Die Menschen mit den Essensboxen am Rücken bekommen in der EU bessere Arbeitsrechte
„Versandsoldaten“ und „Logistikproletariat“ nennt der deutsche Satiriker Jan Böhmermann sie, „Gig Economy“ sagen Ökonomen dazu, von warnenden Stimmen werden sie „digitale Tagelöhner“ geheißen, „Platform Workers“ nennt sie die EU. Sie radeln für Deliveroo, fahren für Uber, sammeln Roller für E-Scooter-Anbieter ein oder klicken für Mechancial Turk. Viele dieser Freiberufler freelancen im Auftrag der Plattformbetreiber und bekommen Honorare für die erledigten Mini-Jobs bezahlt – also etwa dann, wenn sie eine Pizza an der Haustüre abliefern.
Diese Crowd- und Click-Worker, also Gelegenheits-Jobber oder Teilzeitangestellte mit atypischen Verträgen, sollen in der EU nun bessere Rechte bekommen. Bedeutet im Umkehrschluss: Die Betreiber der Plattformen werden stärker in die Pflicht genommen. Die Verhandlungsführer des EU-Parlaments, des Ministerrats und der Kommission haben sich diese Woche auf den Entwurf für eine Richtlinie zu transparenteren und verlässlicheren Arbeitsbedingungen geeinigt. Der Entwurf wurde bereits 2017 vorgelegt. Endgültig beschlossen werden soll die Richtlinie im April, also kurz vor den EU-Wahlen.
Die neuen Regeln
Überstunden, schlechte Bezahlung, unsichere Auftragsverhältnisse – mit diesen Umständen müssen sich die Plattform-Arbeiter täglich herumschlagen. „Kurzzeitbeschäftigte, On-Demand-Mitarbeiter, mit Gutscheinen bezahlte Arbeiter, Beschäftigte von Plattformen sowie bezahlte Auszubildende verdienen Mindestrechte“, heißt es seitens EU-Parlament. Darunter fallen solche, die mehr als drei Stunden pro Woche bzw. mehr als 12 Stunden pro Monat in solchen atypischen Beschäftigungsverhältnissen stehen.
Die neue Regeln, die das EU-Parlament und Rat noch annehmen müssen, lauten wie folgt:
- Vorhersehbare Arbeitszeiten und Kündigungsfrist: Arbeitnehmer, die im Rahmen von Abrufverträgen oder ähnlichen Beschäftigungsformen tätig sind, sollten über ein Mindestmaß an Vorhersehbarkeit wie vorgegebene Referenzstunden und Referenztage verfügen. Arbeitnehmer sollten in der Lage sein, einen Auftrag außerhalb der vorgegebenen Stunden ohne Folgen abzulehnen oder entschädigt zu werden, wenn der Auftrag nicht rechtzeitig gekündigt wurde.
- Die Mitgliedstaaten ergreifen Maßnahmen, um missbräuchliche Praktiken On-demand-Verträgen zu verhindern. Solche Maßnahmen können Beschränkungen der Nutzung und der Dauer des Vertrags, eine widerlegbare Vermutung des Bestehens eines Arbeitsvertrags mit einem Mindestbetrag an bezahlten Stunden, basierend auf den durchschnittlichen Arbeitsstunden eines bestimmten Zeitraums, oder andere Maßnahmen mit gleichwertiger Wirkung umfassen. Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten treffen, müssen der Kommission mitgeteilt werden.
- Mehrere Jobs gleichzeitig: Der Arbeitgeber sollte Arbeitnehmern nicht verbieten, strafen oder daran hindern, bei anderen Unternehmen eine Arbeit anzunehmen, wenn diese nicht in dem mit dem Arbeitgeber festgelegten Arbeitszeitplan fällt.