EU-Parlament spricht sich für strengere Regeln bei Tiertransporten aus
Bereits im Dezember 2021 legte ein Untersuchungsausschuss, der im Zusammenhang mit dem Schutz von Tieren beim Transport eingesetzt wurde, seine Ergebnisse dem EU-Parlament vor. Nachdem dieser 18 Monate lang die Situation in ganz Europa bewertete, deckte er in seinem Bericht systematische Versäumnisse bei der Durchsetzung der bestehenden Vorschriften zum Schutz von Tieren beim Transport auf und forderte strengere Regeln. „Es ist wichtig, das gleiche Schutzniveau für Tiere während des gesamten Transports sicherzustellen, genauso wie es für Transporteur:innen und Fahrer:innen wichtig ist, ein einheitliches Regelwerk für grenzüberschreitende Transporte zu haben.“, so die Ausschussvorsitzende Tilly Metz, Mitglied der Grünen/EFA aus Luxemburg. Über dieses einheitliche Regelwerk stimmten die Abgeordneten nun aktuell während der Plenartagung ab.
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Klare Mehrheit für neue Vorschriften
Laut EU werden jedes Jahr Millionen von lebenden Tieren auf dem Straßen-, See-, Schienen- und Luftweg innerhalb und außerhalb der EU zum Schlachten, Mästen oder Züchten transportiert. Die Regelungen, die dafür bereits 2005 in Kraft traten, wurden bisher kaum eingehalten. Zu den offensichtlichsten Verstößen gehörten laut der neuen Pressemitteilung des Parlaments fehlende Kopffreiheit, Wasser- oder Futterversorgung für transportierte Tiere, der Transport von Tieren, die nicht transportfähig sind, und Überbelegung. Zudem wurden laut dem Bericht ungeeignete Fahrzeuge verwendet, und die Transporte fänden manchmal bei extremen Temperaturen und langen Transportzeiten statt.
Um hier Abhilfe zu schaffen, sprachen sich heute 557 der 690 Abgeordnet:innen für neue Empfehlungen aus – 55 stimmten dagegen. Nun fordern sie die EU-Kommission und die EU-Länder auf, ihre Bemühungen zur Einhaltung des Tierschutzes beim Transport zu verstärken, die EU-Vorschriften zu aktualisieren und einen EU-Kommissar für den Tierschutz zu ernennen.
Keine Transporte über 30 Grad
Konkrete Empfehlungen sind die Transportzeit für Schlachttiere auf maximal acht Stunden und bei trächtigen Tieren, im letzten Drittel der Trächtigkeit, auf maximal vier Stunden zu begrenzen. Kälber, die noch nicht von der Milch entwöhnt wurden und jünger als vier Wochen alt sind, sollen künftig maximal 50 Kilometer weit transportiert werden. In vorherigen Vorschlägen wurde generell ein Transportverbot für Kälber unter fünf Wochen vorgeschlagen, dieser konnte sich bei den Konservativem und vielen Liberalen und Sozialdemokraten nicht durchsetzen.
Außerdem sollen Tiermisshandlungen verhindert werden, in dem Überwachungskameras in Transportfahrzeugen, insbesondere das Be- und Entladen aufzeichnen und Fahrer:innen verpflichtet werden, Tierärzt:innen bei Transportverletzungen zu informieren. Im Hochsommer könnte man, wenn es nach den Abgeordnet:innen geht, bald gar keine Tiertransporte mehr sehen. Sie fordern von den nationalen Behörden, Tiertransporte nur dann zu genehmigen, wenn eine Temperatur zwischen fünf Grad Celsius und 30 Grad Celsius vorhergesagt wird.
Und auch bei dem Transport in Nicht-EU-Staaten sollten Mitgliedstaaten künftig kontrollieren, dass alle Richtlinien eingehalten werden. Das EU-Parlament fordert Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten, die die Probleme nicht beheben,
Kritik von EU-Grünen und Tierschutz-NGOs
Was sich somit zunächst nach einem gelungenen Wurf anhört, stößt bei Tierschutz-NGOs und den EU-Grünen trotzdem auf viel Kritik, vor allen Dingen an den Entscheidungen der Konservativem und vielen Liberalen und Sozialdemokraten. So kritisieren letztere in einer schriftlichen Mitteilung, dass keinerlei Empfehlungen für eine generelle maximale Transportdauer oder zur zeitlichen Limitierung von Tiertransporten auf Schiffen im Text zu finden sei. Auch die vorliegenden Empfehlungen zu einem Alterslimit von vier Wochen und das auch nur bei Kälbern kritisieren sie.
Ein wenig Positives gibt es für die Grünen doch: „Positiv hervorheben möchte ich das Verbot von Transporten in Drittstaaten, in denen Europäische Tierschutzbestimmungen nicht eingehalten werden, ein Zeitlimit von max. 4 Stunden für den Transport von sehr alten Tieren sowie Hasen und Geflügel, sowie die verpflichtende Anwesenheit eines:r Veterinärmediziners:in auf Transportschiffen. Deswegen habe ich schlussendlich dem vorliegenden, schwachen Text zugestimmt. Jede Verbesserung im Tierwohl ist es wert, dafür zu kämpfen. Auch wenn das Endergebnis mehr als enttäuschend ist“, so der grüne EU-Abgeordnete, Thomas Waitz.
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Die Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ äußert sich ebenfalls kritisch: Wir sind enttäuscht. (…) Wir
fordern nun von der Kommission ein Verbot von Seetransporten, von Transporten in Drittstaaten sowie von Transporten von nicht abgesetzten Kälbern. Die von den EU-Abgeordneten beschlossene 4-Stunden-Beschränkung für Geflügel und Kaninchen muss die EU-Kommission unbedingt übernehmen. Abgesehen davon aber muss generell für alle Tiere die maximale Transportzeit auf acht Stunden reduziert werden!“, so die VIER PFOTEN Kampagnenleiterin Veronika Weissenböck in einer Aussendung.
Die Tierschutzorganisation „Verein gegen Tierfabriken“ spricht von einem „fatalen Ergebnis“. Insbesondere die fehlende zeitliche Transportlimitierung für alle Tiere auf den Straßen und der Luft mit acht Stunden und 24 Stunden auf den Schiffen und dem fehlenden Transportverbot von nicht abgesetzten Tieren unter fünf Wochen und trächtigen Tieren im letzten Drittel der Schwangerschaft kritisieren sie. Zudem fehle das Exportverbot in Drittstaaten, die nicht mindestens gleich hohe Tierwohlstandards haben, wie die EU.
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Aktionsplan ab 2023
Die genannten Dinge sind nur Empfehlungen. Ändern tun diese erstmal nichts. Bis 2023 soll ein neuer Gesetzesentwurf für das europäische Tiertransportgesetz vorgelegt werden, so die Angaben der EU-Kommission. Bis dahin fordert das EU-Parlament die EU-Kommission auf, einen Aktionsplan vorzulegen, der ein solches Ziel unterstützen würde. Damit könnte zukünftig gefordert werden, dass nicht mehr die Zuchttiere sondern nur noch die Samen oder Embryonen transportiert werden. Oder Schlachtkörper und Fleisch gegenüber dem Schlachttier beim Transport bevorzugt werden. Um etwaige sozioökonomische Auswirkungen eines derartigen Wandels möglichst gering zu halten, soll die EU-Kommission zudem ein Vorschlag zu einem möglichen spezifischen Fonds ausarbeiten.