projekt mit anderen Forschern aus der Taufe gehoben. sein Team wird mittlerweile sogar von der BBC konsultiert, wenn es um Klimafragen geht.

Im Rahmen der WeAreDevelopers-Konferenz in Wien habe ich mit Eric über sein neues Projekt, über Plastiksackerl und über seine Präferenz für Atomkraft gesprochen.

Tech & Nature: Eric, du hast ein neues Projekt am Start. Es heißt Climate Science. Um was geht es da?

Eric Steinberger: Die Grundproblematik ist folgende: Du liest einfach verständliche, aber nicht komplett korrekte und wissenschaftlich fundierte Infos in Blogs, News oder auf Social Media. Oder man liest wissenschaftliche Papers, aber dafür fehlt den meisten die Zeit. Wir machen etwas in der Mitte. Das ist selbstverständlich bei Dingen wie Physik, aber nicht bei dem größtem Problem, das die Menschheit hat – dem Klimawandel. Deswegen haben wir Climate Science gegründet.

Wie funktioniert Climate Science?

Wir beantworten jeden Tag eine Klima-relevante Frage, derzeit auf Instagram mit 58.000 Followern. Fragen wie: Soll man Plastiksackerl verwenden? Wie gut oder schlecht ist Solarenergie? Sollte man auf Atomkraft setzen? Welche Emissionen werden durch Ernährung freigesetzt? Wir bauen jetzt auch eine App, die in Schulen eingesetzt werden kann. Damit werden Lehrer etwa Hausaufgaben in Form von kurzen, etwa 20-minütigen Kursen aufgeben. Die App ist aber nicht nur für Schüler, für ältere Leute gibt es tiefergehende Kurse, die jeweils etwa eine Stunde dauern.

Wer ist wir?

Meine Mitgründerin Isabel Key und ich haben in Cambridge vor vier Monaten damit begonnen, mittlerweile sind wir 17 Leute in sieben Ländern und publizieren in vier Sprachen. Da sind Developer, Wissenschaftler, Artists und Übersetzer dabei.

Ist das ein Startup im klassischen Sinne, mit Business-Plan und Geschäftsmodell?

Haha! Wir werden von Instituten an zwei Universitäten, Cambridge und Oxford unterstützt, aber ehrlich – es wird wohl niemals eine Profitauschüttung geben. Wenn wir mal Einnahmen machen sollten, dann wird das reinvestiert. Unsere Services sind jetzt alle ausnahmslos kostenlos. Aber Umsatz und Gewinn war sowieso nie das Ziel. Die 17 Leute arbeiten alle freiwillig und kostenlos seit Monaten daran. Ich arbeite gerade daran, Zuschüsse für das Projekt zu bekommen. Leider sind wir zu schnell für Förderungen, weil man ein Projekt oft nicht vor der Förderungszusage beginnen darf. Unsere App wird bereits im Dezember kommen.

Du hast dich viel mit AI auseinander gesetzt – jetzt hat sich dein Fokus auf den Klimawandel verlagert. Hat dich Greta Thunberg dazu inspiriert?

Ich habe Greta schon persönlich getroffen. Mein starker Umschwung ist nicht nur durch Greta und die Bewegung ausgelöst worden, sondern weil ich mich mit den Fakten auseinander gesetzt habe. Ich gehe nicht nur mit dem emotionalen Schwung, der von Greta kommt, da rein. Ich wusste, dass es ein Riesenproblem ist, aber nicht, wie riesig das Problem ist. Jetzt will ich mit meinen Skills, meinen Connections und meinem Know-how etwas beitragen. Ich arbeite nebenbei noch bei Facebook AI Research, aber 80 Prozent meiner Zeit widme ich bereits dem Thema Klimawandel.

Du willst Wissen vermitteln. Da stößt man sicher an Grenzen, da wissenschaftlichen Fakten immer öfter kein Glauben geschenkt wird – siehe Trump.

Trump sowie viele andere spiegeln unsere Gesellschaft wieder. Ich persönlich fokussiere mich auf Menschen, die der Welt gegenüber konstruktiv und rational eingestellt sind. Uns ist wurscht, wenn andere sagen, dass wir Blödsinn labern und links sind – das ist mir egal. Wenn die kommentieren, dann erhöht das eh nur unsere Interaktionsrate auf Instagram.

In deiner Beschäftigung mit Klimawandel, Ursachen und Lösungen – was hat dich besonders überrascht?

Plastik ist für die Umwelt fast wurscht, das war mein größter Schock. Wenn du ein Baumwollsackerl hast, müsstest du es 7.100 Mal verwenden, damit du den gleichen Impact hast wie mit Plastiksackerln. Baumwolle anzubauen braucht extrem viel Wasser und Land, während man für Plastiksackerl wenig Energie braucht und verhältnismäßig wenig CO2 verursacht.

Warum werden dann dauernd Stoffsackerl auf Events verteilt?

Das wollen wir mit Climate Science bekämpfen – diese Misinformation, die sich auch unter jenen verbreitet, die was Gutes tun wollen. Die tun dann genau das Gegenteil von dem, was sie erreichen wollen. Aber lass’ mich mehr Beispiele aufzählen.

Ok, bitte.

Das Wichtigste ist: Atomkraft könnte unser Klimaproblem sofort lösen. Das ist natürlich ein Schock. Selbst wenn Atomkraftwerke explodieren, dann sterben verhältnismäßig wenige Menschen, und die Folgen sind nicht so dramatisch. Nimm’ Fukishima. Das Atomkraftwerk war wegen dem Tsunami und nicht umgekehrt. Es mussten natürlich tausende Menschen umsiedeln. Natürlich war auch Tschernobyl schrecklich. Aber kommen wir zu ganz anderen Fakten. Es sterben jedes Jahr 3,6 Millionen Menschen wegen Luftverschmutzung durch fossile Brennstoffe. Und die Leute fürchten sich vor den Atomkraftwerken, wo oben nur Wasserdampf rauskommt.

Die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll ist aber ein Problem.

Ja, klar ist das ein Problem. Aber das ist nichts im Vergleich mit dem CO2-Problem, das wir gerade haben. Wer gegen Atomkraft demonstriert, der demonstriert genau in dem Moment eigentlich auch gegen Lösungen für den Klimawandel.

Warum nicht lieber erneuerbare Energien?

Erneuerbare Energie ist ein wichtiger Teil der Lösung – viel besser als Kohle. Eine Herausforderung mit Solar und Wind ist aber, dass man die Energie zwischen speichern muss, um sicher vor Windstille und Bewölkung zu sein. Die Rohstoffe für diese Batterien sind auch nicht unbedenklich. Die Fläche, die man für Solarkraft brauchen würde, um mit ihr Kohlestrom zu ersetzen, ist nicht vergleichbar mit der Fläche, die Atomkraftwerke brauchen. Und die Materialien, die man für Solar- und Windkraftanlagen braucht, sind nach etwa 25 Jahren zum Wegwerfen. Nichts ist schwarz und weiß; wenn man nach den Zahlen geht und Vorteile mit Nachteilen vergleicht, ist Atomkraft wirklich eine attraktive Lösung. Es ist verständlich, dass viele Leute das anders sehen, da die Medien hier bislang keinen besonders guten Job geleistet haben – Sensationalismus halt. Vielleicht können wir das ja zusammen ändern und in eine rationalere Zukunft gehen.

Zum Zwischenspeichern von erneuerbarer Energie kann man auch Wasserstoff verwenden.

Wasserstoff heute wird vor allem mit fossilen Brennstoffen erzeugt. Wer heute ein Wasserstoffauto fährt, fährt also indirekt ein ineffizienteres Benzinauto. Aber klar: Wasserstoff würde als Speicher für erneuerbare Energie funktionieren, wobei in der Konvertierung auch Energie verloren geht. Ich will jedoch gerne nochmal einen Schritt zurück gehen: warum nicht Atomkraft? Sie ist momentan zwar unpopulär, aber objektiv betrachtet scheint sie eine gut skalierbare und sichere Lösung zu sein.
Die Kosten pro Kilowattstunde von Solarkraft sind bei einem Prozent von dem Preis vor 45 Jahren. Die heutige Reaktortechnologie ist nicht kosteneffizient, aber stell’ dir vor, wir hätten so intensive Innovation in Atomkraft, wie wir sie in Solar hatten. In den letzten Jahrzehnten ist einfach nicht intensive genug daran geforscht worden. China beginnt das jetzt. Es gibt auch alternative Ideen, wie z.B. Thoriumkraftwerke. Wir haben es noch nicht richtig versucht.

Solar, Wind, Atomkraft – das gibt es alles seit vielen Jahrzehnten. Aber welche neuen Technologien kommen nach?

Carbon Capture, also CO2 aus der Atmosphäre zu holen. Fossile Brennstoffe kann man vermeiden, aber nicht den kompletten CO2-Ausstoss. Bei Carbon Capture and Storage (CCS) geht es darum, CO2 aus der Atmosphäre oder direkt aus Abgaßen zu filtern und z.B. unter der Erde zu speichern. Carbon Engineering möchte aus der Luft gefangenes CO2 in einen flüssigen Treibstoff umwandeln, und der Preis dafür könnte schon bald ähnlich niedrig sein wie für Benzin. Die bisherigen Versuche waren nicht gut genug finanziert, aber das änderte sich in den letzten 2 Jahren – Bill Gates hat z.B. 40 Millionen Dollar in Carbon Engineering gesteckt.

Warum ist deine Generation im Unterschied zu meiner oder den Baby-Boomern plötzlich 2019 so aktiv geworden?

Weil es sie direkt betrifft. Meine Kinder werden keinen Spaß haben, wenn wir so weitermachen. Es ist jetzt vielen Leuten klar geworden, auch, weil Greta das immer wieder so ausdrücklich wiederholt. Es gibt jetzt wirklich eine “Climate Anxiety”, die Menschen haben Schiss davor. Es ist angsteinflößend.

Manche sind der Meinung, dass Technologien den Klimawandel stoppen können, andere sagen, dass es vor allem der Verzicht ist – etwa Fahrrad statt Auto, vegane Ernährung statt Fleisch. Dein Ansatz?

Verzicht ist notwendig. Wir können und sollten unseren Fleischkonsum reduzieren. Ich selber bin vegan, aber ich will niemandem etwas verbieten. Aber man sollte sich vergegenwärtigen, dass Rindfleisch etwa zehn Mal schlechter für das Klima ist als Hühnerfleisch; das ist schon mal etwas.
Die jährlichen Emissionen der Menschheit sind das Produkt aus drei Faktoren: 1) Bevölkerungszahl, 2) Konsum pro Person und 3) CO2 pro Konsumeinheit. Das Wichtigste ist: Wenn wir nur auf Konsum verzichten, ist das Problem noch nicht gelöst. Reis und Züge verursachen zwar viel weniger Emissionen als Rindfleisch und Flugzeuge, aber nicht null. Global wollen wir den Konsum pro Kopf sogar nach oben bringen, sonst müssten viele in z.B. Afrika und Indien in Armut leben. Population und Konsum werden steigen, also was bleibt uns übrig? Emissionen pro Konsumeinheit senken, das ist das, woran ich die nächsten 30, 40 Jahre arbeiten will. Und das geht durch Atomkraft, Carbon Capture und viele andere Revolutionen, die noch kommen werden.
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