ESA: Wie Raumfahrtmissionen zukünftig nach Nachhaltigkeit bewertet werden sollen
Über unseren Köpfen fliegen laut der ESA) Millionen Teile von Weltraumschrott. Nur etwa 26.000 davon sind groß genug (über 10 Zentimeter), um von der Erde aus überwacht zu werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass die restlichen weniger gefährlich sind. Bereits wenige Millimeter große Stückchen können bei einem Zusammenstoß zu massiven Schäden an Satelliten führen.
Dadurch werden immer häufiger Satelliten, die beispielsweise unsere Kommunikationsinfrastruktur aufrecht erhalten sollten, zerstört. Bei diesen Kollisionen entsteht wiederum Schrott, der wiederum andere aktive Flugobjekte beschädigen kann. Somit ein nicht enden wollender Kreislauf. Auf Nachfrage von Tech & Nature gibt der ESA-Forscher Holger Krag daher an, dass einige strategische Bereiche des Weltraums in zwei bis drei Generationen bereits unbrauchbar sein könnten, wir berichteten.
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Um diesem Szenario entgegenzuwirken, arbeiten sowohl private Unternehmen, als auch die großen Raumfahrtbehörden wie ESA und NASA bereits an unterschiedlichen Ansätzen zum „Aufräumen“ des Alls. Diese kann man grob unterscheiden in die, durch welche bereits entsandte Flugobjekte wieder aus dem All geholt werden sollen und die, die zukünftig dafür sorgen sollen, dass die zukünftige Weltraumnutzung gar nicht erst Müll verursacht.
Das „Aufräumen“ des Weltraums erweist sich dabei als gar nicht so einfach. Das hat auch politische Hintergründe. Gerade das Entfernen von defekten Satelliten, bei denen man nicht immer sicher sein könne wem sie gehören, sei sowohl diplomatisch als auch politisch höchst heikel, so Nina Klimburg-Witjes, Forscherin an der Universität Wien im Gespräch mit Tech & Nature. Deshalb liegt die Hoffnung vor allem auf der zukünftigen Vermeidung von Weltraumschrott.
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Space Sustainability Rating
Aber auch an anderen, nicht technischen, Möglichkeiten zur Eindämmung des Weltraumschrott-Problems wird getüftelt. Die ESA arbeitet dafür im Moment an einem Space Sustainability Rating. Dieses Rating sollte eigentlich bereits ab Anfang diesen Jahres Raumfahrtunternehmen nach der Nachhaltigkeit ihrer Missionen bewerten und damit verantwortungsvolles Verhalten fördern, so die ESA. Bisher sind allerdings noch keine Bewertungen bekanntgegeben worden.
Die Nachhaltigkeit einer Mission wird anhand von Kriterien, wie der gemeinsamen Nutzung von Daten, der Wahl der Umlaufbahn, Maßnahmen zur Vermeidung von Kollisionen und den Plänen für den Rückzug der Satelliten aus der Umlaufbahn am Ende der Mission berücksichtigt. “Bonuspunkte“ gäbe es für optionale Elemente, wie z. B. Greifvorrichtungen, die für die mögliche künftige aktive Entfernung von Trümmern verwendet werden könnten, so die Informationen der ESA dazu.
Nach dem Bewerten aller Kriterien würden die Betreiber:innen von Raumfahrzeugen, Anbieter:innen von Startdiensten und Satellitenhersteller:innen ein „zertifiziertes“, „silbernes“, „goldenes“ oder „platinfarbenes“ Nachhaltigkeitszertifikat erhalten. Damit könnten sie nach außen weitergeben, wie nachhaltig ihre Missionen sind. “Dies wird die Transparenz erhöhen – ohne dass sensible oder geschützte Informationen preisgegeben werden”, so das Space Center (eSpace).
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Freiwilliger „Wettlauf an die Spitze“
Doch auch wenn dieses Projekt vielversprechende Ansätze hat, es kann keinen Staat zur Teilnahme und Einhaltung der Vorgaben verpflichten. Der Waltraum ist ein „global commons“ Raum, in dem kein Staat die Autorität hat Gesetzte festzusetzen. Dennoch könnte die Initiative großes Potenzial bergen. Nach zwei Jahren Entwicklung durch die ESA, dem World Economic Forum und einem gemeinsamen Team, wurde nun das Space Center (eSpace) an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) ausgewählt, das Space Sustainability Rating zu leiten und zu betreiben, um dessen Einführung vorzubereiten. Laut eSpace könnten die ersten Zertifikate bereits Anfang dieses Jahres vergeben werden.
„Anreize für ein besseres Verhalten zu schaffen, indem man den Akteuren die Möglichkeit gibt, im Wettbewerb um Nachhaltigkeit zu bestehen, wird zu einem ‚Wettlauf an die Spitze‘ führen, und eSpace an der EPFL ist eine großartige Organisation, um das SSR auf die nächste Stufe zu bringen,“ so Nikolai Khlystov, Community Lead for Mobility and Space beim Weltwirtschaftsforum, gegenüber der ESA.
Somit könnte mit dem Rating ein neuer Wettlauf im Weltraum beginnen. Diesmal nur nicht um den ersten Schritt auf dem Mond, sondern um die „grünste“ Mission. Hinzu kämen neben diesem eher prestigeträchtigen Titel, aber vielleicht auch reale ökonomische Vorteile. So könnte eine positive Bewertung zu niedrigeren Versicherungskosten oder besseren Finanzierungsbedingungen bei Geldgeber:innen führen, prognostiziert das World Economic Forum. Das dürfte für alle Instanzen dann interessant sein.
Mehrere Unternehmen, darunter Airbus, Astroscale, AXA XL, elseco, Lockheed Martin, Planet, SpaceX und Voyager Space Holdings haben das SSR-Konzept aktiv unterstützt und ihr Interesse an einer Teilnahme bekundet, sobald es bald öffentlich eingeführt wird, so die ESA.