EU-Regeln für fehlerhafte Produkte endlich an zeitgemäße Technologien wie KI angepasst
Die EU plant die bestehenden Vorschriften für fehlerhafte Produkte zu überarbeiten, um den Verbraucher:innenschutz zu verbessern bzw. dabei endlich auch mit den neuen Entwicklungen bezüglich KI Schritt zu halten. So soll beispielsweise sichergestellt werden, dass bei Schäden durch KI “dasselbe Schutzniveau wie bei herkömmlichen Technologien” gewährleistet wird. Nach einem gemeinsamen Bericht des Rechtsausschusses und des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz verabschiedete das Parlament im Oktober 2023 mit 33 Ja-Stimmen, 2 Nein-Stimmen und keiner Enthaltung seinen Standpunkt zu den überarbeiteten Vorschriften.
Produkthaftungsrichtlinien erstmals vor 40 Jahren verabschiedet
Die bestehenden Produkthaftungsrichtlinien haben schon lange ein Update gebraucht, denn sie wurden tatsächlich erstmals vor fast 40 Jahren verabschiedet. An das Jahr angepasste Haftungsvorschriften sind jedoch eine Notwendigkeit, vor allem im Hinblick auf den ökologischen und digitalen Wandel. Im September 2022 veröffentlichte die Europäische Kommission schließlich den ersten Vorschlag zur Anpassung der Leitlinien, “um den technologischen Vorteilen neuer Produkte Rechnung zu tragen.“
Der für den Binnenmarkt zuständige Kommissar Thierry Breton äußerte sich im vergangenen Jahr mit den folgenden Worten dazu: „Die Produkthaftungsrichtlinie ist seit vier Jahrzehnten ein Eckpfeiler des Binnenmarkts. Der Vorschlag sorgt dafür, dass dieser den Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte gewachsen ist. Die neuen Vorschriften werden den globalen Wertschöpfungsketten entsprechen, Innovationen und das Vertrauen der Verbraucher:innen fördern und Unternehmen, die am ökologischen und digitalen Wandel beteiligt sind, mehr Rechtssicherheit bieten.“
Konkret hat die Kommission 2022 zwei Vorschläge angenommen, um die Haftungsvorschriften an das digitale Zeitalter und die Kreislaufwirtschaft anzupassen. Erstens sollen die bestehenden Regeln zur Haftung von Herstellern für fehlerhafte Produkte, einschließlich digitaler Produkte, modernisiert werden, „um Rechtssicherheit für Unternehmen zu schaffen und Opfern angemessene Entschädigung zu gewährleisten.“ Zweitens soll erstmals eine gezielte Harmonisierung der nationalen Haftungsvorschriften für künstliche Intelligenz vorgeschlagen, „um den Opfern von KI-bezogenen Schäden eine Entschädigung zu erleichtern.“
Dringend benötigtes Update für 2023 endlich in Sicht
Das Ziel dieser neuen Gesetzgebung ist die Beseitigung von Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten und die angemessene Anpassung an neue Technologien wie KI, den Übergang zum Kreislaufwirtschaftsmodell und die verstärkte Nutzung des Online-Handels, auch aus Ländern außerhalb der EU.
Kommissionsvizepräsidentin Věra Jourová, zuständig für Werte und Transparenz, erklärte: „Wir wollen, dass die KI-Technologien in der EU florieren. Um dies zu erreichen, müssen die Menschen digitalen Innovationen vertrauen. Mit dem Vorschlag zur zivilrechtlichen Haftung von KI geben wir den Kund:innen Instrumente für Abhilfe bei durch KI verursachten Schäden an die Hand, damit sie über das gleiche Schutzniveau wie bei herkömmlichen Technologien verfügen, und wir gewährleisten Rechtssicherheit für unseren Innenmarkt.“
Bei KI-verursachte Schäden gleiches Schutzniveau wie bei herkömmlichen Technologien
Das EU-Parlament gibt auf der Webseite an, dass um die Veränderungen in der digitalen und grünen Welt besser abzubilden, erstmals die bestehende Definition eines Produkts um Software-Updates, KI oder digitale Dienste wie Roboter, Drohnen oder Smart-Home-Systeme erweitert werden müsste. Da Nachhaltigkeitsförderung ebenso Teil der EU-Agenda ist, sollen Produkte in Zukunft grundsätzlich “langlebiger, wiederverwendbar, reparierbar und aufrüstbar” sein. Auch die Haftungsregeln für Geschäftsmodelle der Kreislaufwirtschaft würden der EU nach “modernisiert werden” müssen, um sicherzustellen, dass sie für Unternehmen, die Produkte erheblich verändern, klar und fair sind.
Die überarbeiteten Regeln schließen jedoch Open-Source- oder freie Software aus dem Anwendungsbereich aus. Daher können die Entwickler:innen nicht für Schäden haftbar gemacht werden, die durch andere Benutzer:innen verursacht werden.
Zu den Details: Schadenersatz bald auch beim Löschen von Dateien
Bislang erkennt die geltende Richtlinie ausschließlich physische Schäden als berechtigten Grund für die Forderung von Schadenersatz an. Mit den neuen Vorschriften wäre es möglich, Entschädigung für ärztlich anerkannte psychische Schäden geltend zu machen, die eine therapeutische oder medizinische Behandlung erfordern. Ebenso könnten Schadenersatzansprüche für die Zerstörung oder irreversible Beschädigung von Daten, wie beispielsweise das Löschen von Dateien von einer Festplatte, gestellt werden. Dabei müsste der Schaden jedoch einen Betrag von mindestens 1.000 Euro überschreiten.
Haftungsdauer von 20 Jahren
Gemäß dem Vorschlag der Kommission soll die Haftungsdauer auf 20 Jahre festgelegt werden. Das Parlament hingegen strebt in bestimmten Situationen eine Verlängerung der Haftungsdauer auf 30 Jahre an, insbesondere dann, wenn Schäden erst nach längerer Zeit sichtbar werden. Im Rahmen der überarbeiteten Richtlinie ist beabsichtigt, sicherzustellen, dass innerhalb der EU stets jemand haftbar gemacht werden kann, wenn ein fehlerhaftes Produkt Schäden verursacht, selbst wenn das Produkt außerhalb der EU hergestellt wurde.
Diese Verantwortlichkeit kann entweder dem Importeur des Produkts oder einem Vertreter des Herstellers obliegen. Selbst wenn kein haftendes Unternehmen identifiziert werden kann, besteht die Möglichkeit, dass Verbraucher:innen dennoch über nationale Systeme eine Entschädigung erhalten können.
Klarere Verfahren geplant
Das Parlament möchte das Schadensersatzverfahren für Verbraucher:innen außerdem einfacher gestalten, indem sie die Nachweispflicht für Produktfehler und Schäden erleichtern soll. Nationale Verbraucherschutzbehörden sollen dafür „verständliche Leitlinien für Schadensersatzansprüche“ bereitstellen. Auch die Mindestschadensschwelle von 500 Euro in der aktuellen Richtlinie soll abgeschafft werden, um Menschen die Möglichkeit zu geben, Fehler als mögliche Schadensursachen für jedes Produkt nachzuweisen.
„Fehlerhaft” schon bei Mängeln bezogen auf Design oder technischen Eigenschaften
Das Parlament vertritt schlussendlich ebenso die Ansicht, dass ein Produkt als „fehlerhaft“ betrachtet werden sollte, wenn es für die durchschnittlichen Verbraucher:innen „als unsicher eingestuft“ werden kann. Diese Mängel könnten im Zusammenhang mit dem Produktdesign, seinen technischen Eigenschaften, Gebrauchsanweisungen und vorhersehbaren Verwendungsmöglichkeiten stehen. Hierbei soll auch die Lebensdauer des Produkts und seine Fähigkeit zur kontinuierlichen Verbesserung berücksichtigt werden.
Die nächsten Schritte bezüglich des verbesserten Verbraucherschutzes in der EU umfassen Verhandlungen der Abgeordneten mit den EU-Mitgliedstaaten, um die endgültige Ausgestaltung der überarbeiteten Vorschriften zu besprechen.
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