Wir erleben den „ersten Krypto-Krieg in der Geschichte“ der Menschheit
Der blutige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat sich nicht nur – wie schon andere Konflikte zuvor – in den Cyberspace ausgeweitet, wo Hacktivisten und Regierungsanhänger:innen sich per Code einen Schlagabtausch liefern (Trending Topics berichtete). Es ist auch der erste Krieg der Menschheitsgesichte, in dem Kryptowährungen eine tragende Rolle spielen. 13 Jahre nach der Entstehung von Bitcoin versuchen beide Seiten, Krypto-Assets zu ihrem Vorteil in dem Konflikt zu nutzen. Crypto-Spenden werden für den Ankauf von Waffen genutzt, Russland meint, mit Bitcoin und Co. die Wirtschaftssanktionen und den Ausschluss aus WIFT kompensieren zu können.
Die Washington Post schreibt deswegen, dass es sich um den „ersten Krypto-Krieg der Welt“ handelt. Das hat nicht nur damit zu tun, dass beide Länder Krypto-Assets auf Basis neuer Gesetze (sowohl in Russland als auch in der Ukraine, Trending Topics berichtete) als neue Steuerquelle sehen. Historisch gesehen ist die Adoption von Krypto-Assets in beiden Ländern bereits verhältnismäßig hoch. Die Analysefirma Chainalysis nennt die Ukraine als bei der Adoption von BTC und Co. als „führendes Land in Europa“ und auf Platz 4 weltweit – hinter Vietnam, Indien und Pakistan. Das bedeutet, dass Krypto-Assets bei vielen Ukrainer:innen bereits im Alltag angekommen ist. So überrascht es dann auch nicht, dass sich Storys über Menschen verbreiten, die davon berichten, es mit Hilfe ihrer Krypto-Assets geschafft zu haben, zumindest Teile ihres Vermögens ins Ausland zu retten. Russische (manchmal staatsnahe) Hacker-Gruppen haben es laut Chainalysys im Vorjahr geschafft, rund 400 Millionen Dollar in Krypto-Assets durch Ransomware-Attacken einzunehmen.
#EuropeansAgainstWar: Gemeinsam ein Zeichen gegen diesen sinnlosen Krieg!
Mehr als 13 Mio. Dollar in Krypto-Spenden
Nun sieht man in der ersten Woche des großen Krieges zwischen Russland und der Ukraine, dass sich Krypto-Assets im Gegenwert von Millionen Dollar in Bewegung gesetzt haben. Die Analyse-Firma Elliptic rechnet vor, wie viel durch Spenden an ukrainische Wallets bis dato zusammen gekommen sind. „Die ukrainische Regierung und Nichtregierungsorganisationen, die das Militär unterstützen, haben seit dem Beginn der Invasion 13,7 Millionen Dollar durch Tausende von Kryptowährungs-Spenden gesammelt. Eine NGO erhielt eine einzige Bitcoin-Spende im Wert von 3 Millionen Dollar“, heißt es seitens Elliptic am Sonntag morgen. Ein interessanter Zusammenhang: Unter den Einnahmen der Wallet der ukrainischen Regierung ist eine Einzelspende in Höhe von 1,86 Millionen Dollar zu finden, die offenbar aus dem Verkauf von NFTs stammen, die wiederum ursprünglich zur Beschaffung von Mitteln für Julian Assange gedacht waren.
Bereits am Donnerstag und Freitag hat sich gezeigt, dass die Ukraine über Krypto-Assets viele Spenden erhalten kann. Dadurch befeuert, hat Mykhailo Fedorov, der ukrainische Digitalminister, via Tweet erneut zu Krypto-Spenden aufgefordert, die nun in BTC, ETH sowie im Stablecoin USDT (läuft als ERC-20-Token auf Ethereum) eingebracht werden können.
Außerdem gibt es die seit 2014 aktive NGO Come Back Alive des IT-Spezialisten Vitaliy Deynega. Er sammelt Spenden, die dann in militärisches und medizinisches Equipment investiert werden. Krypto-Assets sind enorm wichtig für Deynega. Denn so wurde Come Back Alive etwa von der Plattform Patreon suspendiert, weil die Finanzierung von militärischen Gruppen gegen ihre Richtlinien verstoße. Bitcoin ist da ein wenig, ohne Zwischenhändler oder Banken direkt an Spendengelder herankommen zu können.
Wer selbst einsehen will, wie viel BTC, ETH oder USDT ukrainische Wallets bis dato eingenommen haben, kann das hier tun (z.B. wie Block Explorer wie Ethercsan oder Blockchain.com). Die umgerechnet bis dato knapp 14 Millionen Dollar sind eine stattliche Summe. Zum Vergleich: Tschechien kündigte an, Waffen und Munition im Wert von 7,6 Millionen Euro zu liefern, die USA sagten der Ukraine 350 Millionen Dollar zu. Die andere Frage ist natürlich, was mit diesen Krypto-Spenden wirklich passiert. die ukrainische Seite muss ja auch andere Regierungen oder Unternehmen finden, die die Krypto-Assets als Zahlungsmittel annehmen.
Crypto-Adressen der ukrainischen Regierung:
- BTC: 357a3So9CbsNfBBgFYACGvxxS6tMaDoa1P (aktuell ca. 1,4 Mio. Dollar in BTC und 270.000 Dollar in BCH)
- ETH: 0x165CD37b4C644C2921454429E7F9358d18A45e14 (ca 4,7 Mio. Dollar in ETH)
- USDT: TEFccmfQ38cZS1DTZVhsxKVDckA8Y6VfCy (ca. 650.000 Dollar in USDT)
BTC-Adresse von Come Back Alive:
- BTC: bc1qkd5az2ml7dk5j5h672yhxmhmxe9tuf97j39fm6 (ca. 6,7 Mio. Dollar)
Adressen des Unchain Fund:
- ETH: 0x10E1439455BD2624878b243819E31CfEE9eb721C
- BSC: 0x67ef9A8D7f4ed931ac63e873b75d8F8dea64Cdb2
- Harmony: 0x50239f0D06636a4Ca97Fb2Ad7125fDDa63E692A4
- MATIC: 0xb37b3b78022E6964fe80030C9161525880274010
- AVAX: 0x0a1e264cDeb531657b7Ff65860B70bE6761DC7aa
Ukraine: Militär macht Crowdfunding für Verteidigung gegen Russland
Russland setzt auf Umgehung der Sanktionen
Auf der anderen, übermächtigen Seite sind Kryptowährungen ebenfalls ein Thema. Seitdem Putin die Schlinge um die Ukraine immer fester zog, hat Russland eine Kriegskassa von geschätzten 700 Milliarden Dollar angesammelt. Das wird Putin dabei helfen, diesen blutigen Angriffskrieg länger zu finanzieren. Dem EU-Abgeordneten Riho Terras aus Estland zufolge kostet Russland dieser Krieg pro Tag etwa 20 Milliarden Dollar – je länger er dauert, umso mehr frisst er sich in das russische Budget hinein. Dazu kommen die Sanktionen des Westens und der in der Nacht auf Sonntag beschlossene Ausschluss russischer Banken aus dem internationalen Bankeninformationssystem SWIFT (mehr dazu hier) und weitere, geplante Sanktionen gegen die russische Zentralbank. Bitcoin und Co könnten helfen, die Sanktionen zu umgehen.
Putin und seine Getreuen müssen vorhergesehen haben, dass der Westen angesichts des Überfalls auf die Ukraine die SWIFT-Keule auspacken wird. So schwenkte Putin von einem geplanten Krypto-Verbot in Russland kurz vor dem Start des Überfalls um, stattdessen soll es nun (unter strikten Auflagen) legal sein, Bitcoin und Co. in Russland zu handeln. Strenge Registrierungspflichten bei der Nutzung sollen dafür sorgen, dass entsprechende Steuern abgeführt werden und genau kontrolliert wird, wer im Land für was Bitcoin bezahlt. So ist es auch möglich, dass immer mehr Russen angesichts des harten Verfalls der eigenen Währung Rubel ihr Heil in BTC oder ETH suchen – wohl wissend, dass auch die Cryptos wegen des Ukrainekriegs in zusätzliche Kursturbulenzen gerieten. Hier die Preisentwicklungen der vergangenen 6 Monate im Vergleich:
- Bitcoin = Blau
- Ethereum = Violett
- Gold = Gelb
- Rubel = Rot
- ukrainische Hrywnja = Grün
Ein Instrument des Krieges
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat auch in der Krypto-Community selbst für einen Aufschrei gesorgt. Ethereum-Mastermind Vitalik Buterin, selbst mit russischen Wurzeln, hat selbst die (oben genannten) Krypto-Adressen der ukrainischen Regierung verifiziert und außerdem zu Spenden an den Unchain Fund aufgerufen. Deeser hat der eigenen Angaben zufolge bisher wiederum 1,3 Millionen Dollar (in ETH, BNB, MATIC, ONE und NEAR-Tokens) für humanitäre Hilfe in der Ukraine aufgestellt. „Dies ist ein Verbrechen gegen das ukrainische und russische Volk“, so Buterin.
Aber Buterin schreibt auch: „Ethereum ist neutral, aber ich bin es nicht.“ Und das gilt es in dem aktuellen Szenario immer zu berücksichtigen. Im Krypto-Westen liegt der Fokus jetzt darauf, zu verfolgen, welche BTC- und ETH-Spenden in den ukrainischen Wallets landen. Dass mit diesen Assets dann auch tödliche Waffen gekauft werden können und man nicht genau weiß, wer diese in die Hände bekommt, zeigt, dass Kryptowährungen nunmehr (nach Drogenhandel, Ransomware-Attacken usw.) auch ein Instrument des Krieges geworden sind. Die Blockchain fragt nicht, was mit den Coins und Tokens gemacht wird – sie verifiziert nur unaufhörlich Transaktion nach Transaktion. Auf ukrainischer Seite wie auf russischer Seite.