Regulierung

EU-Lieferkettengesetz beschlossen: Den einen zu hart, den anderen zu sanft

Frachter auf Kurs. © Ian Taylor auf Unsplash
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Der EU-Rat hat sich nach langen Verhandlungen beim letztmöglichen Anlauf am Freitag doch noch auf das EU-Lieferkettengesetz verständigt. Zuletzt gab es Verschiebungen bei mehreren Abstimmungen, berichtet der Standard. Einige Staaten, allen voran Deutschland, Italien und Österreich, wollten nicht zustimmen, obwohl es bereits im Dezember einen vorläufigen politischen Kompromiss gegeben hatte. Die Richtlinie soll Unternehmen dazu verpflichten, ihre Zulieferer auf Verstöße gegen Umwelt- und Menschenrechte zu kontrollieren und Abhilfemaßnahmen zu setzen.

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EU-Lieferkettengesetz mit vielen Kompromissen

Die belgische Ratspräsidentschaft hatte kürzlich einen Kompromissentwurf vorgelegt, über den die Mitgliedsstaaten am Freitag in Brüssel diskutierten. Der Vorschlag sah vor allem längere Übergangsfristen vor und sollte bestimmte Unternehmen von den Pflichten der Richtlinie ausnehmen. Für diesen Kompromiss fand sich jetzt die notwendige qualifizierte Mehrheit unter den EU-Staaten. Beschlossene Sache ist die Richtlinie aber noch nicht. Zwar hat es bereits vergangenes Jahr eine vorläufige Einigung unter den EU-Institutionen gegeben, aufgrund der weitgehenden Änderungen könnten das EU-Parlament allerdings noch einmal Gegenvorschläge machen.

Wie die Einigung der EU-Staaten im Detail aussieht, ist derzeit noch unklar, doch es sollte im Grunde der von Belgien vorgeschlagenen Kompromiss sein. Das Größenkriterium für Unternehmen, die direkt von der Richtlinie betroffen sind, könnte demnach auf 1.000 Mitarbeitende bzw. 450 Millionen Euro Jahresumsatz erhöht werden. Laut dem ursprünglichen Entwurf waren Unternehmen ab 500 Mitarbeiter:innen und einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro erfasst. Niedrigere Grenzen für besonders sensible Bereiche wie die Textil- oder Lebensmittelbranche werden offenbar gänzlich gestrichen.

Zudem dürfte es für die betroffenen Unternehmen deutlich längere Übergangsfristen geben. Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden müssten die Vorgaben erst drei Jahre nach Inkrafttreten der nationalen Gesetze einhalten, Firmen ab 3.000 Mitarbeiter:innen nach vier Jahren und jene mit mehr als 1.000 Mitarbeiter:innen nach fünf Jahren. Für viele Betriebe würde die Richtlinie damit erst Anfang des nächsten Jahrzehnts schlagend werden.

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Deutschland soll sich enthalten haben

Auch inhaltlich dürfte es Änderungen geben. Schon im bisherigen Entwurf sollte die geplante zivilrechtliche Haftung für Menschenrechtsverstöße und Umweltschäden nur in Ausnahmefällen greifen. Laut dem Kompromissvorschlag sollen die EU-Staaten bei der Umsetzung der Richtlinie nun einen noch größeren Spielraum haben. Boni für Manager sollen sich, anders als zunächst vorgesehen, zudem nicht mehr an den EU-Klimazielen orientieren müssen.

Welche Länder mit dem Kompromiss einverstanden waren, ist bis dato unklar. Mehrere Staaten, darunter auch Deutschland, sollen sich enthalten haben. Die anderen Staaten sollten sie jedoch überstimmt haben. Der Kompromiss im Ausschuss der ständigen Vertreter der EU-Staaten (AStV) muss nun formal abgesegnet und an das EU-Parlament übermittelt werden. Dem Vernehmen nach könnte sich der zuständige Parlamentsausschuss Ende März oder Anfang April mit der Richtlinie befassen. Ist das EU-Parlament mit dem Vorschlag einverstanden, könnte die Richtlinie noch vor der EU-Wahl im Juni formell beschlossene Sache werden.

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Wirtschaft kritisiert „Bürokratiemonster“

Die Meinungen über das Lieferkettengesetz sind geteilt, manchen geht es zu weit, anderen nicht weit genug. Die Wirtschaftskammer Österreich kritisiert die Regulierung und befürchtet, die EU habe damit ein „Bürokratiemonster“ von der Leine gelassen.

„Wir dürfen auch nicht die akute Gefahr unterschätzen, dass sich europäische Unternehmen aus bestimmten Drittstaaten aus Sorge vor ausufernden Haftungsrisiken zurückziehen. Damit würde der Schutzzweck des EU-Lieferkettengesetzes unterlaufen werden. Was es jetzt unbedingt braucht, sind rasche und effektive staatliche Unterstützungsmaßnahmen, wie sie im EU-Lieferkettengesetz vorgesehen sind, um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes nicht weiter zu gefährden“, sagt Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich. Ähnlich sehen es auch der Österreichische Wirtschaftsbund und die Industriellenvereinigung.

Organisationen sehen „Verwässerung“

Andere sehen die Einigung als wichtigen Schritt: Global 2000 lobt die Entscheidung und meint, dass es nun endlich einen rechtlichen Rahmen gibt, um Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen, die von Umweltzerstörung, Menschenrechtsverletzungen und Kinderarbeit profitieren. Der Südwind Verein für Entwicklungspolitik und globale Gerechtigkeit sieht das Gesetz auch als positive Entwicklung, kritisiert jedoch die mögliche Hochsetzung der Firmengrößen und auch die bisherige Blockadehaltung Österreichs.

„Die neuerliche Verwässerung, um das EU-Lieferkettengesetz zu retten, schmerzt. Nicht nur hinsichtlich der eingeschränkten Effektivität der Richtlinie, sondern auch aufgrund der demokratiepolitischen Komponente, die hier mitschwingt: EU-Mitgliedsstaaten waren auf Zuruf der Industrielobby dazu bereit, die demokratischen Spielregeln der Europäischen Union in Frage zu stellen“, so Stefan Grasgruber-Kerl, Lieferketten-Experte von Südwind.

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