ETH Zürich: Autonomes Roboterschiff sammelt Plastik aus dem Fluss
Dass das Meer voller Plastikmüll ist, ist keine Neuigkeit mehr. In fast allen Teilen der Weltmeere findet sich mittlerweile Plastik, von den Küsten bis in die Tiefsee. Jedes Jahr gelangen laut der Weltnaturschutzunion IUCN mindestes acht Millionen Tonnen Kunststoff ins Meer. Dort zermahlen ihn Sonne, Wind und Strömung in immer kleinere Partikel, die sich weit über den Globus verteilen. Damit gefährden sie nicht nur die marinen Ökosysteme, sondern sind auch für die Menschen zur Bedrohung geworden. Die Meere sind aber nur eine Art Sammelbecken für große Teile des Plastiks, das Menschen in die Umwelt bringen. Der größte Teil des Plastiks gelangt über Flüsse ins Meer. Praktisch gesehen wäre es sinnvoll, das Plastik schon hier abzufangen.
Roboterarm sortiert Plastikabfälle
Genau hier setzen Studierende der ETH Zürich an. Seit 2019 haben sie gemeinsam mit Freiwilligen daran gearbeitet, der Plastikflut direkt an den Flüssen entgegenzuwirken. Entstanden ist dabei Autonomous River Cleaning (ARC), ein System, das künstliche Intelligenz, Robotik und Automatisierung kombiniert, um Plastik aus den Flüssen zu fischen. Einfacher formuliert handelt es sich dabei um ein Schiff, das mit einem Fließband und Robotern ausgestattet ist und völlig autonom Plastik aufnehmen und sortieren kann. Das funktioniert folgendermaßen: ARC pumpt Luft ins Wasser, um natürliche Strudel nachzubilden, wie bei einem Whirlpool. So entsteht ein konstanter Aufwärtsstrom, durch den Partikel im Wasser an die Oberfläche gedrückt, Fische und andere Tiere aber nicht eingeschränkt werden. An die Oberfläche gelangt, nimmt das Schiff den nach oben gespülten Abfall auf. Ein Roboterarm, der mit einer Kamera versehen ist, identifiziert unterschiedliche Abfallobjekte und sortiert diese aus. Organisches Material, wie etwa Blätter oder Äste, wird vom Roboter als solches erkannt und an den Fluss zurückgegeben.
Das autonome Schiff erfüllt dabei neben dem Müllsammeln aber auch eine weitere Aufgabe: So soll die Analyse der Abfälle auch neue Erkenntnisse für die Plastikvermeidung bringen. Etwa, wie viel und welches Plastik derzeit in den Flüssen landet. Denn an genauen Zahlen dazu fehlt es oft. Zudem setzen die Studierenden GPS-Tracker ein, um zu untersuchen, wie sich die Abfälle durch die Strömungen bewegen. So gewinnen sie Einblicke, wie sich die Abfälle künftig besser beseitigen lassen. Derzeit wird der ARC-Prototyp in der Limmat in Zürich getestet. Das Projektteam hofft jedoch laut eigenen Angaben, das System im kommenden Jahr in größeren Flüssen in Afrika, Indien und Südostasien testen zu können.
Startup Plasticpreneur stellt Schutzausrüstung aus Plastikmüll her
Projekte behandeln nicht die Ursache
Weltweit gibt es mittlerweile einige Projekte, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Flüsse vom Plastikmüll zu befreien. Ein ähnliches Konzept verfolgt etwa die Initiative „The Ocean Cleanup“, die schon vor einiger Zeit mit seinem eigenen Projekt „Interceptor“ gestartet ist. Dabei handelt es sich um ein autonomes, mit Solarenergie betriebenes Schiff, das in Flüssen verankert wird. Mit Hilfe eines Förderbandes schaufelt es den schwimmenden Müll, der durch die Strömung in seinen „Rachen“ getrieben wird, aus dem Wasser und lagert es in dafür vorgesehene Behälter. Kritiker:innen merkten jedoch schon früh an, dass das neue System nur den an der Oberfläche schwimmenden Müll auffangen kann. Mit ARC bieten die Studierenden der ETH Zürich mit ihren Luftpumpen zwar eine Lösung für dieses Problem an. Doch die Kritik an solchen Säuberungsprojekten bleibt bestehen.
Der Bremer Biologe Sönke Hohn vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung gab im Deutschlandfunk etwa zu bedenken, das Projekte wie das „Ocean Cleanup“ der breiten Allgemeinheit das Gefühl vermitteln, an ihrem Verhalten nichts ändern zu müssen. Nach dem Motto: Eine Firma schafft den Abfall jetzt weg. Solche Projekte seien zwar nicht sinnlos, doch auf sie verlassen solle man sich nicht. „Wir müssen auch weiterhin an unserem Verhalten etwas ändern“, sagt der Biologe. Am Ende läuft es auch bei ARC auf dasselbe hinaus: Es geht darum, dass überhaupt weniger Plastik in Umlauf ist und letztendlich in den Flüssen gelangt. Dann müssen diese auch nicht gesäubert werden.