Ernährungswende: WWF will Steuer auf Obst und Gemüse abschaffen
Dem Weltklimarat IPCC zufolge beträgt der Anteil des Ernährungssektors am globalen Treibhausgasausstoß zwischen 21 und 37 Prozent (Sonderbericht Klimawandel und Landsysteme 2019). Besonders der Fleischkonsum belastet dabei die Umwelt – einerseits durch hohen CO2-Ausstoß, andererseits durch seinen hohen Bodenverbrauch. Der WWF fordert daher zehn Reformen von der Politik, um eine klimafreundliche Ernährungswende einzuführen. Die Vorschläge reichen von einer Abschaffung der Steuer auf Obst und Gemüse bis hin zu einem „Schulfach Ernährung“.
WWF-Expertin Hannah-Heidi Schindler präsentierte das Aktionspapier am 5. Mai 2022 vor Journalist:innen. Die drei Hauptforderungen: Pflanzliche Ernährung soll gefördert, Lebensmittelverschwendung bis 2030 halbiert und klimafreundliche Ernährung steuerlich begünstigt werden. Besonders hoher Fleischkonsum wirke sich schlecht auf das Klima aus, in Österreich werde traditionell aber viel davon gegessen. „Über 60 Kilo Fleisch ist jede:r Österreicher:in pro Jahr“, sagt Schindler. Das sei problematisch. „Ein Kilogramm Rindfleisch setzt 19,1 Kilogramm an Treibhausgasen frei, ein Kilogramm Kartoffeln im Gegensatz nur 600 Gramm“, führt sie weiter fort. Das Umweltbundesamt in Deutschland errechnete 2020 einen Durchschnitt von 13,6 Kilo CO2-Equivalente für ein Kilo Rindfleisch, bei einem Kilo Kartoffeln allerdings nur 200 Gramm.
Steuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte abschaffen
CO2-Fußabdruck hin oder her, grundsätzlich gilt – Fleisch verursacht in der Regel einen höheren CO2-Ausstoß als pflanzliche Ernährung. Die Politik sei nun gefragt, eine Ernährungswende umzusetzen. Etwa durch geringere Besteuerung von Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte. Der Steuersatz dafür soll laut WWF von 10 bzw. 13 Prozent auf 0 Prozent gesenkt werden. Auch die Mehrwertsteuer auf Pflanzenmilch soll von momentan 20 Prozent der von Kuhmilch (10 Prozent) angepasst werden.
Hohe Fleisch- und Milch-Emissionen machen Alternativen-Bedarf deutlich
Ein weiteres großes Problem ist die Lebensmittelverschwendung. Jährlich landen laut WWF knapp 1 Million Tonnen noch genießbarer Lebensmittel im Müll, gut die Hälfte davon falle im Haushalt an. Bis 2030 müsse man diesen Wert halbieren, die Politik sei nun gefragt, konkrete Maßnahmen gegen die Lebensmittelverschwendung vorzulegen.
Fleischkonsum an ein, zwei Tagen in der Woche
Auch der Ernährungsökologe Martin Schlatzer vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) forderte in der Pressekonferenz eine echte Ernährungswende. „Wenn wir nur 1 bis 2 Mal pro Woche Fleisch essen, sind bereits 28 Prozent der Treibhausgase des Lebensmittelsektors eingespart“, weiß der Experte. Allein durch eine Reduktion des Fleischkonsums um ein Viertel könne man den Verbrauch in Österreich komplett mit biologischem Fleisch abdecken. Zeitgleich sei man nicht mehr auf Sojaimporte aus Nord- und Südamerika angewiesen, deren Anbau die natürlichen Ökosysteme belastet.
„Neben den Benefits für die Umwelt ist weniger Fleisch auch gut für die Gesundheit“, betont Schlatzer. Das Risiko für Herzkreislauferkrankungen oder Diabetes werden bei einem geringen Fleischkonsum deutlich reduziert. Aus gesundheitlicher Sicht sei es essenziell, dass wir uns auf ein Drittel unseres jetzigen Fleischkonsums einpendeln. „Das wirkt sich auch positiv auf das Tierwohl aus und könnte Antibiotikaresistenzen reduzieren. Weltweit gehen rund zwei Drittel der Antibiotika in die Tierhaltung, in Österreich sind es 40 Prozent“, so Schlatzer. Antibiotikaresistenzen könnten in den nächsten Jahren zu einem großen Problem werden. Die WHO bezeichnet die immer weiter fortschreitende Ausbreitung antibiotikaresistenter Bakterien bereits als „Stille Pandemie“.
Warum essen wir nicht bereits weniger Fleisch?
Neben all den Vorteilen, die fleischärmere Ernährung mit sich bringt, was hält die Menschheit davon ab, weniger Fleisch zu essen? Fleisch ist oft noch zu billig. Rabattaktionen auf Billigfleisch gelten als gängiges Mittel, um Kund:innen in Supermärkte zu locken. Zudem ist vielen Menschen die Auswirkungen ihres Fleischkonsums auf das Klima gar nicht bewusst. So würde laut einer Studie der Uni Kopenhagen und der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften bereits die Einführung eines „CO2-Label“ helfen, den Fleischkonsum um bis zu 25 Prozent zu reduzieren.
Studie: Europäer und Amerikaner essen ab 2025 weniger Fleisch
Nicht zuletzt wird Fleischkonsum in unseren Breiten auch als Symbol des Wohlstandes gesehen, in ärmeren Regionen der Erde ist Fleisch immer noch ein Luxusgut. Es braucht also ein gesellschaftliches Umdenken, das Hand in Hand mit den Maßnahmen der Politik gehen muss, um nachhaltig Fleisch zu konsumieren.