Rechtsruck, Greenlash & Frauen-Power: Die Effekte der EU-Wahlen 2024
Es waren viele Frauen, die am Sonntag Abend in Europa jubeln durften: Die rechtspopulistische Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen erreichte in Frankreich mehr als 32 Prozent und wurde stärkste Kraft im Land – so stark, dass sich der französische Präsident Emanuel Macron gezwungen sah, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen.
Die neofaschistische Fratelli d‘Italia von Premierministerin Giorgia Meloni siegte in Italien und wird mittlerweile sogar als Königsmacher gehandelt; denn sowohl Le Pen als auch die amtierende EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen machten ihr im Vorfeld der EU-Wahlen den Hof, um sich ihre Unterstützung zu sichern. Denn Meloni wird ein wichtiges – und vielleicht ausschlaggebendes Wörtchen mitzureden haben, wer denn nun künftig an den Hebeln der Macht in Brüssel sitzen wird.
Und dann ist da natürlich noch von der Leyen. Sie feierte die European People’s Party (EPP), die mit etwa 25% und einem Plus von 8 Sitzen im EU-Parlament, als Wahlsieger – und rechnet sich nun als deren Spitzenkandidatin eine zweite Amtszeit aus, um wieder als Präsidentin der Europäischen Kommission eingesetzt zu werden. Damit wird es an der Spitze der EU-Kommission voraussichtlich keine große Änderung geben, aber bei den 27 Kommissionsmitgliedern aus den einzelnen EU-Mitgliedstaaten vermutlich deutlich mehr rechte als linke Politiker:innen geben.
So sieht künftig Sitzverteilung der 720 Mitglieder des EU-Parlaments vorher und nachher aus:
Die Gewinner der EU-Wahl:
- Rechte Parteien wie die FPÖ in Österreich, Fratelli d‘Italia in Italien oder Rassemblement National in Frankreich
- Die Europäische Volkspartei (EVP) als stärkste Fraktion im EU-Parlament
- EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die voraussichtlich eine zweite Amtszeit bekommt und ein „Bollwerk gegen Links- und Rechtsextreme“ sein will
- Die Rechtsaußen-Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), der auch die Partei von Italiens Premierministerin Giorgia Meloni angehört
Die Verlierer der EU-Wahl:
- Die liberale Renew Europe-Fraktion, zu der Renaissance, also die Partei des französischen Präsidenten Emanuel Macron gehört
- Emanuel Macron und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, dessen SPD hinter die rechtsextreme AfD fiel
- Grünparteien in Ländern wie Deutschland und Frankreich; insgesamt verliert die Fraktion der Grünen im EU-Parlament etwa 20 Sitze
- Viktor Orbans in Urban regierende Fidesz-Partei verliert die 50 Prozent in einem historisch schlechten Ergebnis
Welche Mehrheiten realistisch sind
Als gesetzt gilt, dass wieder die Europäische Volkspartei sowie die Fraktion der Sozialdemokraten gemeinsam mit einer kleineren Fraktion wie Renew Europe Mehrheiten bilden werden. Offen ist, wie sich die Fraktionen am rechten Rand formieren und verhalten werden, da ja etwa das französische Rassemblement National sich von der AfD distanzierte. Die Rechtsaußen-Parteien sind zwischen den Parteienbündnissen EKR (u.a. Fratelli d’Italia, AfD, Fidesz) und ID (Rassemblement National, FPÖ) aufgespalten und würden keine Mehrheiten schaffen.
Damit ist zwar klar, dass die Pro-Europa-Fraktionen im EU-Parlament weiter deutlich überwiegen, aber auch, dass der Einfluss der linken und grünen Parteien deutlich geschmolzen ist. „Der hohe Stimmenanteil für populistische Parteien ist absolut erschreckend und zeigt, was für destruktive Kräfte auf unsere Demokratien wirken. Vermeintlich leichte Lösungen gibt es in unserer Welt nicht. Ein zersplitterter Kontinent würde in der Bedeutungslosigkeit versinken – deshalb ist für mich klar: Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Europa“, so etwa Verena Pausder, Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbands, zur Europawahl.
Ihre Forderung an die Politik: „Für Startups und Scaleups ist es wichtig, dass die Kapitalmarktunion in den nächsten Monaten vorangetrieben wird. Nur mit attraktiven Exit-Kanälen und einem dynamischen Kapitalmarkt wird es gelingen, dauerhaft ein starker Startup-Standort zu sein. Mit einem offenen, liquiden Kapitalmarkt steigern wir die Attraktivität der EU als Finanzplatz, verbessern unser Wachstumspotenzial und schaffen mehr rentable Investitionsmöglichkeiten. Ohne stärkere Investitionen in Innovationen verliert Europa technologisch den Anschluss an die USA und China und verbaut sich seine Wachstumsperspektiven.“