EU-Vereinbarkeitsrichtlinie ignoriert: Neue Stolpersteine für Eltern in Österreich
Die gestern im Nationalrat beschlossene Gesetzesänderung könnte neue Hindernisse für Eltern schaffen, anstatt die Familienfreundlichkeit zu erhöhen. In diesem Zusammenhang kritisiert die AK Präsidentin die Missachtung der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie, die darauf abzielt, die Balance zwischen familiären Verpflichtungen und dem Beruf zu verbessern und die Gleichstellung von Frauen und Männern sowohl am Arbeitsplatz als auch im privaten Leben zu fördern.
Vor allem im ländlichen Raum schwer umsetzbar
In Österreich wird aufgrund der Gesetzesänderung nun eine Elternzeit von 24 Monaten in Zukunft nur dann gewährt, wenn der Vater des Kindes zwei Monate übernimmt. Falls nicht, verfallen zwei der maximal 24 Monate Anspruch auf Karenz.
AK Präsidentin Renate Anderl erklärt warum das Ganze problematisch ist: „Vor allem im ländlichen Raum fehlen Betreuungsplätze für Kinder unter zwei Jahren. Somit wird der Berufseinstieg der Mütter weiter erschwert. Zudem ist nicht zu erwarten, dass durch diese Maßnahmen die Väterbeteiligung tatsächlich steigt.” Auch in der Nationalratsdebatte am Mittwoch kritisierte etwa die SPÖ-Abgeordnete Petra Wimmer die praktischen Auswirkungen der Regelung mit den Worten: „Väter würden oft ja in Karenz gehen wollen, dies aber aus beruflichen oder finanziellen Gründen häufig nicht tun können.“
Die Neuregelung der Elternteilzeit soll, laut AK Präsidentin, nichts als zahlreiche zusätzliche Komplikationen mit sich bringen, denn obwohl die Ausweitung auf das achte Lebensjahr des Kindes auf den ersten Blick positiv erscheint, birgt sie in den Details Herausforderungen. Die Elternteilzeit selbst ist auf höchstens sieben Jahre begrenzt, wobei Zeiten des Beschäftigungsverbots und der Karenz abgezogen werden müssen. Das bedeutet, dass Eltern nun komplizierte Berechnungen durchführen müssen, um festzustellen, wann sie die Elternteilzeit in Anspruch nehmen können und wann nicht.
AK Monitoring: Frauen bleiben länger zuhause
Eine realistische Verbesserung der partnerschaftlichen Aufteilung der Kindererziehung scheint dringend erforderlich zu sein: Daten des AK Wiedereinstiegsmonitorings zeigen, dass die Wiedereinstiegsquote von Frauen mit Geburten im vierten Quartal 2018 am 2. Geburtstag ihres Kindes um drei Prozentpunkte unter der von Frauen im vierten Quartal 2017 lag. Das bedeutet im Klartext, dass Frauen länger zu Hause bleiben und später wieder in den Beruf einsteigen, was zu negativen Auswirkungen wie “niedrigerem Einkommen, geringeren Karrierechancen und einer geringeren Pension führt”, so die AK Präsidentin.
Eltern brauchen richtige Anreize
Die Erhebung zeigt auch, dass die Beteiligung der Väter seit 2017 kontinuierlich abnimmt. Der Anteil der Männer, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, ist mittlerweile auf das Niveau von 2012 zurückgefallen, was ein besorgniserregender Trend ist.
„Der Zug bei der partnerschaftlichen Aufteilung der Kinderbetreuung fährt in die falsche Richtung. Und jetzt werden die Weichen erneut falsch gestellt. Eltern brauchen dringend Vereinfachungen und Väter die richtigen Anreize, damit wir nicht in die Familienpolitik der 1950er Jahre zurückgehen, sondern die Partnerschaftlichkeit für die Zukunft fördern“, so Anderl.
“Umsetzung der Vereinbarkeitsrichtlinie hinkt”
Anderl fügt hinzu: “Die EU-Mitgliedsstaaten haben gemeinsam eine Vereinbarkeitsrichtlinie beschlossen. Die Umsetzung in Österreich hinkt. Die Bundesregierung hat wieder eine Chance verpasst, die partnerschaftliche Teilung der Kindererziehung voranzutreiben.“
Sie bezieht sich hierbei auf die folgende Richtlinie: Die hat die Europäische Kommission hat im Dezember 2016 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben vorgelegt. Nach zahlreichen Diskussionen und Verhandlungen wurde im Juni 2019 die Richtlinie angenommen und trat im Juni 2019 in Kraft.
Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben
Der Vorschlag zielt darauf ab, die Vereinbarkeit von familiären Verpflichtungen und Berufsfeldern zu verbessern und die Gleichstellung von Frauen und Männern sowohl am Arbeitsplatz als auch zu Hause zu fördern. Auf EU- und Mitgliedstaatenebene sollen gesetzliche Vorschriften und Maßnahmen folgende Bereiche abdecken:
1. Unterstützung der Arbeitnehmer bei der Balance zwischen Arbeit und Familie
2.Hilfe für Unternehmen, Talente zu binden
3.Förderung von Flexibilität für Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen
4.Förderung der Gleichstellung der Geschlechter
5.Schaffung von wirtschaftlichem Wachstum und Förderung des Gemeinwohls, insbesondere zugunsten von Kindern und Personen, die familiäre Betreuung benötigen
Gesamtbeschäftigungsquote von Frauen um 11,6 Prozentpunkte unter der von Männern
Auch im Hinblick auf die gesamte EU zeigen sich immer noch erhebliche Geschlechterunterschiede auf dem Arbeitsmarkt. Laut dem Rat der Europäischen Union liegt die Gesamtbeschäftigungsquote von Frauen um 11,6 Prozentpunkte unter der von Männern. Die Teilzeitquote bei erwerbstätigen Frauen beträgt 31,5 %, während sie bei erwerbstätigen Männern nur 8,2 % beträgt. So arbeiten auch nur etwas mehr als die Hälfte der Frauen in Vollzeit, während es bei Männern 71,2 % sind.. Zudem sind fast 20 % der nicht erwerbstätigen Frauen in Betreuungs- und Pflegepflichten involviert, während dieser Anteil bei Männern bei weniger als 2 % liegt. Hier wird deutlich, dass Frauen in einem höheren Maße familiäre Betreuungsaufgaben übernehmen.
Equal Pay Day: Weitere Maßnahmen für mehr Geschlechter-Gerechtigkeit nötig