Ethereum 2.0: Die Neuerfindung der Blockchain
Ethereum, die zweit wichtigste Blockchain der Welt, ist mittlerweile fünf Jahre alt. Ein Jungspund im Vergleich zu Bitcoin, das nunmehr elf Jahre zählt und bis auf einige Forks im Wesentlichen blieb, wie es gebaut wurde, steht Ethereum vor seiner größten Verwandlung überhaupt. Noch gibt es kein genaues Datum, aber irgendwann im Sommer 2020 sollen die Grundsteine für eine neue Ära für Ethereum gelegt werden. Ethereum 2.0 steht vor der Türe und wird wichtige Änderungen für das Projekt von Vitalik Buterin und seinen Mitstreitern bringen – so große Änderungen, das viele meinen, Eth sei nachher etwas völlig anderes. Aber der Reihe nach.
ETH2 ist das lange angepeilte Update von Ethereum, das sich über die nächsten Jahre ziehen wird und im Wesentlichen zwei große Neuerungen auf die Blockchain bringen wird: Der Wechsel von Proof of Work (PoW) zu Proof of Stake (PoS) sowie das so genannte Sharding. Dieser Übergang wird bis 2021, vielleicht sogar 2022 dauern und in mehreren Phasen passieren, aber er soll zwei große Probleme lösen: die Stromfresserei der Blockchain und die heutige Beschränkung auf wenige Transaktionen pro Sekunde mit all ihren Folgen.
Schluss mit dem Stromfressen
Blockchains, die nach „Proof of Work“ funktionieren, sind Stromfresser. Bitcoin wird dafür kritisiert, weil das Schürfen der Coins weltweit bereits so viel Energie verschlingt wie ganz Algerien und einen CO2-Ausstoss hat, der sich mit jenem von Myanmar messen kann. Ether entsteht ebenfalls durch Mining – Großrechner knacken komplizierte Zahlenrätsel, ihre Betreiber werden mit immer neuen ETH für die Bereitstellung der Rechen-Power belohnt.
Mit Proof of Stake soll das anders werden. Beim Schreiben von Blöcken sollen nicht mehr die mit der größten Rechen-Power belohnt werden, sondern im Prinzip jeder, der am Netzwerk teilnimmt. Dabei bestimmt ein Algorithmus, welche Teilnehmer ausgewählt werden, um Blöcke zu validieren und die Belohnungen für den Einsatz zu erhalten. Die neuen ETH werden anteilsmäßig verteilt. Vereinfacht gesagt: Hat man 1 Prozent aller ETH, bekommt man 1% der Belohnungen.
Um die Blöcke schreiben zu können, wird man keine Mining-Rigs mehr brauchen, sondern lediglich einen ordentlichen Computer. Es ist aber auch anzumerken, dass ein Smartphone oder herkömmliches Notebook nicht reichen wird, aber man wird keine riesigen Mining-Anlagen betreiben müssen, um ETH staken zu können. Das soll den Stromverbrauch drastisch reduzieren. „Proof of Stake ist aus ökologischen Gesichtspunkten sehr zu begrüßen. Das löst das bisherige, zu Recht kritisierte Problem, dass beim Minen extrem viel Strom verbraucht wird“, sagt der Blockchain-Experte Bernhard Blaha von Cryptix
Werden die Reichen reicher?
Wer bei Ethereum 2.0 als Node bei Proof of Stake mitmachen möchte, wird voraussichtlich mindestens 32 ETH auf einer Wallet dauerhaft halten müssen (deswegen „stake“). 32 ETH sind nach aktuellem Kurs etwa 7.700 Dollar wert, und viele Ethereum-Liebhaber sind gerade dabei, sich diese Menge an Token zu sichern.
Skepsis bei Proof of Stake ist natürlich angebracht. Wenn nun die Ausschüttung der Belohnungen (also die neuen ETH) an die Menge der ETH hat gekoppelt ist, die man bereits besitzt – macht ein solches System nicht nur die Reichen reicher? Nein, meint Blockchain-Experte Blaha. „Klar es braucht ein wenig Kapital, um beim Staken mitmachen zu können. Aber das ist weitaus leistbarer als heute, wo man zum Minen richtig viel Geld in entsprechende Rechner investieren muss“, sagt Blaha. „Außerdem gibt es Staking Pools, mit denen bereits ab dem 1. Euro eine Partizipation am Netzwerk möglich ist.“
Wenn es eng wird in den Blöcken
Neben dem Stromverbrauch und Tendenzen zur Zentralisierung des Netzwerks rund um Miner gibt es bei Ethereum derzeit noch einen anderen großen Kritikpunkt: Die begrenzte Zahl an möglichen Transaktionen pro Sekunde. Derzeit schafft die Ethereum-Blockchain etwa 15 Transaktionen pro Sekunde. Das ist sehr sehr wenig im Vergleich zu anderen Netzwerken. Das Payment-Netzwerk von Visa etwa hat eine Kapazität von etwa 50.000 Transaktionen pro Sekunde – deswegen können Millionen Menschen weltweit gleichzeitig mit ihren Visa-Karten zahlen, und warten zu müssen.
Für Ethereum ist die derzeitige Limitierung ein Problem. Vitalik Buterins Projekt versteht sich ja als Plattform, auf der andere Organisationen, Entwickler, Startups, Unternehmen etc. ihre Anwendungen (dApps) und Smart Contracts laufen lassen können – und da sind Kapazitätsgrenzen natürlich hinderlich – und teuer. Die Netzwerk-Engpässe haben dazu geführt, dass die Transaktionspreise seit Juni in die Höhe schießen (siehe Grafik unten). Vor allem der Boom des auf Ethereum basierenden Stablecoins Tether (USDT, mehr dazu hier) und neuen DeFi-Apps (z.B. Uniswap and Kyber Network), die viele Transaktionen brauchen, sorgen für die Engpässe.
Sharding: Die Zersplitterung der Chain
Ethereum 2.0 aber soll nicht 15, sondern hunderttausende Transaktionen pro Sekunde schaffen. Dafür wird aber nicht einfach die Blockgröße erhöht, wie es etwa bei Bitcoin Cash der Fall war. Die Gefahr dabei liegt, dass alle Nodes diese größeren Datenmengen verarbeiten müssten, was wiederum die Dezentralisierung einschränkt, weil dann wieder nur die mit den großen Rechenzentren Blöcke schreiben können, aber nicht potenziell jeder.
Deswegen wird Ethereum 2.0 das so genannte Sharding, also die Zersplitterung der Blockchain bringen. Es soll dann viele kleine Shard-Chains geben, die nur Bruchteile der gesamten Blockchain verarbeiten, und eine große Beacon-Chain, die die vielen kleinen Shard-Chains koordiniert. Es könnte dann sein, dass einzelne Shard-Chains sich auf bestimmte Bereiche spezialisieren und die Regelwerke anderer Blockchains abbilden.
Wenn das gelingt, dann würde Ethereum 2.0 vielleicht sogar zu einer Über-Blockchain, die wichtiger wird als jene von Bitcoin. „Es sind mittlerweile mehr Bitcoins auf der Ethereum-Chain abgebildet als im gesamten Lightning Network“, sagt Blaha. „Mit Sharding und einem viel größeren Transaktionsvolumen kommt Ethereum einen Schritt näher daran, die Vorherrschaft im Blockchain-Ökosystem zu erlangen.“