EU-Parlament: Streit um biometrische Massenüberwachung
Die im EU-Parlament geplante Verordnung für Künstliche Intelligenz wackelt kurz vor der Plenarabstimmung am Dienstag erneut. Grüne, Liberale und Linke werfen der konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), der unter anderem die ÖVP angehört, einen Bruch der bisherigen Einigung auf eine gemeinsame Position der Volksvertreter:innen vor. Knackpunkt sind laut heise die seit Langem besonders umkämpften Klauseln für oder gegen biometrische Massenüberwachung, beispielsweise bei der Gesichtserkennung. Die EVP schere hier nun aus und lege ein „kindisches Verhalten“ an den Tag, moniert der bei den Verhandlungen mit am Tisch sitzende grüne EU-Abgeordnete Sergey Lagodinsky.
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Biometrische Massenüberwachung „inakzeptabel“
Seine Kollegin Svenja Hahn von den Liberalen unterstellt der EVP, „zum Angriff auf unsere Bürgerrechte“ zu blasen, „indem sie mit ihren Änderungsanträgen biometrische Massenüberwachung ermöglichen will“. Techniken wie automatisierte Gesichtserkennung zum Ausmachen von Verdächtigen „kennen wir aus China“. Sie hätten „in einer liberalen Demokratie nichts zu suchen“. Lagodinsky bezeichnet es als „A und O, dass wir es geschafft haben, biometrische Massenüberwachung zu verbieten.“ Auf diesen „absolut essenziellen“ Teil des Pakets hätten sich die EVP-Berichterstatter – im Gegensatz zur gesamten Fraktion – eingelassen.
Teil des Kompromisses, auf den sich federführende Ausschüsse für bürgerliche Freiheiten, Inneres und Justiz sowie für den Binnenmarkt und Verbraucherschutz einigten, ist die Wertung von biometrischer Massenüberwachung als „inakzeptabel“. Der Einsatz KI-gestützter Erkennungstechniken soll laut der Empfehlung der beiden Gremien fürs Plenum auch im Nachgang zur Fahndung nach Täter:innen nur bei schweren Straftaten mit gerichtlicher Anordnung zulässig sein. Ein Verbot soll zudem gelten für „das wahllose und ungezielte Sammeln biometrischer Daten aus sozialen Medien oder Überwachungsvideos, um Datenbanken zur Gesichtserkennung zu erstellen oder zu erweitern“.
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EVP will Überwachung in Ausnahmefällen erlauben
Die EVP ist jedoch gegen diese Vereinbarung. Im Wesentlichen wollen die Konservativen im Plenum mit einem Antrag der gesamten Gruppe zurück zum ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission. Dieser würde die Echtzeitnutzung biometrischer Systeme in drei Fällen ermöglichen: Um eine vermisste Person zu finden, terroristische Anschläge zu verhindern oder schwere Straftaten zu verfolgen.
Schattenberichterstatter Axel Voss (CDU) räumt ein, dass der Gruppenantrag seiner Fraktion ein „problematischer Punkt“ sei. Er hätte diesen auch gern auf „Individualanträge“ einzelner Abgeordneter zurückgedrängt, die meist wenig erfolgversprechend sind. Einen Verstoß gegen die bisherige Vereinbarung sieht er dennoch nicht, da die EVP immer deutlich gemacht habe, dass sie den Einsatz von KI-Verfahren zur Strafverfolgung grundsätzlich ermöglichen wolle. Der Gruppenantrag könne nun zu einer Eskalation führen. Er hoffe aber, dass die anderen Fraktionen damit „vernünftig“ umgehen und nicht die gesamte KI-Verordnung am Ende ablehnen.