EU-Lieferkettengesetz: Trickle-Down-Effekt trifft auch viele kleine Firmen
Profis sagen „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ (CS3D), wer es einfacher haben will, der nennt sie einfach EU-Lieferkettengesetz: Heute Donnerstag ist in Brüssel eine neue Richtlinie für mehr Nachhaltigkeit in der Wertschöpfungskette beschlossen worden. Ziel ist, dass Unternehmen ihre negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt (Kinderarbeit, Sklaverei, Ausbeutung von Arbeitskräften, Umweltverschmutzung, Abholzung, übermäßiger Wasserverbrauch oder Schädigung von Ökosystemen) mindern müssen.
Unternehmen müssen ihre „negativen Auswirkungen und die ihrer vor- und nachgelagerten Partner, einschließlich der Produktion, der Lieferung, des Transports und der Lagerung, der Gestaltung und des Vertriebs auf die Menschen und den Planeten ermitteln, bewerten, verhindern, abmildern, beenden und beheben“, heißt es aus dem EU-Parlament. In jedem EU-Land wird eine eigene Behörde beaufsichtigen, ob die Firmen das auch einhalten.
Zwar sind von der neuen Richtlinie unmittelbar nur Unternehmen mit über 500 Mitarbeiter:innen und einem Umsatz über 150 Millionen Euro erfasst bzw. Firmen mit 250 Beschäftigten und mit einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro, sofern sie in bestimmten Branchen tätig sind (Herstellung von und Großhandel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen, Landwirtschaft einschließlich Forstwirtschaft und Fischerei, Herstellung von Nahrungsmitteln und Handel mit landwirtschaftlichen Rohstoffen, Gewinnung von und Großhandel mit Bodenschätzen).
Global 2000: Klimaschutz in Lieferketten zeigt Handlungsbedarf
Auch KMU sind Teil der Wertschöpfungskette
Doch tatsächlich sind indirekt nahezu alle Unternehmen betroffen, da sie in der Lieferkette den direkt betroffenen Unternehmen vor- oder nachgelagert sind. „Das Verständnis von „Wertschöpfungskette“ ist weiterhin sehr weit und beinhaltet nicht nur negative Auswirkungen, die von Lieferant:innen ausgehen („inside out„), sondern auch negative Auswirkungen, die vom eigenen Unternehmen ausgehen („outside in„). Die Pflichten werden also – wie bisher schon geplant – unabhängig den Schwellenwerten praktisch alle Unternehmen, so auch KMU treffen, die Teil der Wertschöpfungskette sind“, heißt es dazu seitens Dorda Rechtsanwälte. „Betroffen sind sogar Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU. Ob Finanzdienstleister wie Banken auch erfasst sind, soll offenbar Gegenstand eines separaten Review-Prozesses sein.“
Die österreichische Industriellvereinigung befürchtet nun, dass die „bestehenden administrativen Kosten in die Höhe schnellen“. Brüssel hätte „unerfüllbare Informations- und Prüflasten“ eingeführt und ein „Bürokratiemonster“ erschaffen, so iv-Präsident Georg Knill. Das sei von mittelständischen Unternehmen „schlicht nicht umsetzbar“. Auch die WKÖ warnt vor einem „Trickle-Down-Effekt“ von den großen, direkt betroffenen Unternehmen, hinunter zu den kleineren, die indirekt betroffen werden.
Sorgen wegen administrativem Aufwand
„Kleinere Unternehmen dürfen als Zulieferer durch Vertragsklauseln nicht unter Druck gesetzt werden. Besonders für KMU sind der Bürokratieaufwand und die Dokumentationspflichten schwer verkraftbar. Der administrative Aufwand und die Kosten für Verwaltungsvorschriften müssen bei der Umsetzung so gering wie möglich gehalten werden“, so Rosemarie Schön, Leiterin der Abteilung Rechtspolitik in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
Begrüßt wird das EU-Lieferkettengesetz währenddessen von Fairtrade Österreich als „Meilenstein auf dem Weg zur Stärkung von Menschenrechten und Umweltschutz entlang globaler Lieferketten“. Bei der Umweltschutzorganisation Global2000 begrüßt man die Direktive zwar grundsätzlich schon, sieht aber Lücken. Statt weitere Klimazerstörung tatsächlich zu verhindern, wurde das Pariser Klimaabkommen aus dem Anhang gestrichen. So fehlt die Verknüpfung mit zivilrechtlicher Haftung”, soAnna Leitner, Expertin für Ressourcen und Lieferketten bei GLOBAL 2000. „Damit ist leider eine riesige Chance für mehr Klimagerechtigkeit verpasst worden.“